Foto: Beigestellt: Scheckübergabe der Spenden vom FQP durch Eduard Leichtfried an Jakob Maierhofer-Wieser für das Projekt kinderarbeitstoppen.at der Dreikönigsaktion.
Das Forum Qualitätspflaster hat sich in Zusammenarbeit mit der Stadt Wien MA 28 dazu entschlossen, Pflastermaterial aus Kinderarbeit zu boykottieren und hat dafür sogar seine Statuten geändert. public hat über dieses Projekt mit Bmstr. Dipl.-Ing. Eduard Leichtfried, Vorstandvorsitzender des FQP, und Dipl.-Ing. Wolfgang Ablinger, Leiter des Bereiches Bau- und Erhaltungsmanagement der MA 28 – Straßenverwaltung und Straßenbau der Stadt Wien, gesprochen.
public: Eine sehr begrüßenswerte Aktion! Wer hat sie initiiert, was waren die Beweggründe dafür?
FQP: Das Thema Kinderarbeit poppt immer wieder auf. Erst vor Kurzem gab es im deutschen Fernsehen eine Doku über die Arbeitsbedingungen in chinesischen Natursteinwerken. Dabei sah man auch Kinder bei der Steinbearbeitung ungeschützt Lärm und Staub ausgesetzt. Nur wenige waren zumindest mit „Badeschlapfen“ ausgestattet.
Zum Zehnjahresjubiläum wollten wir gemeinsam mit unseren Mitgliedern einfach etwas Sinnvolles tun. Das ist uns mit dieser Aktion gelungen.
Ein Jubiläum ist immer ein Augenblick zum Innehalten und um nachzudenken, über das Erreichte und die Zukunft. Eine Zukunft ohne Kinder gibt es nicht und in unserer Branche werden „billige“ importierte Natursteinprodukte automatisch und leider teilweise auch zu Recht mit einem Herstellungsprozess durch „billige“ Arbeitskräfte assoziiert. Über Kinderarbeit wurde schon immer diskutiert, aber unser Verein heißt Forum Qualitätspflaster und nicht Forum gegen Kinderarbeit. Darum war es uns wichtiger, zuerst Zeit in Forschungsvorhaben, Fachbücher und Richtlinien zu investieren. Sowie Ausbildungsangeboten und deren Umsetzung im praktischen Baualltag.
MA 28: Die Beweggründe, diese Aktion zu starten, sind mannigfaltig. Zunächst: Für die Stadt Wien ist es nicht vertretbar, Materialien im Straßenbau einzusetzen, deren Herkunft aus ethischen Gesichtspunkten fragwürdig ist. Gerade wohlhabende Kommunen haben diesbezüglich eine Vorbildfunktion, den Handel derartiger Produkte einzudämmen. Verletzungen von Menschenrechten, insbesondere Kinderarbeit, werden von uns keinesfalls toleriert. Geringe Preise von Produkten können derartige Verletzungen selbstverständlich keinesfalls rechtfertigen.
Neben ethischen Gründen bestehen weiters ökologische und – langfristig betrachtet – auch wirtschaftliche Aspekte. Einerseits verfügt Österreich über hochwertige Baumaterialien – besonders hervorzuheben sind Granite in ausgezeichneter Qualität – und andererseits ist eine Lieferung derartiger Materialien über große Distanzen aus ökologischer Sicht keinesfalls zu rechtfertigen. Nicht zuletzt haben wir dadurch die Gewähr, dass eine Nachlieferbarkeit gegeben ist. Speziell bei Bauvorhaben, die besonders im öffentlichen Interesse stehen, wie zum Beispiel die Neugestaltungen von Stephansplatz oder Rotenturmstraße, wurden bewusst heimische Materialien zum Einsatz gebracht und die Stadt Wien hat mit dieser Vorgehensweise die besten Erfahrungen gemacht.
Initiiert wurde diese Maßnahme von der Leitung des Bereiches Bau- und Erhaltungsmanagement der MA 28.
Wird die Einhaltung bei den Mitgliedsbetrieben des FQP überprüft?
FQP: Um bei uns Mitglied zu werden, bedarf es eines einstimmigen Beschlusses des gesamten Vorstands. Wir haben nur mündige Mitglieder und wir setzen auf die Aufmerksamkeit und den Hausverstand. Die Branche ist überschaubar, wir kennen und beobachten die meisten Baustellen und können dadurch auch reagieren.
Wie kommt man zum Verdacht, dass Pflastermaterial durch Kinder- oder Zwangsarbeit hergestellt wurde? Allein durch den billigen Preis? Wie können Kunden das erkennen?
