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Die Pandemie hat den an sich schon zähen Pflegereform-Prozess neuerlich verlangsamt. Noch ist nicht bekannt, wann, wie oder wie schnell die Ziele und Maßnahmen der „Task Force Pflege“ umgesetzt werden. Der Hut brennt. Lichterloh. Von Alexandra Keller
Dieser Aufschrei war ungewöhnlich. Überraschend vor allem wegen seiner geballten Form. Unterzeichnet von Vertretern großer österreichischer Verbände, Organisationen und Institutionen, wurde Ende Juli 2021 ein Brief an die „zuständigen Mitglieder der Bundesregierung“ gerichtet, ein „Offener Brief zur Pflegereform“. Die Form war überraschend, der Inhalt war es weniger (siehe Kasten „Offener Brief“).
„In den letzten 15 Jahren wurden in Österreich mehrere Anläufe zu einer Pflegereform unternommen, herausgekommen ist dabei aber bisher wenig. Auch der im letzten Sommer begonnene Diskussionsprozess ist über ein engagiertes Brainstorming nicht hinausgekommen“, heißt es einleitend. „Es ist höchst an der Zeit, umgehend und ernsthaft die Weichen für eine gute Zukunft der Pflege in Österreich zu stellen. Wir sind dabei! Und wir werden uns nicht länger hinhalten lassen“, heißt es am Ende.
Es ist eine gewichtige Rute, die da ins Fenster der Bundesregierung, und hier vor allem ins Fenster von Sozial- und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) gestellt wurde. Unter anderem vom Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes, Michael Opriesnig, dem Direktor der Volkshilfe Österreich, Erich Fenninger, der Generalsekretärin der Caritas Österreich, Anna Parr, der Präsidentin des österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes, Elisabeth Potzmann, dem Vorsitzenden der Gesundheitsgewerkschaft (GÖD), Reinhard Waldhör, der Direktorin der Diakonie Österreich, Maria Katharina Moser, und der Geschäftsführerin des Hilfswerk Österreich, Elisabeth Anselm.
Was macht die Taskforce nun weiter? Minister Mückstein reagierte recht rasch auf die klaren Worte der österreichischen Pflege-Kapazunder. Allerdings mit weniger klaren Worten. In einer Pressekonferenz betonte er, den Vorwurf nicht nachvollziehen zu können, dass nichts weitergegangen sei. Was seiner Meinung nach weitergegangen ist, verschwieg er jedoch und meinte, dass er die Forderungen der Pflege-Vertreter „gut verstehen“ könne und Pflege an sich ein „großes und wichtiges Thema“ sei. Die Pressekonferenz war insofern ein wenig eigenartig, weil AK-Präsidentin Renate Anderl dem Minister zur Seite stand, ihrerseits die Forderungen des offenen Briefes bekräftigte und feststellte: „Wir sind ungedudig.“
Spätestens mit der Veröffentlichung des Berichtes der „Taskforce Pflege“ begann die Uhr für diese Ungeduld zu ticken. Im Februar 2021 war das Strategiepapier vorgelegt worden, in dem die Arbeit, welche die Taskforce im Sommer 2020 aufgenommen hatte, gipfelte.
Fünf Themenfelder hatten sich für die Pflegereform herauskristallisiert:
• Verlässlichkeit in der Pflege und Betreuung und Sicherheit des Systems (Punkt 1)
• Einsamkeit mindern und das Miteinander fördern (Punkt 2)
• Die Leistung der Pflegenden durch angemessene Rahmen-bedingungen anerkennen (Punkt 3)
• Entlastung für pflegende Angehörige schaffen und Demenz begegnen (Punkt 4) und
• Vorausschauend planen und gestalten (Punkt 5)
Die Arbeit der Taskforce ist es, was die Verfasser des Offenen Briefes als „engagiertes Brainstorming“ beschreiben. „Das war ein sehr gut aufgesetzter Prozess, in den verschiedenste Stakeholder – nicht nur Bund, Länder und Gemeinden, sondern auch private Betreiber, gemeinnützige Vereine, etc. – eingebunden waren. Es wurden vorab Ziele definiert und zum Inhalt dieser Zielbereiche konkrete Maßnahmen erarbeitet – im Austausch mit Praxis und Wissenschaft“, berichtet Karoline Mitterer vom Zentrum für Verwaltungsforschung – KDZ. Die Wissenschaftlerin war Mitgllied eines Teams der Taskforce Pflege. „Ich habe keine Ahnung, ob der Prozess weitergeführt wird oder nicht. Ich bin auf jeden Fall nicht eingebunden“, ist auch sie im informationsfreien Raum gefangen. Wie der Rest Österreichs, wo seit dem Bericht kaum Nennenswertes zum Reformthema wahrgenommen werden konnte.
