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Wie lässt sich sicherstellen, dass Österreich und die EU den Zugang zu jenen Technologien sichern bzw. diese selbst entwickeln können, die kritisch sind für die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit, die gesellschaftliche Wohlfahrt und die staatliche Handlungsfähigkeit? Anders formuliert: Wie souverän kann bzw. muss ein Staat bei kritischen Technologien heute sein?
Diese Frage ist nicht zuletzt eine Folge der wachsenden Bedeutung von Technologien und technologiegestützten Infrastrukturen für die Funktionsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften. Zudem werden schon seit Längerem die internationale Arbeitsteilung und die globale Verflechtung von Wertschöpfungsketten und Wirt-schaftsräumen kritisch betrachtet. Im vergangenen Jahr hat die Diskussion vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie zusätzlich an Bedeutung gewonnen, da die durch das Coronavirus verursachte sozioökonomische Krise die Vulnerabilität unseres Gesellschafts- und Wirtschaftssystems deutlich gemacht hat.
Klar ist, dass die österreichische Debatte nur in einem europäischen und darüberhinausgehenden Kontext sinnvoll ist. Dennoch braucht es eine starke nationale Position, um die internationale Diskussion aktiv mitgestalten zu können. Der Rat für Forschung und Technologieentwicklung hat daher ein Thesen-Papier zur „Technologiesouveränität“ formuliert, das als Grundlage zur Entwicklung von Handlungsoptionen gedacht ist.
Technologiesouveränität wird dabei als Fähigkeit eines Staates verstanden, die für sein Funktionieren notwendigen und daher „kritischen“ Technologien vorhalten, (weiter-)entwickeln und/oder beziehen zu können. Sie ist nicht als Autonomie oder gar Autarkie zu verstehen und auch nur als europäisches Projekt in einer globalisierten Welt denkbar.
Zu diskutieren ist folglich, wie Österreich und die EU aktuelle und künftige technologiebezogene Chancen aktiv nutzen können, ob also (1) die Entwicklung kritischer Technologien vor Ort passiert/passieren kann, (2) verlässliche Lieferketten in politisch stabilen Regionen existieren oder (3) zumindest langfristig abgesicherte und uneingeschränkte Zugänge zu Monopol- oder Oligopolanbietern gewährleistet sind (z.B. aus den USA oder China). Zudem ist zu prüfen, welche Technologien tatsächlich kritisch sind, welcher Strategien zur Erreichung von Technologiesouveränität es bedarf und welche Kapazitäten dafür schon existieren.
Die zehn Thesen des Forschungsrates zur „Technologiesouveränität“:
Technologiesouveränität
• braucht einen strategischen Umgang mit und nicht die Abkehr von Globalisierung,
• ist auch mit Technologieentwicklung im Ausland zu erreichen;
• ist Daten-/digitale Souveränität,
• braucht Rohstoffsouveränität,
• bedeutet technologiebasierte Resilienz in kommenden Krisen,
• ist ein sicherheitspolitisches Thema;
• bedarf eines breiten, konzertierten Politikmixes,
• bedarf einer genauen Abwägung der Chancen und Risiken für near-shoring/back-shoring,
• bedarf gut funktionierender und krisenresilienter internationaler und nationaler Technologietransferkanäle,
• braucht eine technologiesensitive Bildungspolitik.
Insgesamt wird sich die EU künftig viel deutlicher ihrer Verhandlungsstärke sowohl gegenüber China als auch gegenüber den USA bewusst werden und diese auch nutzen müssen. Gerade mit Blick auf die globalen Wertschöpfungsketten sollte Europa sich daher als Vorreiter für Globalisierung positionieren, ohne seine strategische Souveränität und Handlungsfähigkeit aufzugeben.
GASTBEITRAG
von Dipl.-Ing. Dr. Ludovit GARZIK, MBA DWT
Geschäftsführer Rat für Forschung und Technologieentwicklung
Tel: 01/7131414-0
E-Mail: office@rat-fte.at
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