Die Idee des Crowdfundings hat nun auch die Gemeindeebene erreicht – mit Erfolg. In Walchsee ist der Amberglift jetzt wieder in Betrieb.
Von Paul Christian Jezek
Eigentlich als Kapitalquelle für kleinere und mittelgroße Unternehmen konzipiert, haben Schwarmfinanzierungen ein Eigenleben entwickelt. Statt in Firmeninvestitionen steckt die Crowd ihr Geld neuerdings auch in Tourismusprojekte – wie zum Beispiel im Bezirk Kufstein.
Dort – genau gesagt in der Gemeinde Walchsee mit rund 1.900 Einwohnern – stand man vor zwei Jahren vor einem veritablen Problem: Was tun mit dem Amberglift? Der operative Betrieb und die Bewirtschaftung (Liftbetrieb, Beschneiung, Pistenpräparierung) des Schlepplifts im 100-prozentigen Eigentum des Tourismusverbandes Ferienregion Kaiserwinkl (TVB) war an die Liftanlagen Zahmer Kaiser GmbH verpachtet worden – bis zum 31.3.2018.
Verkaufen? Verpachten? Einstellen? „Die Gesamtanlage ist optisch auf den ersten Blick zwar durchaus ansprechend“, hieß es in einem tourismusfachlichen Gutachten, in dem jedoch deutlich herausgearbeitet wurde, dass der Amberglift in die Jahre gekommen war. Ein alleiniger Eigenbetrieb durch den TVB Kaiserwinkl wurde deshalb von der conos GmbH nicht empfohlen. Angeraten wurde hingegen ein Verkauf bzw. eine Verpachtung des Ambergliftes oder aber das Einstellen des Liftbetriebs, wodurch „im Sinne der Kernfunktionen und -aufgaben des TVB tendenziell Ressourcen zur gestärkten Profilierung und Positionierung verfügbar“ würden. Ein Weiterführungsangebot des ehemaligen Pächters wäre hingegen als „klare Bevorteilung der Skischule Zahmer Kaiser“ als „wirtschaftlich einseitiges Verhältnis“ gegenüber der Öffentlichkeit wie auch gegenüber der weiteren Skischule (Kössen) im selben Verbandsgebiet nicht vertretbar gewesen.
Für die Wintersaison 2018/19 wurde keine Lösung gefunden und der Amberglift daher nicht in Betrieb genommen. „Ich habe mit Fachleuten Gespräche geführt, sie haben auch Interesse gezeigt, aber für diesen Winter war es ihnen zu kurzfristig“, erklärt Bürgermeister Dieter Wittlinger im public-Exklusivinterview. In einer Gemeindeversammlung votierten die Walchseer ebenso wie Bürgermeister und Gemeinderat für Wiederinbetriebnahme sowie Revitalisierung der in die Jahre gekommenen Infrastruktur, was konkret zeitgemäße Beschneiung, kompatibles Zutrittssystem, neue Seil- und Kinderlifte und Förderbänder, neues Pistengerät und ein neues Gastronomieangebot bedeutete. Doch woher sollte das dafür nötige Geld kommen?
Gemeinde startet die Aktion. Nach dem Vorbild des Sonnwendjochlifts in Kramsach rief Wittlinger eine Crowdfunding-Aktion ins Leben. „Nur mit einem Beitrag der Bevölkerung lässt sich der Amberglift reaktivieren und eine wichtige Winter-Infrastruktur für unsere Kinder, Familien, Urlauber und Gastbetriebe erhalten.“ Der Bürgermeister setzte die Marke, die es zu knacken galt, bei 100.000 Euro an, um dann mit Geldern von Land und Gemeinde (ca. 300.000 €) den Lift zu reaktivieren. Auf der Homepage der Gemeinde wurde ein Spenden-Ticker eingerichtet, eine Einzahlungsfrist auf das Treuhandkonto der Sparkasse Walchsee mit 31.3.2019 gesetzt.
„Geht der Lift im Winter 2019/20 in Betrieb, wird jedem Spendengeber in der Höhe einer dreiprozentigen Verzinsung seiner Spende ein Nachlass beim Kauf einer Liftkarte am Amberg gewährt“, lockte Wittlinger. „Sollte das Projekt nicht zur Umsetzung kommen, wird das eingezahlte Geld unverzinst bis 31.12.2019 zur Gänze zurückerstattet.“ Und die Walchseer haben es geschafft! „Der jüngste Spender ist fünf Jahre jung und hat fünf Euro von seinem Taschengeld gegeben“, berichtet Wittlinger gerührt. In zwei Monaten kam die „gewaltige Summe“ (O-Ton Wittlinger) von 130.000 Euro zusammen, Schiverleiher, Hotels etc. machten jeweils 5.000 bis 10.000 Euro locker – und der Amberglift konnte am 30.12.2019 (wieder) in Betrieb genommen werden. Schon im Herbst hatte die Gemeinde den Lift um einen symbolischen Euro vom TVB Kaiserwinkl erworben.
Natürlich seien damit noch längst nicht alle finanziellen Herausforderungen gelöst, will (und muss) noch an einigen (Lift-)Schrauben gedreht werden. So sei z.B. die Tageskarte um 13,50 Euro „einfach zu billig“, sagt Wittlinger. Aber der Amberglift fährt wieder!
public meint dazu: Vor den Vorhang, Ihr Walchseer!
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Kasten:
Crowdfunding im Tourismus =
mehr Eigenkapital plus Kundenbindung
Crowdfunding oder auch Schwarm- oder Gruppenfinanzierung genannt, ist eine Möglichkeit, das Eigenkapital aufzustocken. Potenzielle Investoren bekommen (meistens online) Informationen, welche Projekte mit dem Geld finanziert werden sollen, welche Mindesteinlage erforderlich ist, über welche Laufzeit die Investition gewünscht ist und wie hoch die Verzinsung ist. Für Investoren ist Crowdfunding attraktiv, weil sie einen weitaus besseren Zinssatz für ihr investiertes Kapital erhalten können als bei einer Bank.
Natürlich ist es eine Risiko-Investition, da man auch alles verlieren kann: Es gibt keine Sicherheit, dass man das investierte Geld in der Höhe der Einlage wiederbekommt.
In Österreich hat sich die Crowdfunding-Plattform we4tourismus speziell auf das Themengebiet Tourismus und Freizeit spezialisiert. Durch die Finanzierung der Crowd-Investoren wächst nicht nur das Eigenkapital eines Hotels, sondern auch die Kundenbindung. So konnte z.B. das Hotel Trattlerhof in Bad Kleinkirchheim durch Crowdfunding in Kombination mit klassischen Finanzierungs- und Förderprodukten eine betriebliche Neuausrichtung finanzieren.
Falkensteiner Hotels & Residences wiederum hat diese Finanzierungsart als Instrument zur Kundenbindung entdeckt. Privatpersonen können auf finnest.com mit einer Mindesteinlage von 1.000 Euro in die Premium-Hotelgruppe investieren und sich dabei entscheiden, ob sie den erzielten Gewinn ausgezahlt haben oder diesen in Form eines Übernachtungsgutscheines erhalten möchten. Ab 5.000 Euro Anlagesumme erhält man einen speziellen VIP-Bonus mit Vorteilen wie Upgrades, Ermäßigungen und Zusatzleistungen. Für Investoren mit einer Einlage ab 10.000 Euro wurde der Diamond Spirit Club als VIP-Bereich ins Leben gerufen.