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Die Corona-Krise hat zu deutlichen Mindereinnahmen bei den Gemeinden geführt. Nach aktuellen KDZ-Prognosen fehlen den Gemeinden (ohne Wien) für die Jahre 2020 und 2021 insgesamt 2,5 Mrd. Euro (ohne Wien). Diese Mittel fehlen bei der Deckung der laufenden Ausgaben und für Investitionen. Es ist zu befürchten, dass der Anteil der Abgangsgemeinden, welche ihre laufenden Ausgaben und Tilgungen nicht mehr durch laufende Einnahmen decken können, bis 2021 stark ansteigt. Von Peter Biwald, Clemens Hödl, Karoline Mitterer – KDZ
Eine Aktualisierung der KDZ – Gemeindefinanzprognose für 2020 und 2021 zeigt eine weitere Verschärfung der Situation, insbesondere durch Berücksichtigung des zweiten Lockdowns und aufgrund des Konjunkturstärkungsgesetzes (Steuerreform).
Insgesamt wird ein Rückgang des Überschusses der laufenden Gebarung von 2.077 Mio. Euro (2019) auf 994 Mio. Euro (2020) sowie 581 Mio. Euro (2021) erwartet. Das ist ein Rückgang um mehr als zwei Drittel. In Summe sinkt der Spielraum für Investitionen um 1.083 Mio. Euro im Jahr 2020 und um weitere 1.496 Mio. Euro 2021 – das ist ein Ausfall von 2.579 Mio. Euro in den beiden Jahren.
Sinkende Einnahmen – geringes Sparpotenzial. Die Jahre 2020/2021 sind stark geprägt von Einnahmenrückgängen aufgrund der Corona-Krise. Besonders starke Rückgänge zeigen sich bei den Gemeinde-Ertragsanteilen (2019 rund 7,0 Mrd. Euro). Diese werden laut BMF-Prognose vom 26.11.2020 im Jahr 2020 um 8,5 Prozent bzw. 600 Mio. Euro niedriger sein als 2019. Für 2021 wird ein weiterer Rückgang von 3,7 Prozent bzw. 240 Mio. Euro erwartet. Durch den zweiten Lockdown im November/Dezember 2020 wird sich der Rückgang nochmals um 0,5 Prozentpunkten verstärken.
Die Kommunalsteuer ist mit rund 2,6 Mrd. Euro (2019) die wichtigste gemeindeeigene Steuer und nunmehr von der steigenden Arbeitslosigkeit und der Kurzarbeit betroffen. Die höhere Arbeitslosenzahl führt zu einem Komplettausfall, die Kurzarbeit aufgrund der Ausnahme des Kurzarbeitsanteils von der Kommunalsteuer zu einem Detailausfall. Auf dieser Basis wird die Kommunalsteuer 2020 um rund 210 Mio. Euro unter den Werten von 2019 sein, im Jahr 2021 noch um voraussichtlich 90 bis 95 Mio. Euro. In Summe beträgt der Rückgang in den beiden Jahren 300 Mio. Euro. Bei der Fremdenverkehrsabgabe ist mit einem Rückgang um 165 Mio. Euro im Jahr 2020 und um weitere 65 bis 100 Mio. Euro im Jahr 2021 zu rechnen.
Auf der Ausgabenseite sind die wichtigsten Positionen der Personalaufwand, der Verwaltungs- und Betriebsaufwand sowie die Transfers an Träger des öffentlichen Rechts (in der Regel an die Länder für Sozialhilfe, Krankenanstalten und Landesumlage) sowie an sonstige Institutionen (externe Leistungserbringer wie auch Vereine). In Summe umfassen diese vier Positionen 90 Prozent der laufenden Ausgaben und sie werden in den nächsten Jahren voraussichtlich zwischen 3 und 5 Prozent p.a. wachsen, sofern keine wesentlichen Konsolidierungsmaßnahmen inkl. Leistungskürzungen gesetzt werden.