Etwas passiert doch. „Zwei Projekte werden prioritär weiterverfolgt. Die Community Nurses und die 15a-Vereinbarung, mit der die Abstimmung zwischen Bund- und Länderebene verbessert werden soll“, weiß KDZ-Expertin Mitterer, die im zweiten Projekt viel Potenzial sieht: „Ich glaube tatsächlich, dass diese 15a-Vereinbarung sehr viel bewegen kann, weil man da die Zusammenarbeit auf andere Beine stellt und optimalerweise auch die Finanzierungsfrage.“
Neben der Personalfrage ist die Finanzierungsfrage die Gretchenfrage der Pflegezukunft. Politisch ist sie fast schon toxisch und wurde im Taskforce-Prozess schlicht ausgespart. Das KDZ hat die Finanzierung der Pflege in Österreich durchleuchtet (siehe Bericht „Pflegereform - Entflechtung“ ab Seite 9) hier müssen wir den Beginn des Artikels Teil 2 eintragen) und den Parcours analysiert, dessen Hürden mit der Pandemie noch höher geworden sind.
Die Community-Nurses sind genau genommen das einzige griffige Thema, das seit Februar 2021 „die Runde“ machte und den Eindruck von zumindest ein bisschen Action versprühte. Diese Nurses sind bereits im Regierungsabkommen verankert, wo 500 Community- Nurses bis 2024 als Ziel genannt werden. „Mit den Community-Nurses allein werden wir die Pflege nicht retten“, sagt Karoline Mitterer dazu. Ihre trocken-realistische Feststellung zu den ab Herbst im Rahmen von Pilotprojekten in einzelnen Gemeinden installierten personifizierten Pflege-Drehscheiben wurde vom Hilfswerk Österreich auf Umwegen bestätigt. Im Juni 2021 veröffentlichte das Hilfswerk eine Analyse dieses zentralen Elementes der Pflegereform unter dem Titel „Pflegereform: ‚Wundertüte‘ Community-Nursing“.
„Im internationalen Fachdiskurs entspricht Community-Nursing genau jenen Tätigkeiten, die in Österreich unter Hauskrankenpflege subsummiert sind, meint also professionelle pflegerische Versorgung meist älterer Menschen zu Hause durch diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal sowie Pflegeassistenzberufe“, klärt Hilfswerk-Geschäftsführerin Elisabeth Anselm auf. Die Hauskrankenpflege ist Teil der mobilen Dienste, die in Österreich rund 153.000 ältere und chronisch kranke Menschen zu Hause betreuen.
Die begriffliche Verwirrung schmälert die Wichtigkeit der Hauskrankenpflege/Community-Nurses nicht, zu deren Aufgaben Beratung, Organisation und Koordination sowie Prävention zählen. „So hilfreich und wirksam richtig aufgesetztes Community-Nursing sein kann, so klar ist aber auch: Eine Pflegereform, die ihren Namen verdient, muss noch deutlich größere Brocken stemmen. Allen voran eine effektive, an validen Bedarfszahlen orientierte Personaloffensive. Denn was nutzen uns die schönsten Detailkonzepte, wenn wir zu wenig qualifizierte Leute haben, die sie in der Praxis umsetzen“, stellt Elisabeth Anselm die vieles entscheidende Personalfrage, zu der es im offenen Brief heißt: „Der größte und dringlichste Handlungsbedarf besteht in der Gewinnung und Bindung von ausreichend qualifiziertem Personal, um einerseits eine adäquate flächendeckende Versorgung sicherstellen zu können und andererseits die Belastungen für die in diesem Bereich tätigen Mitarbeitern nicht über das Maß anderer Berufsgruppen hinauswachsen zu lassen.“
Die Verzögerungen sind gefährlich. Über alle Maßen waren und sind die Pflegen seit Beginn der Corona-Pandemie gefordert, in deren Verlauf sie auf eindrucksvolle Weise die Versorgung sichergestellt haben. „Der Preis dafür ist jedoch hoch. Zahlreiche Umfragen belegen, dass Gesundheits- und Betreuungspersonal weit über seine Grenzen hinaus belastet ist und viele Beschäftigte erwägen, aus dem Beruf auszusteigen. Das verschärft den Personalnotstand massiv, erhöht den Druck auf die Mitarbeiter und gefährdet die Versorgung der Menschen mit Betreuungs- und Pflegeleistungen noch weiter“, sprechen die Pflege-Kämpfer Tacheles und halten fest: „Eine adäquate Versorgung ist ohne entschlossene Maßnahmen in Zukunft nicht aufrechtzuerhalten!“ Spätestens mit diesem Hinweis wird klar, dass die Verzögerungen im Pflegereformprozess gepaart mit den Auswirkungen der Pandemie gefährliche Ausmaße annehmen. Der Hut brennt. Lichterloh.
