Umweltbundesamt/A. Felderer
Vorsorge ist besser als Nachsorge. Das gilt auch für Naturgefahren wie Hochwasser, Hitze oder Hagel, von denen fast jede Gemeinde in Österreich in irgendeiner Art bedroht ist. Doch was können Gemeinden tun, um Risiken zu erkennen und Vorkehrungen zu treffen? Wie können sie sicherstellen, dass im Ernstfall alle Betroffenen an einem Strang ziehen? Der Vorsorgecheck Naturgefahren im Klimawandel für Gemeinden, den das Umweltbundesamt koordiniert, hilft dabei.
Alle Verantwortlichen in Rabenstein - von der Feuerwehr, über das Bauamt bis hin zur Gemeindeleitung – wissen jetzt, mit welchen Gefahren zu rechnen ist, aber auch welche Kapazitäten wir in der Gemeinde haben“, zeigt sich Kurt Wittmann, Bürgermeister im niederösterreichischen Rabenstein, zufrieden. Seine Gemeinde ist bereits „gecheckt“ und hat Maßnahmen entwickelt, mit denen lokale Klimarisiken und Naturgefahren besser beherrschbar werden. Bei einer telefonischen Vorbesprechung mit der Auditorin und dem Auditor wurde geklärt, wie der Vorsorgecheck abläuft und wer von der Gemeinde teilnehmen soll. Beim Check selbst kommt die Auditorin oder der Auditor in die Gemeinde und begleitet die Teilnehmenden bei der Reflexion der Risiken für Menschen, Umwelt und Infrastruktur in der Gemeinde. Gemeinsam mit den AuditorInnen wird diskutiert, welche Naturgefahren die Region am unmittelbarsten bedrohen, wie sie sich durch den Klimawandel verschärfen und welche Vorsorgemaßnahmen bereits getroffen wurden. An der Reflexion können sich BürgermeisterInnen, AmtsleiterInnen, BauamtsleiterInnen, Verantwortliche der Blaulichtorganisationen (insbesondere Feuerwehr und Rettung), aber auch Zuständige für Gemeindeinfrastruktur, Rechtsfragen oder Raumplanung beteiligen.
Gefahr erkannt, Gefahr gebannt? Die Risiken zu kennen, ist der erste Schritt. Im zweiten Schritt geht es darum, sich ein Bild davon zu machen, wie gut die Gemeinde darauf vorbereitet ist. Ob Hochwasser, Felssturz, Hitze oder Sturm – die Möglichkeiten zur Vorsorge sind so breit gefächert wie die Naturgefahren selbst und umfassen flächen- und verhaltenswirksame Vorsorge, Bau- und Risikovorsorge. Unter flächenwirksamer Vorsorge fällt beispielsweise das Schaffen von grüner und blauer Infrastruktur, die das Mikroklima verbessert und Hitze entgegenwirkt. Zur verhaltenswirksamen Vorsorge zählen Maßnahmen wie die Sensibilisierung der Bevölkerung für Flächenbrandereignisse, gesichertes Abschaufeln von Schnee auf Dächern oder Schädlingsmonitoring. Bauvorsorge betrifft unter anderem die Installation von Rückstauklappen im Kanal und die Beratung über den Einbau von hagelresistenten Baustoffen. Risikovorsorge reicht von der die Information der BürgerInnenüber Schadensabwicklung bis hin zur Kommunikation von Restrisiken. Die Prävention durch technische Schutzmaßnahmen, wie Hochwasserschutz, Lawinenverbauung oder bauliche Hangsicherung, wird im Vorsorgecheck Naturgefahren im Klimawandel aber bewusst ausgeklammert.
Im Fokus steht vielmehr, die Kompetenzen und die Kapazität für die Eigenvorsorge in der Gemeinde zu stärken. Weil dafür Verantwortliche an einen Tisch geholt werden, verbessert der Vorsorgecheck auch die internen Kommunikations- und Abstimmungsprozesse und ermöglicht einen umfassenden und strukturierten Diskurs zum Thema Naturgefahren.
Eine Schlüsselrolle übernehmen dabei die AuditorInnen, die sich beruflich mit Naturgefahrenmanagement oder Klimawandelanpassung beschäftigen und bei mindestens einem Vorsorgecheck Naturgefahren im Klimawandel in der Praxis hospitiert haben. Sie reflektieren gemeinsam mit den Betroffenen die Situation vor Ort, fassen die erarbeiteten Inhalte in einem Bericht zusammen und leiten Empfehlungen ab. Unter den AuditorInnen sind auch ExpertInnen des Umweltbundesamts, die ihr Know-how in beiden Themenfeldern einbringen und den Vorsorgecheck seit 2020 in allen Bundesländern anbieten.
Klimawandel kostet. Aktuelle Studien zeigen, dass wetter- und klimabedingte Schäden in Österreich Kosten in der Höhe von bei mindestens zwei Milliarden Euro pro Jahr verursachen. Bis Mitte des Jahrhunderts werden sie auf rund sechs bis zwölf Milliarden Euro anwachsen. Der Klimawandel kostet den Staat, die Bundesländer und die Regionen also schon heute viel Geld. Die Investition in den Vorsorgecheck Naturgefahren im Klimawandel rechnet sich langfristig für die Gemeinden. Denn das Geld, das die Gemeinde heute in die Vorsorge steckt, spart später Kosten bei der Beseitigung von Schäden.
Best Practice vom Neusiedler bis zum Bodensee. Die Zusammenarbeit zwischen den Regionen und der Erfahrungsaustausch helfen bei der Vorbereitung auf den Ernstfall. Best Practice Beispiele aus ganz Österreich zeigen, wie Hitzeinseln vorgebeugt werden kann, worauf beim Bauen in sturmgefährdeten Gebieten zu achten ist oder wie die Eigenverantwortung der BürgerInnen bei Naturgefahren gestärkt wird. Das fördert das Verständnis für die entwickelten Maßnahmen und trägt langfristig zur Risikoeindämmung von Naturgefahren bei. Wie das funktioniert, zeigt Rabenstein, das sich gemeinsam mit sieben anderen Gemeinden zur Klimawandel-Anpassungsmodellregionen (KLAR) Pielachtal zusammengetan hat. Gemeinsam macht sich die Region klimafit und bündelt ihre Kräfte, um Schäden durch den Klimawandel zu minimieren und neue Chancen zu nutzen. Damit die Region künftig nicht nur für ihre beliebten Dirndl-Sträuche sondern auch für ihre Vorreiterrolle in der Klimawandelanpassung bekannt ist.
Umweltzeichen:
Experten des Umweltbundesamts beleuchten in Kooperation mit public aktuelle Umweltthemen.
Autorin:
DI Martina Offenzeller Expertin für Klimawandelanpassung im Umweltbundesamt
Infos & Links
Der Vorsorgecheck Naturgefahren im Klimawandel ist in Zusammenarbeit zwischen der Abteilung Wildbach- und Lawinenverbauung sowie der Abteilung Koordinierung Klimapolitik des damaligen BMNT und Klimaschutzkoordinationen der Bundesländer unter Einbeziehung weiterer ExpertInnen entstanden. Finanziell unterstützt von EUSALP, EU Strategy for the Alpine Region, Bund und Ländern.
Vorsorgecheck Naturgefahren im Klimawandel:
» https://www.naturgefahrenimklimawandel.at/
Kosten der Klimakrise:
» https://unipub.uni-graz.at/obvugrveroeff/download/pdf/5201636?originalFilename=true