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Die Gebühren und Entgelte haben für Gemeinden einen großen Stellenwert. Es werden damit zahlreiche Leistungsbereiche der Daseinsvorsorge vollständig (z.B. Abwasser, Wasser, Abfallwirtschaft, aber auch die stationäre Pflege) bzw. teilweise (z.B. Kinderbetreuung, Musikerziehung) finanziert.
Von Peter Biwald und Dalilah Pichler, KDZ
Der Stellenwert der Gebühren – v.a. zur Finanzierung der Ver- und Entsorgung – hat in den letzten Jahren tendenziell zugenommen. In absoluten Zahlen beliefen sich die Gebühren im Jahr 2019 auf 2,15 Mrd. Euro und gehören damit nach den Ertragsanteilen und eigenen Steuern zu den wichtigsten Einnahmekategorien. Der Anteil dieser Einnahmekategorie an den laufenden Einnahmen betrug 2019 12,1 Prozent. Gebührenerlöse sind in den letzten zehn Jahren um rund 38 Prozent – und damit etwas geringer als die Ertragsanteile und gemeindeeigenen Steuern mit 43 bis 44 Prozent – gestiegen. In der COVID-19-Krise 2020/2021 sind die Gebühren im Gegensatz zu den Ertragsanteilen und Gemeindesteuern (v.a. Kommunalsteuer und Fremdenverkehrsabgabe) stabil geblieben.
Mit den Gebühreneinnahmen wurden am Beispiel des Jahres 2019 folgende Ausgaben finanziert: laufende Betriebsausgaben von 1.669 Mio. Euro, Nettoinvestitionen1 von 559 Mio. Euro sowie Tilgungszahlungen von 472 Mio. Euro2. Dieser kamerale Blick wird mit dem Rechnungsabschluss 2020 um die erweiterte Perspektive des Ergebnishaushalts – und damit dem Abschreibungsaufwand für das Vermögen – ergänzt. Damit kann künftig bereits im Gemeindehaushalt besser beurteilt werden, wie weit die Gebühren den Ressourcenverbrauch für die Leistungserstellung finanzieren. In der Praxis – seien es bei politischen Diskussionen im Gemeinderat oder Prüfungen durch die Aufsichtsorgane und Rechnungshöfe – entstehen dabei immer wieder Fragen, die nun kurz beantwortet werden sollen.
Wie hoch dürfen Gebühren sein? Seit dem Finanzausgleichsgesetz 1993 dürften die Gebühren das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung oder Anlage sowie für die Verzinsung und Tilgung der Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer die Art der Einrichtung oder Anlage entsprechenden Lebensdauer nicht übersteigen. D. h. die Gebühren können bis zu 200 Prozent der Kosten für die Bereitstellung der Leistung betragen. Dies findet sich auch im aktuellen FAG 2017 wieder. Der Verfassungsgerichtshof anerkennt in seiner Rechtsprechung, dass der Gebührenkalkulation ein betriebswirtschaftlicher Kostenbegriff zugrunde gelegt wird.
Können Überschüsse erzielt werden? Seit 1993 können somit in den Gebührenhaushalten auch Überschüsse erzielt werden. Die Überschüsse in den Gebührenhaushalten entsprechen jenem Wert, der über dem auf Basis der betriebswirtschaftlichen Kosten ermittelten Jahreserfordernis liegt. Somit sind die Kosten und nicht die kameralen Ausgaben des Rechnungsabschlusses der Maßstab.
Wie können Überschüsse verwendet werden? Gebühren sind keine Steuern, da es für die Leistung einer Gebühr eine konkrete Gegenleistung gibt. Folglich sind in Gebührenhaushalten erzielte Überschüsse im inneren Zusammenhang mit diesem zu verwenden.
