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Aus mehreren Gründen ist Wissensmanagement im öffentlichen Sektor ein relativ unterentwickeltes Themen-gebiet. Eine neue Online-Plattform bietet nun die Chance zur besseren Vernetzung, zum Erfahrungsaustausch und zum Einstieg in das Thema. VON Mag. Bernhard Krabina
Ein im Thema selbst zu suchender Grund für die mitunter zögerliche Adaptierung von Wissensmanagement im öffentlichen Sektor ist die anscheinende allgemeine Verständlichkeit mancher Begriffe. Über die Frage, was Wissen überhaupt ist, beschäftigt man sich seit den alten griechischen Gelehrten und jeder hat eine individuelle Vorstellung davon. Und natürlich ist es auch wenig hilfreich, dass man ganz zu Recht sagen kann, dass selbstverständlich in jeder Organisation eine Art des Managements von Wissen bereits stattfindet.
Hier ist es also eine Kommunikationsaufgabe, zu erklären, was Wissensmanagement überhaupt ist, was es leisten kann und wie es sich auch von anderen Themen abgrenzt. Dies ist keine einfache Aufgabe, da insbesondere aktuelle Trendthemen wie Digitalisierung und generell eng angrenzende Themen wie Informationsmanagement, Personal- und Organisationsmanagement natürlich oft das gleiche Phänomen durch unterschiedliche Blickwinkel betrachten. Wissensmanagement ist auch ein sehr breites Themenfeld und man muss daher aufpassen, dass Wissensmanagement nicht „alles“ ist, denn wenn es alles ist, ist es gleichzeitig auch nichts. Es muss daher herausgearbeitet und kommuniziert werden, was der Mehrwert ist, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Daher erfolgt häufig der Zugang über spezielle Werkezeuge anstatt von (oft gewünschten, aber meist nicht existierenden) allumfassenden Strategien oder generischen Modellen.
Kein Dauerbrenner. Zu den Trendentwicklungen des Themas kann man zumindest bis zu Peter Drucker zurückgehen, dem emigrierten österreichischen Ökonomen, der in den 1950er Jahren die Grundlagen der modernen Managementlehre gelegt hat und dessen Sichtweisen zu einem großen Teil auch heute noch als Grundlagen im Wissensmanagement gelten, ebenso wie Polanyi (1966), der den so wichtigen Begriff des impliziten Wissens geprägt hat.
In der Mitte der 1990er-Jahre ist dann ein weiterer Aufschwung erfolgt. Einige auch heute noch gängige Konzepte entstanden zu Themen wie „Wissensspirale“ (Nonaka/Takeuchi, 1997) „Intellektuelles Kapital“ (Edvinsson, 1997), oder „Wissensbilanz“ (Sveiby, 1998). Eine weitere Phase kann man etwa zehn Jahre später erkennen: „Wissenstreppe“ (North, 2011) oder „Bausteine des Wissensmanagement“ (Probst, Raub, Romhardt, 2012). Dazwischen sind natürlich auch immer wieder Phasen der überzogenen Erwartungen zu erkennen, einem Phänomen, das man auch aus angrenzenden Disziplinen kennt: Beispielsweise hat man sich von den ersten Ansätzen der künstlichen Intelligenz (ebenso mit Höhepunkten in den 1950-er und danach 1990er-Jahren) zunächst zu viel erwartet. Heute hat das Thema – in etwas anderer Ausgestaltung – wieder Hochkonjunktur. Wird dies dem Wissensmanagement auch gelingen?
10 Jahre Wissensmanagement. Makolm und Wimmer haben schon 2005 festgestellt, „dass Wissensmanagement zunehmend (wieder) ins Blickfeld der mit Verwaltungsreform und E-Government befassten Personen und Organisationen rückt.“1
2010 war es dann also höchste Zeit für eine erste Bestandsaufnahme von Wissensmanagement in der Bundesverwaltung. Eine KDZ-Erhebung2 in den Ministerien ergab damals, dass insbesondere im Finanz- und Verteidigungsressort umfangreichere Ansätze zu finden sind und im Wissenschaftsressort hat man mit der Einführung von Wissensbilanzen an den Universitäten bereits seit 2002 Erfahrungen gesammelt.
