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Erholung durch Reformen

Nach einem schwierigen Jahr 2020 entwickelten sich die Gemeindefinanzen 2021 dank der erfreulichen wirtschaftlichen Entwicklungen besser als erwartet. Mittelfristig sind erneut sinkende finanzielle Handlungsspielräume der Gemeinden zu befürchten. Von Peter Biwald, Clemens Hödl, Karoline Mitterer

Entwicklung 2021 besser als erwartet: Das KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung hat im Auftrag des Österreichischen Städtebundes eine Prognose zur Entwicklung der Gemeindefinanzen bis zum Jahr 2025 erstellt (Abbildung 1). 2020 mussten die Gemeinden pandemiebedingt zwar noch deutliche Einnahmeneinbußen verzeichnen, sodass deren finanzieller Spielraum voraussichtlich um ein Drittel eingebrochen ist. 2021 hat sich die Wirtschaft aber wesentlich schneller erholt, als noch vor wenigen Monaten prognostiziert.
Da auch für 2021 kräftige Einnahmeneinbußen für die Gemeinden prognostiziert waren, wurde Anfang 2021 das zweite  Gemeindepaket zur Liquiditätsstärkung in der Höhe von 1,5 Mrd. Euro verabschiedet. 1 Mrd. Euro davon wären in Form von Sondervorschüssen 2021 ausbezahlt worden, welche in den folgenden Jahren zurückgezahlt worden wären. Dies hätte – wie bei der Gemeindefinanzprognose im Juni ausgeführt – die finanziellen Handlungsspielräume der folgenden Jahre stark eingeschränkt. Die positive Wirtschaftsentwicklung 2021 führte jedoch dazu, dass der Sondervorschuss nicht notwendig wurde. Dies verschafft den Gemeinden eine deutlich bessere Ausgangslage als noch vor wenigen Monaten erwartet.

Perspektive weiterhin unter dem Vor-Krisen-Niveau. Die KDZ-Prognose (Abbildung 2) geht – unter Berücksichtigung des vierten Lockdowns – mittelfristig von sinkenden finanziellen Handlungsspielräumen der Gemeinden aus. In Abbildung 2 werden zwei Varianten dargestellt. Variante 1 ist als historische Variante zu behandeln, da sie die aktuellen pandemiebedingten Entwicklungen – konkret den vierten Lockdown – noch nicht berücksichtigt. Sie ist jedoch als Vergleichsgröße hilfreich.
Variante 2 berücksichtigt bereits den vierten Lockdown1. Es ist jedoch darauf zu verweisen, dass diese Variante aufgrund der noch fehlenden Prognosen zur wirtschaftlichen Entwicklung mit deutlichen Unsicherheiten verbunden ist.
 
Die Öffentliche Sparquote (ÖSQ) der Gemeinden ohne Wien lag 2018/2019 noch bei 12,3 % bzw. 13,2 %. Diese Kennzahl zeigt an, inwieweit Überschüsse in der operativen Gebarung erwirtschaftet werden können, um diese v.a. in kommunale Infrastruktur zu investieren. Bis 2025 wird die ÖSQ mit nur 10,3 % um zwei bis drei Prozentpunkte unter dem Vorkrisenjahr liegen. Bei Verlängerung oder weiteren Lockdowns ist die Prognose zusätzlich nach unten zu korrigieren.

Insgesamt zeigt sich ein niedrigerer Spielraum in der operativen Gebarung als noch vor der Krise. Dies ergibt sich daraus, da die laufenden Einzahlungen weniger stark steigen als die laufenden Auszahlungen, insbesondere aufgrund der hohen Ausgabendynamik bei Umlagen an die Länder. Damit stehen jährlich weniger Mittel für Investitionen (z. B. im öffentlichen Nahverkehr, Bildung, soziale Einrichtungen) zur Verfügung, womit das Risiko eines Investitionsstaus steigt. Weiters ist von einem Anstieg der Anzahl an Abgangsgemeinden gegenüber dem Vor-Krisen-Niveau auszugehen.

