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Lange Zeit galt Österreich als Nachzügler in Sachen Lesben- und Schwulenemanzipation. Inzwischen hat sich aber einiges geändert. Seit 2019 gibt es die Ehe für alle, und Wien profiliert sich ganz bewusst als Urlaubsziel für queere Touristen. Wie schaut es aber aus auf lokaler Ebene? Obwohl es die wenigsten wissen, gibt es inzwischen drei Gemeinden, wo der Bürgermeister offiziell mit einem Mann verheiratet ist. Wenn man den Wiener Bezirksvorsteher Markus Rumelhart mitzählt, sind es vier. von Michael de Werd
Drei der vier kommen aus der SPÖ. Dass auch die FPÖ mit Christian Popp in Stadl-Paura einen schwulen Bürgermeister stellt, dürfte manche überraschen. Obwohl er 2015 bei seinem Amtsantritt noch ganz offen dazu stand, mit einem Mann verheiratet zu sein, ist Popp inzwischen sehr zurückhaltend geworden. Ein vereinbarter Interviewtermin wird kurzfristig abgesagt. Gab es etwa Druck von oben? Mit Manfred Haimbuchner steht ein vehementer Gegner der Homoehe an der Spitze der FPÖ-Oberösterreich. Die Wähler scheinen dagegen kein Probleme zu haben, denn bei den letzten Wahlen wurde Popp mit 81 % im Amt bestätigt.
Das Regenbogenherz Wiens. Wenn es aber einen Ort in Österreich gibt, den man als homofreundlich bezeichnen kann, dann ist das Mariahilf. Schon als Homosexualität noch illegal war, gab es hier die größte Dichte an Lokalen für Homosexuelle. Seit 1984 ist an der Wienzeile die Rosa Lila Villa angesiedelt und jedes Jahr findet das Straßenfestival „Andersrum ist nicht verkehrt“ statt. Und seit 2014 gibt es mit Markus Rumelhart den ersten offen schwulen Bezirksvorsteher. Dass gerade diese Tatsache so viel Aufmerksamkeit bekam, gefiel ihm nicht ganz: „Ich wollte nicht die Marke oben haben: das ist halt der Quotenschwule, sondern mit Inhalten überzeugen … Ich bin aber nie negativ darauf angesprochen worden, und als ich geheiratet habe, kamen von überall die Glückwüsche.“
Dass er nach Mariahilf kam, hing damit zusammen, dass die AIDS-Hilfe, wo er arbeitete, an den Gürtel übersiedelte. Bald war Rumelhart aktiv bei lokalen Initiativen und schließlich in der Bezirkspolitik. Dass er sich dabei für die Sozialdemokratie entschied, hing auch zusammen mit seinem persönlichen Hintergrund. Als unehelicher Sohn eines Gastarbeiters wuchs Rumelhart bei seiner Großmutter, einer Mindestrentnerin, auf. „Durch Sachen wie die Gratisschulbuchaktionen war es mir aber trotzdem möglich, einen guten Start ins Leben zu bekommen.“
Was Rumelhart an seiner Arbeit als Bezirksvorsteher vor allem schätzt, ist der Kontakt zur Bevölkerung. Ein Wechsel auf eine höhere Ebene würde deswegen nicht in Frage kommen: „Die Arbeit an der Basis ist mir wesentlich lieber als im schönen Sessel im Nationalrat.“
Emanzipation auf der Orgel. Oberndorf nördlich von Salzburg ist berühmt wegen des Weihnachtsliedes „Stille Nacht“, das hier seine Weltpremiere erlebte. Für Bürgermeister Georg Djundja ist es auch ein wichtiger Teil der Identität: „Wir haben eine besondere Verantwortung, bei der ganzen Kommerzialisierung dem ursprünglichen Sinn des Liedes gerecht zu werden.“ Es ist passend, dass Djundja als Organist in der Pfarrkirche tätig ist. Und interessanterweise war es auch das Orgelspiel, wodurch er erstmals politisch tätig wurde. Als er noch in Salzburg wohnte, erlebte er, dass ein Organist wegen seiner Homosexualität entlassen wurde. „Da es keinen medialen und politischen Aufschrei gab, habe ich mir gedacht: Wenn Diskriminierung aufgrund von Sexualität einfach so möglich ist, dann sollte ich selber etwas unternehmen.“ Djundja gründete die Homosexuellengruppe SOHO innerhalb der Salzburger SPÖ.
Dass er nach Oberndorf übersiedelte, war zum Teil wegen seines Ehemannes, der ein gebürtiger Oberndorfer ist. Als er 2019 für das Bürgermeisteramt kandidierte, gab es auch negative Reaktionen: „Die politische Mitbewerber haben es in den sozialen Medien so dargestellt, dass jemand, der mit einem Mann zusammenwohnt, keine Familienpolitik machen kann … Es gab aber ganz viele positive Rückmeldungen. Die Leute haben gesagt: Die Tatsache, dass er offen dazu steht, macht ihn sympathisch und darum können wir ihn vertrauen.“
Djundja glaubt auch, dass die Gesellschaft in diesem Punkt oft weiter ist als die Politik. Was ihn besonders stört, ist, dass viele der Gesetzesänderungen erst nach Gerichtsurteilen zustande gekommen sind: „Die Politik soll mutig die Rahmenbedingungen für ein gemeinsames Leben bilden, und nicht erst, wenn es zu Verurteilungen kommt.“
Homophobie in der Verkehrspolitik. Dass es bisher keine lesbische Bürgermeisterin gegeben hat, mag vor allem daran liegen, dass das Bürgermeisteramt noch immer eine Männersache ist. Allerdings gab es zwischen 2008 und 2014 in Graz mit der Grünen Lisa Rücker die erste lesbische Vizebürgermeisterin. Wie Rücker erzählt, gab es auch persönliche Motive für ihr Coming-out: „Als ich erstmals in den Gemeinderat kam, lebte ich noch in einer Kleinfamilie mit meinen Töchtern und deren Vater… Ich wollte eine Klarstellung haben, bevor die Kinder über irgendwelche dumme Sprüche attackiert wurden.“
Neben vielen positiven Rückmeldungen wurde Rücker vor allem in ihrer Rolle als Verkehrsstadträtin mit Anfeindungen konfrontiert: „In der Kommunalpolitik ist der Verkehr das emotionalste Thema. Wenn es zu homophobem Hass gekommen ist, dann war das im Kontext mit Verkehrsmaßnahmen.“ Gemischt waren auch ihre Erfahrungen mit ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl. „Mit einer Lesbe zu regieren, hat ihm dazu verholfen, sich ein liberales Mäntelchen umzuhängen.“ Es war aber eine bittere Enttäuschung, als Nagl sich weigerte, den Trauungssaal für gleichgeschlechtliche Trauungen zu öffnen: „Das hat mir sehr wehgetan … Es war keine harmonische Koalition.“
Trotzdem ist Rücker optimistisch: „Meine Mutter, die in den fünfziger Jahren bei einem Rechtsanwalt gearbeitet hat, hatte viele Fälle, wo Männer wegen Homosexualität erpresst wurden. Sogar meine Tochter, die 30 Jahre alt ist, meint, dass sich innerhalb der letzten 15 Jahre wahnsinnig viel geändert hat und selbstverständlich geworden ist.“