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Mit dem Röntgenblick

Österreichs Gemeinden haben in puncto „Durchsichtigkeit“ teilweise noch erheblichen Nachholbedarf. Gold, Silber und Bronze erobern die größten Städte Wien, Graz und Linz. VON PAUL CHRISTIAN JEZEK
 

Physikalisch betrachtet, handelt es sich bei der Transparenz um die Fähigkeit von Materie, elektromagnetische Wellen durchzulassen. Im Alltag bezieht man den Begriff meistens auf Licht, also den für uns Menschen sichtbaren Spektralbereich elektromagnetischer Strahlung. Auf die public-Materie bezogen, können wir Transparenz als die erwünschte frei zugängliche Information und die konsequente Rechenschaft über Abläufe, Sachverhalte, Vorhaben und Entscheidungsprozesse definieren. Als Staatsbürger sehnen wir uns vielleicht reflexartig nach möglichst viel Transparenz, es gibt allerdings auch durchaus ernstzunehmende Bedenken (siehe Kasten).
Der Verein zur Korruptionsbekämpfung „Transparency International“ (TI-AC, AC für „Austrian Chapter“) hat kürzlich zum zweiten Mal nach 2017 die Auskunftsbereitschaft der 50 einwohnerstärksten sowie (erstmals) von zehn tourismusstarken österreichischen Kommunen geprüft und im „Index Transparente Gemeinde“ (ITG) veröffentlicht. „Der ITG soll die Verwaltung österreichischer Städte und Gemeinden in allen Bereichen transparenter gestalten“, erklärt Prof. Eva Geiblinger, die Vorstandsvorsitzende von TI-AC. „Anhand eines Katalogs von 50 Transparenzkriterien in zehn Kategorien wurden auf Basis internationaler Best- Practices-Informationen definiert, die für jeden/jede BürgerIn österreichischer Städte und Gemeinden relevant sind und daher von Städten und Gemeinden proaktiv zur Verfügung gestellt werden sollten.“ Untersucht wurde dabei die Transparenz von Gemeindeinformationen in zehn Kategorien wie Budget, Verkauf öffentlichen Eigentums und Subventionen. Nach Vollständigkeit, Übersichtlichkeit und Auffindbarkeit wurde jede Kategorie auf einer Skala von null bis zehn Punkten bewertet und alle Kategorien zusammengerechnet führten zum „Erfüllungsgrad“ einer Gemeinde in Prozent.

Noch deutlich Luft nach oben. Der durchaus deutliche Sieger des ITG ist aktuell die Bundeshauptstadt Wien mit beachtlichen 83,23 Prozent der maximal möglichen 100 Punkte. Auf den Ehrenplätzen folgten die größten Landeshauptstädte Graz mit 77,34 und Linz mit 77,09 Prozent. Alle drei Städte konnten sich im Vergleich zu 2017 – wenn auch nur geringfügig – verbessern. Damals hatten Wien 82,72, Graz 76,08 und Linz 74,86 Prozent erreicht. Mit dem Plus von mehr als zwei Prozent konnte die Stahlstadt die vormals dritt- und nun viertplatzierte Stadt Villach (62,92) überholen. „Die drei topplatzierten Städte erreichen ein Ergebnis, das weit mehr als doppelt so hoch ist wie der nationale Durchschnitt von 37,82 Prozent (vier Prozentpunkte mehr gegenüber 2017)“, kommentiert Geiblinger. Bemerkenswert ist auch der Abstand, mit dem sich die Top drei von den weiteren berücksichtigten Gemeinden absetzen. Hinter Villach kommen Wels mit 59,17 und Klagenfurt mit 56,60 Punkten, Innsbruck mit 48,39 und Salzburg mit 47,04 erreichen nicht einmal die Hälfte der Maximalpunktezahl. Am Ende der Index-Rangliste finden sich Feldbach mit 23,74, Wolfsberg mit 21,19 und Feldkirchen mit kärglichen 20,23 Prozent.

Unter den tourismusstarken Gemeinden ist Kitzbühel mit 35,89 Prozent laut TI-Index die transparenteste und hätte damit im 50er-Ranking einen Mittelfeldplatz belegt. Dahinter folgen Lech am Arlberg (33,33) und Velden am Wörthersee (29,19). Am intransparentesten sind – noch hinter Wolfsberg und Feldkirchen – Schladming (18,74), Saalbach (17,48) und Obertilliach (16,74).