Finanzielle Unterstützung und Konsolidierungen notwendig. Um einen starken Anstieg an Abgangsgemeinden zu vermeiden und die Liquidität sowie kommunale Investitionen zu sichern, wären für 2021 weitere finanzielle Hilfsmaßnahmen des Bundes (und der Länder) notwendig. Ein Ersatz des Ausfalls der Kommunalsteuer und Fremdenverkehrsabgabe für die Jahre 2020/2021 sowie der teilweise Ersatz der Ertragsanteile für diesen Zeitraum würde bis zu 1,5 Mrd. Euro des geringeren Überschusses und damit Investitionsspielraums der Gemeinden kompensieren. Ohne eine solche Kompensation müssten die Gemeinden zwischen 2021 und 2024 8 bis 10 Prozent des Personal-, Verwaltungs- und Betriebsaufwands sowie der Zuwendungen an externe Leistungserbringer und Vereine reduzieren.
Die Zahl an Abgangsgemeinden – daher jene Gemeinden, welche ihre laufenden Ausgaben inkl. Tilgungen nicht mehr decken können – erhöht sich 2021 ohne Gegenmaßnahmen auf voraussichtlich 60 Prozent (Variante 1). Durch die finanzielle Unterstützung von Bund/Ländern in der Höhe von 1,1 Mrd. Euro (ohne Wien) (Variante 2) könnte der Anteil an Abgangsgemeinden 2021 wieder stabil gehalten werden. Es wird damit aber primär ein einmaliger Effekt erzielt.
Ergänzend dazu ergibt sich, dass die Gemeinden auch konsolidieren müssen (Variante 3). In Variante 3 wird aufgezeigt, welche Konsequenzen es hätte, wenn keine weiteren finanziellen Hilfen von Bund und Ländern kämen und die Abgänge ausschließlich durch Konsolidierungsmaßnahmen der Gemeinden auszugleichen wären.
Ein Viertel der laufenden Ausgaben der Gemeinden sind Umlagen, welche eine sehr hohe Dynamik aufweisen und von den Gemeinden meist nicht beeinflusst werden können. Daher müssten verstärkt Kürzungen im Personalbereich und im Verwaltungs- und Betriebsaufwand erfolgen. Auch die Verschuldung würde hier deutlich zunehmen, da die Einsparungen nur mittelfristig umgesetzt werden könnten.
Deutliche Leistungskürzungen zu befürchten. Wie die Prognoseszenarien zeigen, werden die Gemeinden die Finanzkrise nicht aus eigener Kraft tragen können. Ohne weitere Unterstützungsmaßnahmen durch Bund und Länder müsste von den Gemeinden ein massives Einsparprogramm mit entsprechenden Leistungskürzungen gefahren werden, um mittelfristig wieder einen ausreichenden Überschuss der operativen Gebarung auf dem Niveau von 2019 zu erzielen, und zwar:
• Personalabbau um knapp 10 Prozent (das sind 7.000 bis 8.000 Arbeitsplätze)
• Reduktion des Verwaltungs- und Betriebsaufwandes in einem ähnlichen Ausmaß
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Einsparungen nicht von einem Tag auf den anderen umsetzbar sind. Ein Teil der Mindereinnahmen müsste über Schulden finanziert werden; diese sind jedoch nur innerhalb enger Rahmen genehmigungsfähig und auch sinnvoll. Dies hat zur Folge, dass – ohne weitere Unterstützungsmaßnahmen – einerseits bei Investitionen gekürzt werden muss, andererseits bei Abgangsgemeinden auch über Leistungskürzungen nachgedacht werden muss.
Leistungskürzungen wären dabei grundsätzlich überall dort möglich, wo „freiwillige“ Leistungen erbracht werden. Theoretisch ergeben sich dabei mehrere – durchaus auch kritische – Ansatzpunkte:
• Die Reduktion von Leistungsangeboten: z.B. kürzere Öffnungszeiten in Frei- und Hallenbäder oder anderen kommunalen Einrichtungen, kürzere Betreuungszeiten in Kindergärten, niedrigere Standards bei der Schneeräumung oder Straßenreinigung, Abstriche im öffentlichen Verkehr
• Das Einstellen von Leistungen bzw. das Schließen von bestehenden Einrichtungen: z.B. Frei- und Hallenbäder, Kultur- und Sporthallen, Büchereien, Museen, Sozialberatungsstellen, Essen auf Rädern etc.
