wirtschaft politik service

Umweltbundesamt/B. Gröger

Kunststoffe gewinnen

Die neuen EU-Recycling-Ziele für Kunststoffabfälle stellen Konsumenten, Gemeinden, Abfallwirtschaftsverbände und Anlagenbetreiber vor große Herausforderungen. Der Anteil der Kunststoffe, die wiederverwertet werden, muss sich bis 2030 verdoppeln. Dafür braucht es nicht nur neue Technologien, sondern auch eine geränderte Sammlung und bessere Sortierung. Von DI Christian Neubauer, Abfall-Experte Umweltbundesamt GmbH

Die Europäische Union gibt für die nächsten Jahre klare Ziele für den Umgang mit Kunststoffabfällen vor: bis zum Jahr 2030 sollen mindestens 50 % der Kunststoffabfälle und mindestens 55 % der Kunststoffverpackungsabfälle wiederverwertet werden. Eine aktuelle Studie des Umweltbundesamts zu Sortierung und Recycling von Kunststoffabfällen in Österreich zeigt, dass diese Ziele mit der bestehenden Anlagenstruktur und unter den derzeitigen finanziellen Rahmenbedingungen nicht erreicht werden können. So wurden 2018 von den 0,95 Millionen Tonnen an Kunststoffen, die in Abfällen enthalten sind, noch circa 72 % thermisch verwertet und nur etwa 26 % stofflich verwertet. Ein sehr kleiner Anteil von etwa zwei Prozent wurde deponiert. Mit ein Grund für die weiterhin zu geringe stoffliche Verwertung sind die hohen Kosten, die eine Bereitstellung von sortenreinen recyclingfähigen Fraktionen mit sich bringt. Um dem entgegenzuwirken, kann an zwei Punkten angesetzt werden: beim Ausbau der Sortier- und Recyclingkapazitäten in Österreich und bei recyclinggerechtem Produktdesign.

Vom Abfall zum Wertstoff. Mit guter Trennung ist viel gewonnen. Niedrige Fehlwurfraten bei den getrennt gesammelten Kunststoffabfällen verringern den Aufwand beim Recycling und sparen Kosten. In den letzten Jahren hat die Trennmoral in Österreich leider abgenommen. Die Qualität der entsorgten Kunststoffe sinkt, während die Fehlwurfraten bei den Inputmaterialien in die Sortieranlagen steigen. Um das sortenreine Trennen zu fördern, gibt es mehrere Hebel. Eine einheitlichere Kennzeichnung, zum Beispiel bei der Farbgebung von Abfallbehältern oder Logos auf den Kunststoffprodukten, erleichtert die richtige Entsorgung. Das gleiche gilt für die Sammelkategorien bei der getrennten Sammlung. Sie sollten einem österreichweit einheitlichen Schema folgen, im Idealfall über alle Systeme und Abfallwirtschaftsverbände hinweg.

Damit richtig getrennt wird, braucht es aber vor allem Motivation und Information. Abfallwirtschaftsverbände, Sortierer, Recycler, Gemeinden und Produktionsbetriebe können durch Bewusstseinsbildung entscheidend dazu beitragen, dass Kunststoffe künftig verstärkt als Wertstoffe angesehen werden. Wichtige Multiplikatoren sind auch die Abfallberater, die nicht nur in den Kommunen, sondern auch in Schulen und anderen Bildungs- bzw. Weiterbildungsstätten über die getrennte Sammlung informieren.

Mehr sortieren für mehr Recycling. Die Sammlung und Trennung von Kunststoffabfällen ist die eine, das Recycling die zweite Herausforderung beim Erfüllen der EU-Recycling-Ziele. In den österreichischen Sortieranlagen werden überwiegend Verpackungskunststoffe aus der getrennten Sammlung von Kunststoffflaschen und der „Gelben Sack“-Sammlung sortiert. Rund ein Drittel dieser Kunststoffabfälle wird für das Recycling abgetrennt, der Rest wird thermisch verwertet. Ein Upgrade der Technologien, die Umstellung der bestehenden Verfahrenstechnik und die Schaffung zusätzlicher Kapazitäten wären zwar möglich, allerdings scheitert es aktuell an der Finanzierbarkeit der dafür erforderlichen Sortierleistungen.
Um die Recyclingausbeuten insbesondere bei Elektro- und Elektronikaltgeräten zu verbessern, müssen auch hier die Sortiertechnik optimiert oder Kunststoffteile vor der maschinellen Zerkleinerung vermehrt demontiert werden. Zudem ist es wichtig, die Forschung zu neuen Recyclingtechniken und Einsatzmöglichkeiten für Rezyklate zu stärken.

Österreichische Anlagen gut aufgestellt. Prinzipiell sind die österreichischen Recyclinganlagen für Kunststoffabfälle im europäischen Vergleich gut aufgestellt. Einige Anlagen werden derzeit an den Stand der Technik angepasst oder planen solche Anpassungen in naher Zukunft. Zusätzlich wurden in Österreich in den letzten Jahren mehrere neue Recyclinganlagen errichtet, um die neuen Vorgaben der EU erfüllen zu können. Bei Sortieranlagen muss jedoch nachgerüstet werden. Insgesamt nimmt Österreich bei der Entwicklung und Herstellung von Sortier- und Recyclingtechnologien für Kunststoffabfälle eine Vorreiterrolle ein und kann diesen Vorteil für aktuelle Herausforderungen nutzen.

Hebel und Chancen. Um die EU-Ziele zu erreichen, braucht es vor allem auch den entsprechenden nationalen rechtlichen Rahmen. Sammler, Sortierer und Verwerter sollen sich auf die kommenden Änderungen zeitgerecht vorbereiten können. Auch eine Änderung der Tarifgestaltung für Lizenzgebühren, die Importeure, Abpacker und Vertreiber an die Sammel- und Verwertungssysteme entrichten müssen, wäre denkbar, etwa mit höheren Tarifen für schwer rezyklierbare Verpackungen. Verpflichtende Anteile für rezykliertes Material für Kunststoffprodukte, finanzielle Förderungen und eine verstärkte öffentliche Beschaffung von recyclingfähigen Produkten würden den Markt für Rezyklate zusätzlich stärken.

Der Blick in die Zukunft zeigt schon jetzt viele wichtige Zwischenschritte auf dem Weg von der linearen zur Kreislaufwirtschaft. Digitale Technologien sind dabei wichtige Wegbegleiter. Sie ermöglichen künftig weitere Verbesserungen bei der Abfalltrennung. Optische Sensoren erkennen unterschiedliche Abfälle und Materialien. Das beschleunigt und verbessert die Trennung und erhöht Recyclingraten. Smarte Sensoren in Geräten und Maschinen sind mit dem Internet verbunden und melden Fehler oder Wartungsbedarf. Das verlängert ihre Lebensdauer und Einsatzfähigkeit – und reduziert Ressourcenverbrauch und Abfall. Und nicht zuletzt: Im Sinne der Kreislaufwirtschaft sollte bereits bei der Produktgestaltung das Recycling nicht zu kurz kommen.  

 

Weiterführende Links

Studie:
» https://www.umweltbundesamt.at/news201221

Smarte Kreislaufwirtschaft:
» https://www.umweltbundesamt.at/digitalisierung/smarte-kreislaufwirtschaft