Innovative Beleuchtungskonzepte sorgen nicht nur für große Augen bei Urlaubsgästen, sondern beflügeln auch den internationalen Reisetourismus, das ist manchmal ein Fluch für die Region, aber auch gleichzeitig ein Segen. Ein kleiner Streifzug, wo spektakuläre Lichterlebnisse zu unverwechselbaren Visitenkarten von Städten und Regionen werden.
Von Tony Bayer
Circa 80 Prozent der Menschen leben derzeit bereits in Städten bzw. urbanen Ballungsgebieten, die lautstark und selbstbewusst ihre wirtschaftliche und kulturelle Vormachtstellung in einer globalisierten Welt bekunden. Kein Wunder, dass vor allem Metropolen unablässig um die Gunst von Unternehmen, Touristen und Bewohnern buhlen – je visionärer, innovativer und außergewöhnlicher, desto besser. Prominente Aushängeschilder einer Stadt sind häufig ihre architektonischen Meisterwerke, die das ganze Jahr hindurch Massen von Touristen magnetisch anziehen. Wenn mit der hereinbrechenden Dunkelheit das Nachtleben erwacht, kann ein solches Wahrzeichen jedoch rasch eine komplett andere Wirkung entfalten – sofern es auffällig beleuchtet wird. Die Schwierigkeit dabei: Wahrzeichen sind von Stadt zu Stadt unterschiedlich. Mal sind es Wolkenkratzer, mal Brücken oder Plätze, Bahnhöfe oder Straßenzüge, die es lichttechnisch gekonnt zu inszenieren gilt. Doch die Architekturbeleuchtung hat inzwischen längst einen Wandel zum „Architainment“ vollzogen – einem Mix aus architektonischem und entertainmentorientiertem Licht. Dank moderner LED-Leuchten und innovativer Lichtmanagementsysteme ist es heute problemlos möglich, architektonische Besonderheiten wie Nischen, Erker und Vorsprünge punktuell hervorzuheben oder bunte Farbenspiele auf Fassaden und Gebäude zu zaubern.
Turm wird zum saisonalen Lichtbotschafter. Ein gutes Beispiel dafür ist der Shanghai Tower, der als zweithöchstes Gebäude der Welt schon alleine mit seiner Höhe von 632 Metern beeindruckt. Aber erst die nächtliche Lichtshow macht das Bauwerk zum überlebensgroßen Eyecatcher: dank eines gigantischen Spektakels mit 22.000 LEDs an der Fassade und 6.500 Deckenleuchten im Atrium. „Der Shanghai Tower steht modellhaft für eine harmonische Verbindung von Architektur und Beleuchtung – und wie man damit Geschichten erzählen kann“, erklärt Beleuchtungsexpertin Alvis Fong aus Hongkong. Die gekrümmte Spiral-Fassade des Gebäudes soll dabei die dynamische Entwicklung des modernen Chinas betonen, zudem werden die aufwendigen Lichtspiele an aktuelle Themen und Jahreszeiten angepasst. „Es gibt je eine Beleuchtung für Winter, Sommer und das chinesische Neujahr. Denn visionäres Lichtdesign verleiht Gebäuden eine ganz individuelle Note – und diese wiederum geben einer Stadt erst ihre unverwechselbare Identität.“
Luminale als städtisches Experiment und Testlabor. Künstlerisch hochwertige Projekte, die sich mit urbanen Zukunftsvisionen im Spannungsfeld von Licht, Architektur, Technologie, Ökologie und dem sozialen Miteinander in der Stadt auseinandersetzen, gibt es jedoch nicht nur im asiatischen Raum: So bildet ein sog. „Light Walk“ das Herzstück der alle zwei Jahre in Frankfurt und Offenbach stattfindenden „Luminale“, welche als erfolgreiches Testlabor für Lichtkunst und Stadtgestaltung jährlich rund 250.000 begeisterte Besucher aus der Rhein-Main-Region anlockt. „Auf einem Stadtrundgang verbinden sich zu Fuß erreichbare Orte mit einer öffentlichen Galerie der Lichtkunst. Diese Zeugen des urbanen Wandels sowie Denkmäler und Wahrzeichen werden auf dem Light Walk zu Orten und zur Thematik lichtkünstlerischer Projekte“, berichtet Festivaldirektorin Isa Rekkab. Seit über einem Jahr ist die Luminale nunmehr auch offizielles Mitglied der „LUCI Association“ (Lighting Urban Community International), einem internationalen Netzwerk von derzeit 70 Städten, die Licht als Instrument sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Entwicklung nutzen. „Diese Mitgliedschaft ist eine sehr gute Gelegenheit, von den Erfahrungen anderer Mitglieder zu lernen. Wir können nun unsere Aktivitäten breiter präsentieren und werden auch international stärker wahrgenommen“, freut sich Rekkab.