Mehrere Ungewissheiten. Insgesamt zeigt die Prognose noch mehrere Unsicherheiten. Abbildung 3 zeigt Faktoren, welche eine positive Entwicklung der Gemeindefinanzen unterstützen können (Chancen) bzw. hemmende Faktoren (Risiken). Jedenfalls positiv einzuschätzen ist, dass die Sondervorschüsse 2021 nicht genutzt werden mussten.
Zu begrüßen wäre weiters eine Verlängerung und Aufstockung des kommunalen Investitionsprogrammes, um die Erholung der kommunalen Investitionstätigkeit auch mittelfristig abzusichern. Eine gute wirtschaftliche Entwicklung könnte bei der Erholung der Gemeindefinanzen stark unterstützen.

Gleichzeitig zeigen sich mehrere Risikobereiche. Zu nennen ist der weitere Verlauf der Pandemie, die Frage der Abgeltung der Mindereinnahmen aus der Steuerreform, der weiterhin hohe Investitionsbedarf (z.B. Kinderbetreuung, Ganztagsschulen, Klimaschutz) und strukturelle Probleme (z.B. überdurchschnittliche Umlagenbelastung oder die fehlende Grundsteuerreform).

Kommunale Investitionen mittelfristig absichern. Das im Jahr 2020 verabschiedete kommunale Investitionsprogramm hat eine stabilisierende Wirkung gezeigt. Der Einbruch der kommunalen Investitionen konnte zwar nicht zur Gänze verhindert, aber doch zumindest abgedämpft werden.

Angesichts der sinkenden finanziellen Spielräume gilt es nun, die kommunalen Investitionen mittelfristig abzusichern. Hierzu wäre eine Verlängerung und Aufstockung des kommunalen Investitionsprogramms mit entsprechender Schwerpunktsetzung auf die Bereiche klimafreundliche und soziale Infrastruktur ein wichtiger Schritt.

Zur Absicherung der kommunalen Investitionen trägt auch eine Reform des Österreichischen Stabilitätspaktes (ÖStP) bei. Durch die Einführung einer „goldenen Regel“ wären Ausnahmen im ÖSTP für klimafreundliche und soziale Infrastrukturen zu treffen.

Steuerreform und fehlende Reformen behindern Erholung. Die Steuerreform führt bei den Gemeinden inkl. Wien (als Gemeinde) von 2022 bis 2025 zu Mindereinnahmen von insgesamt 1,5 Mrd. Euro, denn ein wesentlicher Teil der Steuerreform muss von Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam getragen werden. Im Vollausbau ab 2025 entgehen den Gemeinden damit 580 Mio. Euro pro Jahr. Um die Handlungsspielräume der Gemeinden mittelfristig abzusichern, wäre daher ein Ausgleich der Mindereinnahmen aus der Steuerreform zweckmäßig.

Zur Lösung von strukturellen Problemen sollten längst fällige Reformen umgesetzt werden, wie z.B.:

1.    Transferreform:
Von jedem Euro, welchen die Gemeinden an Ertragsanteilen erhalten, geht die Hälfte an die Länder im Rahmen von drei Umlagen (Sozialhilfe-, Krankenanstalten- und Landesumlage). Zehn Jahre früher waren es nur 45 Prozent. Hier wäre daher eine Transferreduktion und -entflechtung notwendig.

2.    Grundsteuerreform:
Durch die seit vielen Jahren aufgeschobene Reform fehlt die Dynamisierung. So stiegen die Einnahmen mit 23 Prozent binnen zehn Jahren nur halb so stark wie die Ertragsanteile mit 44 Prozent. Eine Grundsteuerreform stärkt die Gemeindeautonomie und kann Lenkungsziele hinsichtlich Bodenverbrauch erfüllen.

Erholung der Gemeindefinanzen sichern. Das KDZ empfiehlt, nun die Erholung der Gemeindefinanzen in den Fokus zu rücken. Die Pandemie hat gezeigt, wie sensibel Gemeindefinanzen reagieren. Die Wichtigkeit der Finanzierung der Daseinsvorsorge und der kommunalen Investitionstätigkeit ist stärker ins Bewusstsein gerückt. Es wäre nun wichtig, die Zeit bis zum nächsten Finanzausgleich Ende 2023 zu nutzen und einen Reformprozess zu stärker krisenfesten Gemeindefinanzen einzuleiten und längst fällige Reformen – wie etwa die Transfer- und Grundsteuerreform – umzusetzen.