Offener Brief
An die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung richteten Arbeitgeber-, Dach- und Berufsverbände, Trägerorganisationen und Arbeitnehmervertretungen im Bereich der Pflege unter anderem folgende Worte:
„Es kann nicht sein, dass das Thema Pflege nur in der Krise Beachtung findet und dann wieder aus dem politischen Diskurs verschwindet. Die MitarbeiterInnen in diesem Bereich, die beteiligten Organisationen und insbesondere die Betroffenen und ihre Angehörigen haben es sich verdient, dass man sich dieses Themas seitens der politisch Verantwortlichen endlich ernsthaft annimmt und Herausforderungen, die nicht erst in der fernen Zukunft liegen, sondern schon akut bestehen, beherzt und kraftvoll in Angriff nimmt.“
„Wir erwarten uns daher einen strukturierten, zielgerichteten (!) Prozess unter ernsthafter und nicht bloß oberflächlicher Einbindung der wichtigsten in diesem Thema verantwortlich tätigen Stakeholder. Dabei soll es um gemeinsame zielorientierte Arbeit an Lösungen gehen und weniger darum, über Beteiligungsplattformen ungeordnet Ideen einzuspeisen.“
„Wir fordern eine sachgerechte Schwerpunktsetzung und plausible Priorisierung. Auf Basis der Sichtung der Lösungsvorschläge und des vorhandenen Materials soll die Definition von Arbeitspaketen erfolgen, um die wichtigsten Vorhaben rasch in Umsetzung bringen zu können.“
„Wir schlagen einen Pflegegipfel vor, der nicht mit einer Pressekonferenz beginnt, sondern dessen Ergebnisse nach seinem Stattfinden verkündet werden, bei dem Schwerpunkte festgelegt, Priorisierungen vorgenommen, Arbeitsaufträge vereinbart und ein Stufenplan für die Umsetzung entwickelt werden.“
„Da es einen jahrelangen Vorlauf gibt, bis sich Maßnahmen im Ausbildungsbereich in einer höheren Zahl von Fachkräften niederschlagen, können wir nicht weiter warten. Wir müssen die Weichen jetzt stellen! Es gilt, umgehend kurz- und mittelfristig wirksame Maßnahmen zur Gewinnung und Bindung von Personal zu setzen, ebenso wie längerfristige, die es gewährleisten, dass wir die demographische Herausforderung, die sich bis zum Erreichen der Pflegebedürftigkeit der Babyboomer Generation der Sechzigerjahre ständig verschärfen wird, meistern können.“
Der gesellschaftliche und politische Druck darauf, dass die Pflegereform endlich in die Gänge kommt, wird von den Analysen des KDZ angeheizt. Die Notwendigkeit, das komplexe Zahlen- und Kompetenzwerk zu entflechten, hat sich durch die Pandemie zugespitzt. Von Alexandra Keller
Gemäß einer Prognose für den Fiskalrat erhöht sich die Anzahl an Pflegedienstleistungsbeziehern in der optimistischen Variante von 2015 auf 2060 um 100 Prozent, in der pessimistischen Variante um 260 Prozent. Bei letzterer wird ein stärkerer Wegfall der informellen Pflege angenommen. Das durchschnittliche jährliche Wachstum der Pflegekosten für den Zeitraum 2015 bis 2030 liegt, abhängig vom Szenario, zwischen 4,4 und 6,2 Prozent. Während die Ausgaben für das Pflegegeld mit durchschnittlich jährlich 2,5 bis 5,2 Prozent wachsen, entwickeln sich die Nettoausgaben für Pflegedienstleistungen mit jährlich 5,8 bis 7,8 Prozent deutlich dynamischer. Ebenfalls eine überdurchschnittliche Entwicklung wird im Bereich der geförderten 24-Stunden-Betreuung mit jährlich 4,2 bis 7,0 Prozent prognostiziert“, wird in den „Fact Sheets: Sozialhilfe- und Pflegefinanzierung – Grundlagen und Finanzierung der Sozialhilfe sowie Pflege“ festgehalten, die das Zentrum für Verwaltungsforschung KDZ im Juni 2019 veröffentlicht hat.