Magische Lichtkunstwerke aus Skandinavien. Die dänische Hauptstadt Kopenhagen erstrahlt ebenfalls alljährlich im Februar in einem sprichwörtlich „neuen Licht“. Zu bestaunen sind die kreativen Lichtinstallationen an kulturellen Hotspots sowie historischen Gebäuden und Kanälen. Insgesamt umfasst das Festival in der Innenstadt und am Hafen bis zu 40 unterschiedliche Installationen von Lichtkünstlern, die man auch im Rahmen geführter Touren und Bootsfahrten besichtigen kann. „Das Festival basiert auf der Idee, Licht in die Dunkelheit zu bringen“, erzählt Projektleiterin Catja Thystrup: „Lichtfestivals können sehr farbenfroh und hell sein, doch wir möchten es auf unsere eigene dänische Art umsetzen. Daher gestalten wir die Beleuchtungen gerne auf poetische Weise.“ Auch der beliebte Vergnügungs- und Erholungspark Tivoli Gardens hat sich dem Projekt angeschlossen und erfreut seine Gäste in seiner Jubiläumssaison „Vinter i Tivoli“ mit einem besonderen Lichtkonzept, das dem Park eine fast schon magische Atmosphäre verleiht. In der Abenddämmerung sind die geometrischen Lichtkunstwerke des berühmten Künstlers Olafur Eliasson besonders gut zu sehen, die wie Fabelwesen zwischen den Baumwipfeln zu schweben scheinen.
Salerno lockt mit 27 KilometerN „Lichtermeer“. Bei einer Umfrage der Wirtschaftszeitung „Il Sole 24 Ore“ wurde Vincenzo De Luca 2013 nicht ohne Grund zum beliebtesten Bürgermeister Italiens gewählt. Denn das ehemalige Stadtoberhaupt Salernos bzw. dessen aktueller Nachfolger Vincenzo Napoli verpassen bereits seit 15 Jahren der süditalienischen Küstenstadt ein außergewöhnlich buntes und rund 27 Kilometer langes Lichterkleid zur Weihnachtszeit. Im Rahmen des berühmten Licht- und Kunstfestivals „Luci d’Artista“ gibt es von November bis Ende Jänner immer ein anderes Hauptthema, das sich in Hunderten von verschiedenen Lichtinstallationen über die ganze Stadt verteilt zeigt. Auf den Straßen, Plätzen und Parks der Hafenstadt bereichern jedes Jahr neue Lichtinstallationen das kunstvolle Lichterlebnis.
Dazu werden 40 Kilometer Kabel verlegt, die insgesamt fünf Millionen LED-Leuchten mit Strom versorgen. Aufwendige Lichtinstallationen, die die historischen Gebäude künstlerisch und zeitgenössisch in Szene setzen, sorgen dabei für ganz besondere Glücksmomente bei den mehr als 5 Millionen Besuchern: Die schillernde Vielfalt der von lokalen Künstlern entworfenen Lichtdesigns reicht dabei von einem riesigen Weihnachtsbaum über verschiedene Tiermotive, hängenden Straßenschmuck bis hin zu Lichttunneln und einem 60 Meter hohen beleuchteten Riesenrad.
Amalfiküste entwickelt sich zur Ganzjahresdestination. „Luci d'Artista ist inzwischen zu einem kulturellen und wirtschaftlichen Ereignis von nationaler und internationaler Bedeutung geworden“, sagt der amtierende Bürgermeister Vincenzo Napoli. „Große Kreuzfahrtschiffe haben die Saison bis Dezember verlängert, damit Touristen in dieser Zeit Salerno besuchen können. Auch sämtliche Hotels und Pensionen in der Stadt und in der umliegenden Provinz sind rund um Weihnachten restlos ausverkauft.“ Ein schönes Beispiel, das aufzeigt, wie man durch ein innovatives urbanes Beleuchtungskonzept die touristisch eher ruhigen Wintermonate rund um den Golf von Salerno neu beleben kann. Schon länger gibt es dafür auch regelmäßige finanzielle Unterstützungsleistungen für lokale Tourismusbetriebe und Dienstleister von der Stadtregierung, die mithelfen, das Bestehen des Festivals „Luci d’Artista“ als Touristenmagnet abzusichern. Napoli sieht aber noch weitere Vorteile: „Die lokale Bevölkerung wird in ihrer Geschichte und Identität bestärkt und unsere Wirtschaft profitiert von gesteigerten Nächtigungszahlen sowie den erhöhten Einnahmen in der Gastronomie.“
Water Light Festival in Brixen. Auch die romantisch-verwinkelte Altstadt im südtirolerischen Brixen ist diesbezüglich eine Reise wert: Denn die Bischofsstadt im Eisacktal verwandelt sich vom 8. bis 31. Mai 2020 bereits zum vierten Mal hintereinander in ein besonders farbenprächtiges Lichtermeer: Unter dem Motto „Wasser ist Leben – Licht ist Kunst“ werden dabei mehr als 20 städtische Brunnen, der Zusammenfluss der beiden Flüsse Eisack und Rienz und weitere kulturhistorische Schätze neu interpretiert und mit unterschiedlichen Licht- und Kunstwerken in Szene gesetzt. Wasserwelten, zeitgenössische Kunst und innovative Lichtprojektionen vereinen sich hier zu einer ganzheitlichen Symbiose, die die Besucher zum Staunen, Mitmachen und Nachdenken einlädt.
„Unser Festival ist bewusst so konzipiert, dass neben dem Unterhaltungs-aspekt auch Reflexionen über die Kostbarkeit des Wassers Raum finden sollen“, betont Projektleiterin Stefanie Prieth von der Brixen Tourismus Genossenschaft. Internationale und lokale Künstler präsentieren dabei ihre Installationen auf allerhöchstem lichttechnischen Niveau: Mit spektakulären Videoprojektionen samt modernster Mapping-Technik, überdimensionalen Leuchtobjekten sowie audivisuellen Animationen und Botschaften direkt auf der Wasseroberfläche.