Der Kostenüberschuss ist insbesondere in folgenden Formen im inneren Zusammenhang mit dem Gebührenhaushalt verwendet:
• Rücklagenzuführung zum Gebührenhaushalt;
• Rückführung an den allgemeinen Haushalt (wenn in der Vergangenheit Zuführungen aus diesem an den Gebührenhaushalt erfolgt sind);
• Folgekosten im inneren Zusammenhang mit dem Gebührenhaushalt – insbesondere in den Bereichen Gemeindestraßen (falls nicht bereits in der Kostenermittlung enthalten), Hochwasser- und Katastrophenschutz, Klimaschutz, öffentliche WC-Anlagen und Teile der Straßenreinigung;
• Verfolgen von Lenkungszielen, z.B. ökologische, wie das Schaffen von Anreizen zu sorgsamem Wasserverbrauch oder zur Mülltrennung bzw. Reduktion des Abwasser- oder Abfallaufkommens und deren Erreichung;
• Abdecken von Kostenunterdeckungen aus Vor-Perioden, wobei dabei der Verfassungsgerichtshof einen Durchrechnungszeitraum von jedenfalls bis zu zehn Jahren anerkennt.
Innerer Zusammenhang mit dem Gebührenhaushalt. Neben den anteiligen Kosten im Straßenbau fallen auch solche aus Hochwasserschutzmaßnahmen sowie Klimaschutzmaßnahmen darunter, soweit sie im inneren Zusammenhang mit dem Gebührenhaushalt (z.B. Schutz der Abwasserentsorgungsanlagen, Schutz der Ressource Wasser) stehen.
Überschüsse aus lenkungspolitischen Zielen. Beispielsweise aus ökologischen Gründen (z.B. Eindämmung des Anstiegs des Wasserverbrauchs oder Abwasseraufkommens). Erzielte Überschüsse des Gebührenhaushalts dürfen zumindest in einem zeitlich beschränkten Ausmaß auch für den allgemeinen Haushalt verwendet werden. Inwiefern die Gebührenüberschüsse in einem inneren Zusammenhang mit dem Gebührenhaushalt stehen, d.h. wie weit die Wirkung des reduzierten Anstiegs des Wasserverbrauchs mit der Gebührenhöhe auch erreicht wird, ist in einem mehrjährigen Zeitraum von jedenfalls bis zu zehn Jahren zu beurteilen. Wird die angestrebte Wirkung tendenziell erreicht, sind die Überschüsse in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Gebührenhaushalt verwendet, auch wenn die Überschüsse in den allgemeinen Haushalt eingeflossen sind.
Was ist nun zusammenfassend zu tun? Die Beurteilung der ordnungsgemäßen Verwendung der Kostenüberschüsse im Zusammenhang mit dem Gebührenhaushalt ist ein mehrstufiger Prozess. Der Ausgangspunkt ist die Ermittlung der Kosten und der Kostendeckung. Dies hat in einem mehrjährigen – jedenfalls zehnjährigen – Betrachtungszeitraum zu erfolgen. Sind in diesem Betrachtungszeitraum Kostenüberschüsse entstanden, erfolgt im nächsten Schritt der Nachweis der Verwendung dieser Überschüsse.
Dies kann von der Rücklagenzuführung an den Gebührenhaushalt, der Rückführung von gewährten Zuschüssen an den allgemeinen Haushalt bis zu den Folgekosten, die im inneren Zusammenhang mit dem Gebührenhaushalt entstanden sind, reichen. Verbleibende Überschüsse sind dann ordnungsgemäß verwendet, wenn lenkungspolitische Ziele verfolgt werden und diese – jedenfalls von der Tendenz der Verbrauchs- und Strukturdaten – auch erreicht werden. Andernfalls bzw. falls keine lenkungspolitischen Ziele verfolgt werden, sind künftige nicht ordnungsgemäß verwendete Überschüsse an den Gebührenhaushalt rückzuführen.
Details und Praxisbeispiele zu diesem Thema finden sich ab Sommer 2021 in der Neuauflage von „Gebührenkalkulation – ein Leitfaden für die Praxis“.
1 Nettoinvestitionen sind das Ergebnis der Investitionsausgaben (inkl. Kapitaltransferzahlungen abzüglich der investiven Einnahmen aus Vermögensveräußerungen und Kapitaltransfers (insbesondere Investitionszuschüsse).
2 Berechnungen des KDZ auf Basis der Gemeindefinanzdaten der Statistik Austria 2019 (Gemeinden ohne Wien).
Vorankündigung
erweiterte Neuauflage des
Leitfadens zur Gebührenkalkulation
Peter Biwald, Sabine Bollinger, Florian Koci, Dalilah Pichler:
Gebührenkalkulation – ein Leitfaden für die Praxis, Wien-Graz 2021, 260 Seiten
erscheint Anfang September 2021