• Das Kürzen oder die Streichung von Förderungen: z.B. bei Sozialleistungen wie Wohnkostenzuschüsse oder bei Vereinen, wie etwa Feuerwehr, Sport- und Kulturvereinen
Im Rahmen eines Konsolidierungsprozesses wären politische Schwerpunkte zu setzen, wo gespart werden soll. Dies birgt jedenfalls die Gefahr, dass bestehende Errungenschaften oder zukunftsweisende Entscheidungen gefährdet sind und dem Sparstift zum Opfer fallen.
Gerade der Kinderbetreuungsbereich sollte dabei von Sparbemühungen unberührt bleiben, um langfristig negative Folgewirkungen zu vermeiden. Allein 30 Prozent der Personalausgaben entfallen auf den Bereich Kinderbetreuung und Pflichtschulen. Die Personalausgaben sind hier in den letzten zehn Jahren über 50 Prozent angestiegen. Und das gesamtgesellschaftliche Ziel des weiteren Ausbaus der Kinderbetreuungsangebote besteht nach wie vor.
Fehlende Mittel für systemrelevante Investitionen . Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Investitionsbereich. Mit einem bisherigen Anteil der Gemeinden an den öffentlichen Investitionen1 von 30 Prozent könnten die Gemeinden wesentlich zur Stabilisierung der Wirtschaftskrise beitragen. Denn kommunale Investitionen bedeuten auch Arbeitsplätze in der Bauindustrie, im Handel und vielen anderen Branchen.
Müssen jedoch sämtliche Einnahmen für die laufenden Ausgaben aufgewendet werden, fehlt das Geld für Investitionen. Dies ist nicht nur problematisch für die Wirtschaft, sondern es besteht auch ein hohes Risiko eines nicht wieder aufholbaren Investitionsrückstaus – etwa in den Bereichen Kindergärten und Schulen oder bei den dringend notwendigen Investitionen für den Klimawandel.
Die nur schleppende Nutzung des durch den Bund aufgelegten kommunalen Investitionsprogrammes (KIP) verdeutlicht nochmals die Problematik.
KDZ-Empfehlung: Maßnahmenbündel Bund, Länder & Gemeinden.
Um die Gemeindeebene auch langfristig handlungsfähig zu halten, empfiehlt das KDZ ein Maßnahmenbündel, das von Bund, Ländern und Gemeinden getragen ist (Abbildung 2). Zur grundsätzlichen Absicherung der Liquidität der Gemeinden und der kommunalen Leistungen ist neben dem bestehenden kommunalen Investitionspaket auch ein – wie bereits vorher angesprochener – zumindest teilweiser Ersatz der Einnahmenausfälle in Höhe von 1,5 Mrd. Euro 2021 (inkl. Wien) notwendig. Dies betrifft einen vollständigen Ersatz der Kommunalsteuer und Fremdenverkehrsabgabe und einen teilweisen Ersatz der Mindereinnahmen bei den Ertragsanteilen. Ergänzend empfiehlt das KDZ den Ausbau der Investitionsprogramme um 1 Mrd. Euro 2021. Wichtige Entlastung würde auch die Öffnung der Corona-Hilfsmaßnahmen (Kurzarbeit, Fixkostenzuschuss, Umsatzersatz etc.) zumindest für die kommunalen Betriebe bringen.
Zusätzlich bedarf es einer besseren Abstimmung zwischen den Gebietskörperschaften. Es gilt, die Problemlage aufzuzeigen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten, etwa im Bereich der Verschuldung oder die Berücksichtigung der Gemeinden bei den Mitteln aus dem Europäischen Aufbauplan.
Angesichts der Krise werden aber auch Gemeinden einen wesentlichen Beitrag leisten müssen. Einerseits gilt es, bestehende Liquiditätsreserven und Effizienzpotenziale zu nutzen, etwa im Bereich der Gemeindekooperationen. Andererseits werden auch Konsolidierungsmaßnahmen notwendig sein und damit verbunden die Reduktion oder Anpassung von Leistungen.