„Die Fact Sheets sind nach wie vor aktuell“, sagt KDZ-Expertin Karoline Mitterer. So gut wie alle Rahmen und Fakten im Zusammenhang mit der Pflege und dem bedrohlich nahenden, respektive bereits „aktiven“ Notstand, haben sich in den vergangenen Jahren nicht geändert. Im Gegenteil. „Was durch die Coronakrise dazukommt, ist, dass die Budgets von Ländern und Gemeinden, die prioritär für die Pflegefinanzierung zuständig sind, stark belastet sind und auch die mittelfristige Prognose nicht berauschend ist“, sagt Mitterer und hält fest: „Die Länder tun sich einfacher, aber bei den Gemeinden sehen wir mittelfristig stark eingeschränkte Handlungsspielräume. Das ist eine zusätzliche Belastungsprobe für das gesamte System Pflege.“ Sie erhöht den Druck auf die Reform, deren bittere Notwendigkeit durch die Analyse des KDZ unterstrichen wird. Neben Karoline Mitterer sind dafür auch die KDZ-Experten Peter Biwald und Marion Seisenbacher tief in die komplexe Materie eingetaucht. Mit den Ergebnissen schaffen sie in vielen Bereichen Klarheit. Auch die Klarheit darüber, dass teils radikale Maßnahmen notwendig sind.
Vor allem aus Sicht der Gemeinden ist dabei die Tatsache relevant, dass die prognostizierten Nettoausgaben für Pflegedienstleistungen von 5,8 bis 7,8 Prozent den im Zuge des Finanzausgleichs 2017 mit 4,6 Prozent vereinbarten Ausgabendämpfungspfad nicht unerheblich übersteigen. Schon jetzt zahlen die Gemeinden jährlich mehr als eine Milliarde Euro für die Pflege – über Umlagen und direkte Finanzierungen, etwa für die Senioren- und Pflegeheime. „Der Druck auf uns steigt immer weiter“, stellte Gemeindebund-Präsident Riedl Mitte Juli 2021 fest.
Buch mit sieben Siegeln. Die Finanzierung der Pflege ist fast zu einem Buch mit sieben Siegeln geworden, die Komplexität und Verflechtung zwischen den Gebietskörperschaften ist nur schwer zu durchdringen.
„Insgesamt verteilt sich die Netto-Belastung von 4.702 Millionen Euro 2017 auf Bund, Länder und Gemeinden folgendermaßen: 53,4 Prozent (bzw. 2.511 Millionen Euro) tragen der Bund, 23,0 Prozent (bzw. 1.082 Millionen Euro) die Länder und 23,6 Prozent (bzw. 1.108 Millionen Euro) die Gemeinden“, erklären die KDZ-Experten. Als wichtigster Ausgabenbereich beim Bund zeigt sich das Pflegegeld mit 2.551 Millionen Euro, welches von Ländern und Gemeinden mit 372 Millionen Euro kofinanziert wird. Hinzu kommen Ausgaben von 159 Millionen Euro für die 24-Stunden-Betreuung, welche von Bund und Ländern gemeinsam im Verhältnis 60:40 bezahlt werden.
Bei den Ländern und Gemeinden liegt der Schwerpunkt auf der Finanzierung der Pflegedienstleistungen. Für vor allem stationäre, teilstationäre und mobile Pflegedienstleistungen gaben die Länder und Gemeinden im Jahr 2017 insgesamt 1.990 Millionen Euro (noch vor Abzug der Mittel aus dem Pflegefonds) aus, welche über einen Teil der Sozialhilfeumlagen durch die Gemeinden mit 828 Millionen Euro kofinanziert werden. Zusätzlich fließen hier Mittel aus dem Pflegefonds ein, welcher gemeinsam von Bund (236 Millionen Euro), Ländern (72 Millionen Euro) und Gemeinden (42 Millionen Euro) dotiert wird.