Auffällig ist ein leichtes Ost-West-Gefälle; viel mehr als mit der geografischen Lage korreliert das Transparenzniveau unserer Städte und Gemeinden jedoch mit ihrer Größe, gemessen an der Einwohnerzahl. Größere Kommunen hätten einen Größenvorteil, räumt TI-Vorstandsmitglied Alexander Picker ein. Sie hätten mehr Ressourcen, um Daten zu veröffentlichen. Jedoch finden sich auch kleinere Gemeinden wie Perchtoldsdorf (Platz neun mit 45,40) und Feldkirch (Platz zehn mit 42,26) auf den vorderen Plätzen und können somit „mit entsprechendem Willen zur Unterstützung des Transparenzgedankens“ hervorragende Ergebnisse im ITG erzielen. „Der Vergleich mit ähnlichen Projekten anderer TI-Chapters zeigt, dass es in Österreich Städte und Gemeinden gibt, die auch international als Vorreiter in Sachen Transparenz bezeichnet werden können“, resümiert Geiblinger. „Andere österreichische Städte und Gemeinden hingegen haben sowohl im nationalen als auch im internationalen Vergleich diesbezüglich weiter erheblichen Nachholbedarf.“

Besonders nachlässig in Sachen Transparenz sind die Gemeinden in den Bereichen Verkauf öffentlichen Eigentums (durchschnittlich 1,6 Punkte), öffentliches Vergabe- und Beschaffungswesen (1,98) sowie Subventionen und Fördermittel (2,81). Zwar gab es leichte Verbesserungen im Vergleich zu 2017, dennoch kritisiert Geiblinger: „Die korruptionsanfälligen Problemfelder des öffentlichen Beschaffungswesens, des Verkaufs öffentlichen Eigentums und der öffentlich-privaten Partnerschaften bleiben weiter bestehen. Österreichische Städte und Gemeinden stellen der Öffentlichkeit unter dem Deckmantel des Datenschutzes und der Amtsverschwiegenheit weiterhin kaum Informationen zur Verfügung.“

Daten an einem Ort veröffentlichen. Die Amtsverschwiegenheit will die inzwischen nicht mehr ganz neue Regierung grundsätzlich ja mit Hilfe eines geplanten Informationsfreiheitsgesetzes abschaffen. Die TI-Vorsitzende begrüßt den Plan, bleibt aber zurückhaltend: „Wir sind gespannt, wann, in welchem Umfang und wie das passiert. Wir bleiben am Ball.“ Die Auswirkungen eines Informationsfreiheitsgesetzes auf die Transparenz von Gemeinden wären Geiblinger zufolge jedenfalls positiv.

Darüber hinaus fordert Transparency International die Städte und Gemeinden auf, relevante Informationen über alle Bereiche der Kommunalverwaltung auf der eigenen Website zu veröffentlichen. Die Daten aller Vergaben der öffentlichen Verwaltung – darunter auch Auftragnehmer und Auftragssumme – sollten an einem Ort vollständig veröffentlicht werden, wenn es nach TI geht. Außerdem solle Österreich der Open Government Partnership (OGP) beitreten, deren 78 Mitgliedsstaaten sich zur Förderung von Transparenz in allen öffentlichen Institutionen verpflichten.

 

Infokasten Pro und Contra Transparenz

Die Top-Argumente der Befürworter weit(est)gehender Transparenz:
•     Transparenz ist ein essenzieller Bestandteil der Demokratie und grundlegend für eine freie Willensbildung sowie eine fundierte Wahlentscheidung.
•     Feedback-Funktion: Transparenz ermöglicht den Bürgern, Probleme wahrzunehmen, Beschwerden zu äußern und Verbesserungsvorschläge zu erfahren und zu erörtern und diese den politischen Repräsentanten mitzuteilen. Dadurch können die Repräsentanten die drängenden Probleme wahrnehmen und folglich effizienter arbeiten.
•     Transparenz drängt Politiker dazu, die Wünsche der Bürger umzusetzen, und ist somit ein Anreiz zur Loyalität und Bürgernähe (Disziplinierungseffekt)
•     Transparenz verhindert Machtmissbrauch und Korruption, indem sich jeder über Vorgänge informieren kann, um dann ggf. dagegen zu agitieren und vorzugehen und dadurch, dass der Politiker zur Rechenschaft verpflichtet ist.
•     Durch eine inhärente Offenheit politischer Vorgänge und Kommunikation wird das Vertrauen der Bürger in die Politik bzw. in die Regierung(sform) gestärkt.

Die wichtigsten Gegenpositionen:
•     In der Politikwissenschaft und in der Verhandlungstheorie wird auch Kritik geäußert: Durch zu viel Transparenz könnten Nebenwirkungen und Probleme auftreten, welche die Regierungstätigkeit und schlussendlich die Regierungsform beeinträchtigen. Umgekehrt könnten aus weniger Transparenz auch Vorteile erwachsen.
•     In einem transparenten System wollen sich Politiker selbst als die stärksten Interessenvertreter darzustellen (Profilierung). (Welche angloamerikanischen Top-Politiker fallen uns dazu automatisch ein?) Dies birgt die Gefahr, dass überzogene Verhandlungspositionen eingenommen werden, die jeden Kompromiss scheitern lassen und somit zu einer ineffizienten Politik führen.
•     Politiker ändern möglicherweise aufgrund öffentlichen Drucks trotz besseren Wissens ihre Meinung.
•     Heikle Diskussionen werden möglicherweise trotzdem in dann kaum noch zugänglichen, intransparenten Zirkeln geführt. Die dort getroffenen Übereinkünfte werden dann im transparenten Gremium ohne eingehende Diskussion verabschiedet.
•     Weniger Transparenz bietet Politikern einen Freiraum zur Diskussion und ermöglicht einen zunächst unbefangenen Austausch zu öffentlich prekären Themen.