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Erick MfGriffin

Städte- und Gemeindepartnerschaften

Stell dir vor, es gibt Geld zu holen und keiner geht hin. Grob gesagt scheint das momentan zu passieren mit der Förderung für Städtepartnerschaften durch die EU. Für ihr Programm CERV (Citizens, Equality, Rights & Values) hat die Europäische Kommission eine Summe von 1,55 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Die Gemeindepartnerschaften bilden dabei eine der Förderschienen. Aber gerade hier scheint sich das Interesse bisher sehr in Grenzen zu halten die bürokratischen Hürden dürften der Grund dafür sein.
Von Michael de Werd

Ernst Holzinger habe hierfür aber volles Verständnis. Seit einem Jahr, als das CERV gestartet wurde, ist er die nationale Kontaktperson im Bundeskanzleramt, und somit der erste Ansprechpartner für die Gemeinden. Die Entscheidungen über die Förderungen werden allerdings in Brüssel gefällt. Laut Holzinger sind die Hürden einfach zu hoch für die Geldsummen: „Es geht um maximal 30.000 Euro, und die Teilnehmer in diesem Bereich sind andere als in den großen Förderschienen. Es sind Bürgermeister, Gemeinderäte oder Amtsleiter und diese sind konfrontiert mit viel bürokratischer Arbeit. Ein Förderantrag umfasst zirka vierzig Seiten.“
Und dabei würde es sehr wohl Interesse geben: „Es haben sich verschiedene Gemeinden gemeldet, aber nachdem sie gehört haben, was zu tun ist, habe ich nie wieder von ihnen gehört.“ Neben Städtepartnerschaften gibt es auch die Möglichkeit, Städtenetzwerke mit mindestens fünf Teilnehmergemeinden zu gründen. Bis März dieses Jahres gab es die Möglichkeit, Anträge zu stellen. Was herausgekommen ist, kann Holzinger aber nicht sagen: „Die Kommission ist sehr langsam, was die Ergebnisse betrifft. Wir wissen es noch nicht einmal vom ersten Call im ersten Quartal 2021.“ Damals haben zwei österreichische Gemeinden um eine Förderung für Städtenetzwerke angesucht, während es keinen einzigen Antrag für eine Städtepartnerschaft gab.

Nationalmeister Klagenfurt. Trotzdem ist die Städtepartnerschaft noch immer eine beliebte Art mit dem Ausland in Kontakt zu bleiben. Insgesamt gibt es in Österreich 719 Partnerschaften, die von 487 Gemeinden unterhalten werden. Nationalmeister ist Klagenfurt mit insgesamt 19 Partnerstädten. Am anderen Ende steht die Bundeshauptstadt Wien, die bisher mit keiner einziger Stadt ein Partnerschaftsabkommen geschlossen hat. Allerdings arbeiten einige Wiener Gemeindebezirke zusammen mit Stadtbezirken in Tokyo und Budapest.

Natürlich ist es ein Phänomen, das sich nicht auf Österreich beschränkt, aber in der ganzen Welt vorkommt. In manchen Fällen kann die Zusammenarbeit auf eine sehr lange Geschichte zurückblicken, wie die zwischen dem deutschen Paderborn und dem französischen Le Mans. Schon 836 schlossen die beiden Bischofssitze eine „ewige Liebesbruderschaft“. Vor allem in Kriegszeiten wurde immer wieder an die alten Bande erinnert, und 1967 wurde die Städtepartnerschaft auch offiziell bestätigt.

Der Krieg als Motor. Wenn es aber ein Ereignis gab, das die Idee beflügelt hat, dann war das der Zweite Weltkrieg. Ein Paradebeispiel ist die Zusammenarbeit zwischen Coventry und Dresden. Während des Coventry Blitz am 14. November 1940 legten deutsche Bomber die nordenglische Industriestadt mit seiner berühmten Kathedrale in Schutt und Asche. Am 13. Januar 1945 folgte die Retourkutsche. Obwohl die deutsche Niederlage nur noch eine Zeitfrage war, zerstörte die RAF in einer einmaligen Aktion das „Florenz an der Elbe“. Bauend auf diesem gemeinsamen Erlebnis der Zerstörung schlossen die beiden Städte 1959 eine Partnerschaft. Und noch immer gibt es zwischen beiden einen regen kulturellen Austausch.  

Allerdings können Kriege auch Partnerschaften zerstören. Wie kaum eine andere Stadt sind in den letzten Jahren Sankt Petersburg die Partnerstädte abhandengekommen. 2012 und 2013 kündigten Mailand und Venedig die Zusammenarbeit wegen des Verbots auf „Propaganda für Homosexualität“. 2014 folgt Prag dem Beispiel als Protest gegen die Annektierung der Krim, und heuer beendeten Warschau, Danzig, Aarhus und Melbourne die Partnerschaft wegen des Krieges in der Ukraine.  Oft sind die Umstände für das Ende einer Partnerschaft aber eher banal. Vor ein paar Jahren bekam die deutsche Gemeinde Friedberg ein kurzes Schreiben von ihrer englischen Partnerstadt Bishop’s Storford. Nach 46 Jahren möchte man die Zusammenarbeit beenden. Da „jungen Leute viele Gelegenheiten haben, die europäischen Nachbarländer zu besuchen“, hätte die Partnerschaft seine Bedeutung verloren. Vor allem seit dem Brexit haben mehrere britische Gemeinden ihre Partnerschaften am Festland gelöst.
Beispiel Slowakei. Vielleicht ist es einfach so, dass die internationale Zusammenarbeit sich diesen schnellen Zeiten angepasst hat. Statt der klassischen Städtepartnerschaft über Jahrzehnte geht es immer mehr in Richtung von zeitlich beschränkter Zusammenarbeit bei bestimmten Themen. Laut Holzinger gab es da in den letzten Jahren einige positive Beispiele. Vor ein paar Jahren entwickelte Ebensee gemeinsam mit anderen Städten ein Projekt zum Gedenken der Opfer des Nationalsozialismus. Und noch immer läuft das Programm, das Mallnitz mit anderen Gemeinden ins Leben gerufen hat, um die touristische Entwicklung im alpinen Raum zu fördern.  

Sollten sich die österreichischen Gemeinden etwa ein Beispiel nehmen an den slowakischen Nachbarn? „Beim ersten Call in Vorjahr sind 30 % der Mittel in die Slowakei gegangen, wenn nicht sogar mehr“, erzählt Holzinger. „Und dort gibt es nicht einmal eine Kontaktstelle. Ich kann mir nur vorstellen, dass es hier einen Consulter gibt, der professionell seine Dienste anbietet … Das ist nach meinem Gefühl aber nicht im Sinne des Erfinders.“  

Er hofft aber, dass die EU den Bitten nachkommen wird und die Prozedur vereinfachen wird. Vielleicht sollen sich die Gemeinden aber schon vorher Gedanken machen über mögliche Projekte und Partner. Obwohl das Datum noch nicht fixiert ist, könnte der nächste Call für Anträge November 2022 kommen. 

Weitere Information

EU-Programm für Bürgerinnen und Bürger, Rechte und Werte (CERV)
» https://www.cerv.at/

Bundeskanzleramt
Mag. Ernst Holzinger

Telefon: +43 1 531 15–202907
E-Mail: ernst.holzinger@bka.gv.at