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Mobile Endgeräte, autonomes Fahren, Lieferroboter, Drohnen, digitale Anzeigetafeln bis hin zum sensorüberwachten Mülleimer – die Straße der Zukunft ist intelligent, vernetzt und benötigt eine durchgehende Internet-of-Things-(IoT)-Infrastruktur mit jeweils zur Datenkommunikation passenden Übertragungsstandards und innovativen IoT-Sensoren. Von Tony Bayer
Ganz generell ist „Smart City“ ein Sammelbegriff für gesamtheitliche Entwicklungskonzepte, die darauf abzielen, kleine und große Städte effizienter, technologisch fortschrittlicher, grüner und sozial inklusiver zu gestalten. Diese Konzepte beinhalten technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Innovationen.
Ein Grundbaustein, um den wachsenden Bedürfnissen der Bevölkerung einer Smart City gerecht zu werden, ist die Möglichkeit sich frei, sicher und komfortabel bewegen zu können. Denn ganz gleich, ob die Menschen zu Fuß, mit dem Rad, dem Auto, öffentlich oder sonst wie unterwegs sind, muss allen Verkehrsteilnehmern zukünftig eine optimale und zeitgemäße Fortbewegung ermöglicht werden. Eine smarte Straße beschränkt sich aber längst nicht nur auf eine norm- und bedarfsgerechte Beleuchtung zum Schutz für alle Verkehrsteilnehmer. Im Idealfall wird im Zuge der Neuerrichtung und Sanierung von Straßenzügen gleichzeitig auch größtmögliche Energieeinsparung erreicht und die Auswirkungen auf die Umwelt so gering wie möglich gehalten. Dass Kopenhagen weltweit zur Fahrradstadt Nummer eins wurde, hängt etwa auch damit zusammen, dass die Ampelanlagen so smart gemacht wurden, dass der emissionsarme Verkehr dort Vorrang hat.
Complete Streets. Selbst in Indien, wo mehr als 1,2 Milliarden Menschen leben, wurden 100 ausgewählte Städte dazu ermutigt, Fußgänger und Radfahrer zu fördern sowie sichere, moderne, effiziente und gut miteinander vernetzte öffentliche Verkehrssysteme zu bauen. Im Rahmen einer großen Initiative für nachhaltige Mobilität hat das ITDP India Programm ein „Complete Streets Framework Toolkit“ erstellt.
Dieser Werkzeugkasten umfasst für alle Städte Anleitungen für die Konzeption, Planung, Gestaltung, Umsetzung und das Monitoring von lebendigen Straßen, die eine hohe Lebensqualität bieten. Im Jahr 2019 hat die Smart Cities Mission das Toolkit übernommen und gab damit jeder Stadt nicht nur eine Vision, sondern auch einen Leitfaden für den Bau von besseren Straßen und besseren Städten an die Hand, berichtet Architektin und Stadtplanerin Aswathy Dilip, die das ITDP-Programm Complete Streets in Indien leitet.
„Die Städte Chennai und Pune zum Beispiel haben rund 200 Straßenkilometer neu gestaltet und setzen jetzt bei öffentlichen Verkehrsmitteln verstärkt auf Elektrobusse. Im vergangenen Jahr hat Chennai mit dem Pondy Bazaar ein wichtiges Kultur- und Einkaufsviertel der Stadt neu konzipiert und mehr als 50 Prozent des Straßenraums für Fußgänger, Radfahrer und andere aktive Fortbewegungsarten reserviert. Dadurch hat das Projekt einen Ort mit hoher Verkehrsbelastung zu einem pulsierenden Zentrum gemacht – und Öffentlichkeit und Politik für die Einrichtung von Fußgängerzonen gewonnen.“
Eine effiziente Strategie für mehr urbane Lebensqualität, die sich inzwischen auch andere Städte abgeschaut haben. Denn zahlreiche Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Kooperationen befassen sich derzeit mit der Entwicklung von Lösungen für intelligente Straßen. Zu den größten zählen hier wohl das bereits seit 2013 bestehende „Smart Street Project“ im Vereinigten Königreich, an dem verschiedene Universitäten, Städte und Unternehmen teilnehmen, das deutsche Forschungsprojekt „Smart Streets“ unter Beteiligung des Fraunhofer Instituts sowie ein erst kürzlich gestartetes schwedisches Projekt, bei dem zwei Universitäten, ein Forschungsinstitut und drei große Bauunternehmen miteinander kooperieren. Im Zentrum all dieser Projekte steht vor allem eines: Die Vernetzung der Kommunikation durch die Konzipierung und prototypische Entwicklung einer intelligenten IoT-Infrastruktur.