FQP: Es ist nicht nur der Preis. Experten kennen den Stein, das Herkunftsgebiet und die Verarbeitung. Nichtexperten erkennen nach einiger Zeit vielleicht an Frostschäden, dass das Material zumindest keine einheimische Ware ist. Gut ist, dass verantwortungsvolle Baustoffhändler auch Mitglieder bei uns sind, wo auch auf die Herkunft und auf den Produktionsprozess Augenmerk gelegt wird.
Gibt es ein Zertifikat dazu?
FQP: Von uns gibt es kein Zertifikat. Dafür gibt es andere Organisationen.
Wurde beobachtet, ob das Problem den Kunden wichtig ist? Gibt es Fallbeispiele dazu?
FQP: Das Problembewusstsein muss geweckt werden, dann wird es wichtig. Das kann der Verkäufer am Pult sein oder der Ausführende beim Erstgespräch auf der Baustelle. Sicher sehr unterstützend dabei ist dieser public-Bericht bei vielen Bürgermeistern, Gemeinderäten und anderen verantwortlichen Entscheidungsträgern in den Kommunen.
Wie genau wurden die Vergabeunterlagen bzw. Richtlinien angepasst?
MA28: Bezüglich des Natursteinmaterials wurde in den Ausschreibungsunterlagen vertraglich vorgegeben, dass nur im EU-Raum gewonnene Steinmaterialien verbaut werden dürfen, wodurch Kinderarbeit bei den eingesetzten Materialien de facto ausgeschlossen ist. Weiters wird durch die Vorgabe technischer Kennwerte und Bearbeitungsmethoden, die von den heimischen Produzenten mit ihren hochwertigen Produkten jedenfalls eingehalten werden können, eine Zulieferung aus problematischen Regionen verunmöglicht. Die MA 28 erklärt explizit in den Ausschreibungsunterlagen, dass sie den Schutz der Kinder- und Menschenrechte unterstützt und respektiert. Es ist vertraglich bedungen, dass keine von Kindern oder durch Zwangsarbeit hergestellten Materialien verwendet werden dürfen. Die Verwendung von Baumaterialien, die in Verdacht stehen, durch Kinder- oder Zwangsarbeit hergestellt worden zu sein, ist somit vertraglich untersagt. Aus diesem Grund behält sich die MA 28 vor, die Herkunft der Baumaterialien bei den Auftragnehmerinnen und Auftragnehmern zu hinterfragen und kann im Anlassfall die Verwendung untersagen.
Ist daran gedacht, die Idee an andere, vergleichbare Fachverbände, Foren etc. weiterzugeben?
FQP: Alle natursteinverarbeitenden Betriebe und deren Vorfeldorganisationen können das Thema mittragen. Sie sind herzlich eingeladen mitzumachen und viele haben sich sowieso auch schon intensiv mit Kinderarbeit beschäftigt.
Ist daran gedacht, die Idee an andere Magistratsabteilungen oder Gemeinden und Städte weiterzugeben?
MA28: Nun, teilweise wurden Vertragsbestandteile, zum Beispiel die Kriterien für „sauberes“ Natursteinmaterial, anderen Gebietskörperschaften zur Verfügung gestellt. Wir werden auch das FQP dazu nutzen, um diese Vertragsbestimmungen weiterzugeben.
Welche andere Gemeinden bzw. Städte gehen ebenso wie die MA 28 mit gutem Beispiel voran?
FQP: Darüber haben wir noch wenig Überblick. Hoffentlich gibt es viele Leserreaktionen. Wir würden uns über ein Mail dieser Städte und Gemeinden freuen, um eine Liste mit Beispielen auf unserer FQP-Homepage (fqp.at) zu veröffentlichen.
Ihr Statement:
FQP: Das Pflastern von Plätzen und Wegen wird immer mehr beachtet und geschätzt. Gepflasterte Flächen werten einen Ort auf, entschleunigen und laden zum Verweilen ein. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten der Gestaltung und viele Möglichkeiten der Materialauswahl. Es wäre schade, ein hochwertiges Ergebnis aus Material und Handwerk durch eine falsche Materialauswahl zu entwerten.
MA 28: Wenngleich auch die Straßenbauabteilung der Stadt Wien sicherlich ein „big player“ beim Einsatz von Baumaterialien, insbesondere von Natursteinmaterialien ist, wäre es wünschenswert, wenn auch seitens der Baumärkte, Gartengestalter, Steinmetzbetriebe etc. derartige problematische Materialien nicht mehr in Umlauf gebracht würden, um der Ausbeutung von Menschen einen Riegel vorzuschieben.
Hoffentlich gibt es viele Leserreaktionen. Das FQP würde sich über ein Mail von Städten und Gemeinden freuen, die auch ihre Entscheidungen bei der Auswahl vom Materialen nach speziellen Kriterien treffen und sich so entschieden gegen Kinderarbeit stellen.
Das FQP würde diese guten Beispiele gerne auf der FQP-Homepage veröffentlichen. Bitte um Zusendungen an: E-Mail: info@fqp.at