Seit 2012 existiert auch eine Bundesstrategie Wissensmanagement, die in verschiedenen Aktivitäten ihren Ausdruck findet. Ein umfangreicher „Leitfaden und Toolbox zur Wissenssicherung bei Personaländerungen“ wurde 2017 veröffentlicht und auch der Erfahrungsaustauch von Praktiker*innen an der Verwaltungsakademie des Bundes wurde mit der „Plattform Wissensmanagement“ als Veranstaltungsreihe eingerichtet.
Neue Online-Plattform. Die Ende 2020 veröffentlichte Plattform www.wissensmanagement.gv.at führt nun gleich mehrere Aspekte zusammen: Einerseits hält sie die über 100 Seiten an Wissensmanagement-Theorie aus dem erwähnten Leitfaden bereit. Dieser enthält auch eine Toolbox mit ursprünglich 24 Wissensmanagement-Tools. Auf der neuen Plattform können nun nicht nur neue Wissensmanagementwerkzeuge beschrieben werden, sondern es kann auch mit Praxisbeispielen der Einsatz solcher Tools in der Praxis vorgestellt werden.
Ebenso können sich Expert*innen und Organisationen, die Wissensmanagement betreiben, in ein Verzeichnis eintragen. Für aktuelle Entwicklungen gibt es die Möglichkeit, Neuigkeiten oder Termine anzukündigen oder ausführlichere Blog-Beiträge zu verfassen. Weiters können Publikationen zu Wissensmanagement eingetragen werden und über eine spezielle Suchmöglichkeit wird die Vernetzung unterstützt.
Umgesetzt wurde die Plattform mit der Open-Source-Lösung „Semantic MediaWiki“, mit der das KDZ schon zahlreiche andere Wissensplattformen erstellt hat, z. B. die internationale Vernetzungsplattform www.caf-network.eu zum Qualitätsmanagementsystem „Common Assessment Framework“ oder das „Wien Geschichte Wiki“ – dem historischen Wissensportal der Stadt Wien: www.geschichtewiki.wien.gv.at.
Die Plattform steht allen Ebenen des öffentlichen Sektors zur Verfügung. Alle Inhalte sind ohne Registrierung im Internet einsehbar. Ein Account wird benötigt, um Änderungen und Ergänzungen vorzunehmen und kann beim BMKÖS unter der Mail-Adresse wissensmanagement@bmkoes.gv.at beantragt werden.
Ein (neuer) Aufbruch? Die Voraussetzungen sind gut: Der Bedarf an Wissensmanagement wird immer größer. Informationsüberflutung, steigende Anforderungen und zusätzliche Aufgaben für öffentliche Institutionen bei gleichzeitigem Kostenspardruck und Pensionierungswellen zeigen deutlich den Bedarf an effizienterem und effektiverem Umgang mit der Ressource Wissen im öffentlichen Sektor.
Auch für Gemeinden! Was können Gemeinden nun konkret tun? Die neue Plattform leitet an: „Lesen“: Zunächst sich zu Wissensmanagement auf der neuen Website informieren. „Schreiben“: Neuigkeiten, einen Blog-Beitrag oder ein Praxisbeispiel beschreiben. „Vernetzen“: Expert*innen und Organisationen finden, die Wissensmanagement bereits betreiben.
Jetzt liegt es an den beteiligten Akteur*innen, ihr Wissen und ihre Erfahrungen mit Wissensmanagement, seinen Instrumenten, Konzepten und Strategien zu teilen, um dem Thema wieder neuen Aufschwung zu geben.
Weiterführender Link:
Mehr zum Thema Wissensmanagement finden Sie im KDZ-Blog auf der Website des KDZ
» https://www.kdz.eu/de/aktuelles/blog
1 Josef Makolm, Maria A. Wimmer (Hrsg.), Wissensmanagement in der öffentlichen Verwaltung: Konzepte, Lösungen und Potentiale, OCG Band 188, Wien 2005.
2 Näheres dazu im Blogbeitrag „10 Jahre Wissensmanagement im öffentlichen Sektor“ https://www.wissensmanagement.gv.at/10_Jahre_Wissensmanagement_im_%C3%B6ffentlichen_Sektor