Die Straße als interaktives Versuchslabor. In der Praxis könnte ein mit Sensoren versehenes, smartes Auto beispielsweise Daten an einen IoT-Gateway in Form eines Lichtmasten senden. Dieser wertet wiederum die Daten auf bestimmte Merkmale wie Gefahren aus und warnt in Kommunikation mit anderen derartigen Gateways Fahrzeuge, die sich einer Gefahrenzone nähern. In ähnlicher Weise könnten ebenso der Straßenzustand sowie Straßenschäden regelmäßig überwacht und deren Wartung kostengünstig und rasch eingeleitet werden, erklärt Martin Rous, Informatiker bei Bosch: „Gegenwärtig entwickeln wir im Rahmen unseres Projektes 'StreetProbe' auf der Basis von Daten aus Testfahrzeugen Referenzdaten und einen Schadenkatalog mit einem Mustererkennungssystem. Anschließend überprüft eine Testflotte die Ergebnisse. Häufen sich an einer Stelle Hinweise auf Straßenschäden, lassen sich so notwendige Reparaturen auf den tatsächlichen Bedarfsfall reduzieren und teure, generalisierte Wartungen vermeiden.“
Wie breit aufgestellt ein erfolgreiches Konsortium sein kann, beweist auch ein spannendes Projekt aus Österreich. Dort haben sich im Jänner 2019 elf Technologie-Partner unter der Führung des Melker Lichtmasten-Erzeugers Fonatsch als „Smart Safe & Green Mobility-Initiative (SSGM)“ zusammengeschlossen. Gemeinsames Ziel ist dabei, das Bewusstsein für die Themen Smart City/Smart Region/ Smart Street im öffentlichen Raum bei Kommunen und deren Bewohnern zu stärken sowie die Transformation zu einem effizienten, nachhaltigen und technologisch fortschrittlichen Lebensraum zu ermöglichen. Weil sich aktuell der Markt für innovative Smart Street-Systeme sehr dynamisch entwickelt, konzentriert sich der Verein besonders auf Maßnahmen zur Förderung der Energieeffizienz und der künstlichen Intelligenz, der Vernetzung sowie zur Ausrichtung am Prinzip der Individualität des Menschen.
Neuer Leitfaden für Smart- Street-Projekte. Neben digitalen Features wie Verkehrsleittechnik, Sicherheit, Drohnenverkehr, WLAN und Ausstattung für autonomes Fahren setzt SSGM-Präsident und Fonatsch-Geschäftsführer Alexander Meissner dabei gezielt auf umweltfreundliche Komponenten: „Immer mehr umweltorientierte Kommunen und Regionen interessieren sich für nachhaltige Themen wie Energieautarkie, erneuerbare Energie auf Lichtmasten, öffentliche E-Ladestationen oder automatisches Lichtdimmen. In unserem kürzlich präsentierten neuen Buch „Erfolgsfaktor Smart Street“ finden Kommunen, Infrastruktur-Unternehmen und alle privaten Interessenten deshalb viele praxistaugliche Tipps für die Planung und Errichtung intelligenter Straßen.“
Im niederösterreichischen Melk und in Pöchlarn sowie in Ollersdorf im Burgenland wurden bereits die ersten intelligenten Straßenabschnitte aufgestellt. Außerdem gibt es bereits Interessenten aus Hongkong, Skandinavien und dem CEE-Bereich. Auch der Österreichische Gemeindebund ist mittlerweile durch die erfolgreiche Abhaltung von speziellen Bürgermeister-Workshops auf dieses „intelligente Straßenangebot“ aufmerksam geworden.
