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Umweltbundesamt/B. Gröger

Alte Standorte neu beleben

Warum auf die grüne Wiese bauen, wenn es leerstehende Industrie- und Gewerbeflächen in gut erschlossenen Lagen gibt? Für Flächenrecycling gibt es gute Gründe. Auch Vorbelastungen wie kontaminierte Böden sind laut Umweltbundesamt kein Hindernis, wenn gezielt planerische, umwelttechnische und wirtschaftspolitische Maßnahmen gesetzt werden.

Jährlich werden in Österreich 42 km² Boden neu beansprucht. Den größten Anteil an dieser Flächeninanspruchnahme haben Betriebsflächen. Gleichzeitig werden laufend Betriebe aufgelassen, die Flächen jedoch auch bei guter Lage und Bausubstanz nicht mehr genutzt. Aber was hält Unternehmer, Baubehörden oder Regionalentwickler davon ab, Industrie- und Gewerbebetriebe dort anzusiedeln, wo die Infrastruktur dafür bereits besteht? Noch dazu, wo Boden in Österreich knapp ist und für die landwirtschaftliche Produktion ebenso gebraucht wird, wie für Infrastrukturen, Siedlungen, den Erhalt der biologischen Vielfalt und Vieles mehr?

Bebaut ist nicht begehrt. Historisch günstige Finanzierungsbedingungen, Häuser und Wohnungen als Geldanlage und nicht zuletzt die Corona-Krise haben dazu geführt, dass Immobilien zu beliebten Anlageobjekten geworden sind. Die Folge ist eine Verknappung des verfügbaren Angebots an baureifen Grundstücken. Durch Umwidmung und Neuerschließung wird die Flächeninanspruchnahme weiter gesteigert, das Überangebot bleibt bestehen und das Interesse an Industrie- und Gewerbebrachen sinkt.

Flächenrecycling lohnt sich. Dabei hat es viele Vorteile, wenn diese Flächen wiederverwertet und die Instrumente der Raumplanung steuernd eingesetzt werden: Vorhandenes Bauland wird effizient genutzt, die Bebauung von Grünland vermieden und Spekulationen werden eingedämmt. Eines dieser Instrumente ist eine Lenkungsabgabe auf Gewinne, die durch Umwidmungen in Bauland entstehen. Werden die Einnahmen aus dieser Lenkungsabgabe zweckgewidmet und für kommunale Zwecke, etwa für Förderungen und Recycling von Brachflächen, genutzt, tragen sie auch zur nachhaltigen Regionalentwicklung bei. Wie der Zersiedelung entgegengewirkt werden kann, zeigen bereits einzelne Bundesländer. So sind in Salzburg und der Steiermark Gemeinden ermächtigt, vor der Widmung des Grundstücks mit den Eigentümern  Verträge über die nutzungskonforme Verwendung der Flächen abzuschließen. Wenn diese Flächen innerhalb einer bestimmten Frist nicht bebaut werden, können sie entschädigungslos in Grünland rückgewidmet werden.

Keine Angst vor alten Umweltsünden. Die Befürchtung, dass alte Umweltlasten aus der Vornutzung heute Finanzierungs- und Haftungsrisiken erhöhen, ist in den meisten Fällen unbegründet. Das zeigen auch Auswertungen des Umweltbundesamts zu historisch kontaminierten Standorten. Demnach kann der Bodenzustand bei industriellen und gewerblichen Brachen fast immer rasch geklärt werden. Nur an wenigen Standorten (maximal 3 % der Flächen) sind umfassende Maßnahmen zur Sanierung von Boden oder Grundwasser erforderlich. Einer Vorerkundung mit überschaubaren Kosten (5.000 – 50.000 Euro) stehen Wertsteigerung und ökologischer Nutzen als klare Vorteile der Wiedernutzung gegenüber. Konsequent umgesetzt können damit die Neuinanspruchnahme von Flächen reduziert und gleichzeitig Impulse zur regionalen Entwicklung gesetzt werden.

Revitalisierung vorgenutzter Flächen leicht(er) gemacht. Damit sie für Investoren attraktiver werden, müssen Kontaminations- und Haftungsrisiken rasch und zuverlässig eingeschätzt werden. Dafür braucht es einheitliche, bundesweit anerkannte Grundlagen zur Beurteilung von Bodenverunreinigungen. Die geplante Novelle des Altlastensanierungsgesetzes und die begleitende Verordnung kann das gewährleisten. Erstmals sind dann klare Kriterien für die Beurteilung von Altablagerungen, Altstandorten und Altlasten verfügbar. Fachliche Arbeitshilfen dazu ermöglichen einen einheitlichen Gesetzesvollzug, mehr Transparenz für die Öffentlichkeit und einen verbesserten Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten.

Erfolge besser messen. Um die Wirksamkeit von Maßnahmen zur Revitalisierung von Brachflächen beurteilen, braucht es fundierte Daten zur Verwertung dieser Flächen, zu Brachlandpotenzialen und zum Verbrauch von unerschlossenem Land. Bisher gibt es nur Schätzungen und keine einheitliche Erfassung der Brachflächen.

Das Umweltbundesamt stellt jährlich Daten zum Flächenverbrauch in Österreich zur Verfügung und greift dafür auf die Nutzungsinformation der Digitalen Katastralmappe zurück. Da die Grundstücksdatenbank aber nur im Anlassfall, wie bei größeren Bauvorhaben, Neuvermessungen oder Revisionen des Katasters, aktualisiert wird, hinkt die erfasste Baufläche der tatsächlichen Bebauung immer einige Zeit hinterher. Daher wird derzeit eine Methode entwickelt, um Bodenverbrauch und -versiegelung in Österreich detaillierter darzustellen.

Standorte mit Potenzial. Seit dem Jahr 2021 zeichnen sich neue Initiativen ab, die neue Impulse für verstärktes Flächenrecycling versprechen. Dazu zählen regionale Informationsangebote zur besseren Vermarktung von Flächen wie der niederösterreichische Standortkompass ebenso wie die oberösterreichische Standortdatenbank. Leuchtturmprojekte wie das Wiener Stadtquartier Neu-Leopoldau zeigen, dass historische Industrieareale erfolgreich in neuen Wirtschafts-, Lebens- und Wohnraum umgewidmet werden können. Finanzielle Anreize, Standorte neu zu beleben, schafft unter anderem der österreichische Aufbau- und Resilienzplan 2020 – 2026, der von der Kommunalkredit Public Consulting gemanagt wird. Bestehende Initiativen zu bündeln und auszubauen ist Ziel des Brachflächen-Dialogs, den das Klimaschutzministerium 2022 startet. In diesem mehrjährigen Prozess entwickeln Stakeholder Strategien, um leerstehende und unternutzte Standorte wieder zu beleben. Diese Strategien können einen wertvollen Beitrag dazu leisten, künftig sorgsamer mit dem knappen Gut Boden umzugehen. Damit auch künftige Generationen noch auf nachhaltiges, strategisches Flächenmanagement bauen können.