Negative monetäre Dynamiken. Dass einzelne Maßnahmen nicht unbedingt das Ziel treffen, zeigt etwa der 2011 eingeführte Pflegefonds, der Ländern und Gemeinden als Zweckzuschuss zur Verfügung gestellt wird. Ziel des Pflegefonds ist es, die Ausgabendynamik von Ländern und Gemeinden zu bremsen, indem auch der Bund Mittel in den Pflegefonds einspeist. Der Pflegefonds wird dabei im Rahmen des Finanzausgleichsgesetzes über Vorwegabzüge bei den Ertragsanteilen von Bund, Ländern und Gemeinden finanziert. Die Dotierung des Pflegefonds lag 2011 noch bei 100 Millionen Euro und erhöht sich seitdem kontinuierlich. Mit dem FAG 2017 wurde die Finanzierung des Pflegefonds bis 2021 gesichert. Bis dahin erhöht sich die Dotierung auf 417 Millionen Euro – plus 18 Millionen Euro für die Hospiz- und Palliativbetreuung. Für die Gemeinden ist mit dem Pflegefonds viel Ungewissheit verbunden. „Der Pflegefonds sollte die Ausgabendynamik im Pflegebereich – und damit auch der Sozialhilfeumlage – bremsen. Dieser Effekt zeigte sich allerdings nur bei der Einführung – also 2011 und 2012. Mittelfristig steigen die Sozialhilfeumlagen-Ausgaben aber wieder sehr dynamisch. Es kam daher zu keinem nachhaltigen Effekt. Ergänzend muss auch darauf hingewiesen werden, dass sich die Länder und Gemeinden einen Teil der Pflegefonds-Mittel selbst finanzieren und es daher nur zu einer Verschiebung von Ertragsanteilen zum Pflegefonds kommt“, halten die KDZ-Experten den Finger auf einen kommunalen Schmerzpunkt des Systems, das vor allem mit der Abschaffung des Pflegeregresses eine negative Punktlandung sondergleichen gelandet und alle damals von der Bundesregierung genannten Prognosen Lügen gestraft hat.
Das Pflegegeld ist ein nicht minder kompliziertes Instrument im österreichischen Pflegeorchester. Es dient der pauschalierten Abdeckung von pflegebedingten Mehraufwendungen, die Höhe richtet sich nach der Pflegestufe und finanziert wird es „ko“ durch Länder und Gemeinden. „Das Pflegegeld wurde seit der Einführung 1993 nur fünfmal für alle Stufen valorisiert. Die Höhe des Pflegegelds hat etwa von 1995 bis 2018 je nach Stufe um 8 bis 12 Prozent zugenommen, während der Verbraucher-
preisindex um 51 Prozent gestiegen ist. Von 2013 bis 2018 kam es zu einer Erhöhung um 2,0 Prozent, während die Inflation in diesem Zeitraum 7,7 Prozent betrug“, heißt es in den Fact Sheets und dort heißt es weiter: „Die mangelnden jährlichen Anpassungen des Pflegegeldes an die Preisentwicklungen haben dazu geführt, dass es zu Verschiebungen der Finanzierungslast vom Bund zu den Ländern und Gemeinden gekommen ist, da ein immer größerer Anteil der Pflegeausgaben über die Sozialhilfe abgedeckt werden muss.“
Wirkungsorientierte Steuerung. Der Reformbedarf ist virulent. „Einerseits bedarf es klarer Strategien zur Ausgabeneindämmung im Pflegebereich, um mit Strukturreformen trotz der bestehenden demografischen und gesellschaftlichen Entwicklungen die Finanzierbarkeit des Pflegebereiches sicherstellen zu können. Zur Weiterentwicklung des Pflegebereiches bedarf es klarer Zielsetzungen, wie diese insbesondere im Rahmen einer stärker wirkungsorientierten Steuerung sinnvoll wären. Wenn klar ist, wohin und in welchen Schritten sich der Pflegebereich entwickeln soll, kann anhand von Zwischenetappen der Fortschritt evaluiert und es können gegebenenfalls Anpassungsmaßnahmen getroffen werden. Hierzu ist eine enge Kooperation aller betroffenen Gebietskörperschaften und Akteure notwendig“, stellen die KDZ-Experten klar und geben der Regierung bzw. Gesundheits- und Sozialminister Wolfgang Mückstein einen weiteren Tipp mit auf den Weg: „Andererseits wäre zur Sicherung der Pflegefinanzierung eine Reform des Finanzierungskonzeptes notwendig. Eine Entflechtung und damit eine Zusammenführung der Finanzierungs- und Aufgabenverantwortung ist notwendig. Auch hier gilt es, alle betroffenen Institutionen und Gebietskörperschaften einzubeziehen.“ Auch bei diesem Politikum. Vor allem bei diesem.
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