„Ich unterstütze alle Kommunen in ihren Bestrebungen, ihren Bürgern, Betrieben und Touristen eine Straßeninfrastruktur zur Verfügung zu stellen, die sowohl Digitalisierung als auch den Umweltschutz berücksichtigt und vor allem den Menschen ein sicheres und flottes Weiterkommen auf den Straßen ermöglicht“, betont Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl. „Der neue Leitfaden kann auch als Checkliste dienen, was bereits vorhanden ist und gleichzeitig eine Handlungsanleitung dafür geben, wo die Reise hingehen kann.“
Leuchtturm-Projekt für Tourismusregion Wachau. Die in der Stadt Melk auf einer Teststraße eingesetzten innovativen Lichtmasten sind wahre Alleskönner: Sie reagieren auf die jeweilige Verkehrsbelastung mit einer bedarfsgerechten Beleuchtung und einem deutlich niedrigeren Energieverbrauch, sind mit Funk, WLAN und Notbeleuchtung ausgestattet und dienen gleichzeitig als Ladestationen für E-Autos oder E-Bikes. Spezielle Masten für Fußgängerzonen bieten sogar Kühlung an heißen Sommertagen an. Dazu kommt eine spezielle App, die – verbunden über das Smartphone oder Auto-Navigationssystem – den nächsten freien Parkplatz anzeigt, vor Staus warnt oder über Umfahrungsmöglichkeiten bei Baustellen informiert. Zusätzlich können die im Lichtmast eingebauten Sensoren mit Ampeln gekoppelt werden, um den Verkehrsfluss besser zu regulieren.
Öffi-Benutzer hingegen dürfen sich über ein weiteres, besonders nachhaltiges Tool freuen, welches im Zuge eines Bürgerbeteiligungsprojekts entworfen wurde.
Alexander Meissner: „Unser smartes Buswartehaus 'station by Fonatsch' ist durch den Einsatz von Solarmodulen bereits energieautark und kommt ohne Verkabelung und Stromversorgung aus. Mithilfe eines Bewegungsmelders wird auch die Beleuchtung bedarfsgerecht gesteuert, sodass Schülerinnen und Schüler oder Pendlerinnen und Pendler nicht mehr in der Dunkelheit warten müssen.“ Weitere Zusatzoptionen wie Ladestationen für Smartphones und E-Bikes, E-Paper-Fahrplan, Notfallknopf und begrüntes Dach runden das mit dem niederösterreichischen VCÖ-Mobilitätspreis prämierte Konzept ab.
Erfolgsfaktor Smart Street
Ein Leitfaden für den Weg von der optimalen Außenbeleuchtung zur intelligenten, vernetzten und umweltfreundlichen Straße. Das Buch ist ein Gemeinschaftswerk, ein Leitfaden und Nachschlagewerk, erarbeitet von führenden Experten.
Die Initiative Smart Safe & Green Mobility will mit diesem Buch dazu beitragen, dass alle Verkehrsteilnehmer optimale Voraussetzungen auf der Straße vorfinden, sowie leicht, rasch, unbürokratisch, ungefährdet und umweltverträglich ihre Ziele erreichen. Zur Umsetzung braucht es Infrastruktur-Errichter, Unternehmen, die Tourismus- und Kulturbranche, die Kommunen mit ihren Regionen und die gesamte Verwaltung und Politik.
Herausgeber:
Verein & Initiative SSGM – Smart Safe & Green Mobility
Seitenanzahl: 156 Seiten
ISBN: 978 3-20000-7836-9
Alle Infos:
Verein & Initiative SSGM – Smart Safe & Green Mobility
Industriestraße 6 A-3390 Melk
Tel.: +43 2752 52723-35
E-Mail: info@ssgm.eu