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Gemeindestrukturen über die kommunalen Grenzen hinweg neu zu gestalten, erfordert neben strategischer Kraft auch Ausdauer. Dann aber kann die Schlagkraft erhöht, Professionalität garantiert und Problemen wie der zunehmenden Personalnot begegnet werden. Kooperationen sind ein Weg, Fusionen ein anderer – selbst wenn sie ungleich größerer Überzeugungskraft bedürfen. Und einer satten Portion parteipolitischen Masochismus.
Von Alexandra Keller
Sie sind schon staatstragend. Ja, Momente wie diese haben ein gewisses Gewicht. Für ein paar politische Sekundenbruchteile steht die Zeit still und nicht einmal der sonst angriffslustigste Gegner wagt ein ätzendes Wort. So war es am 4. Juli 2022 recht feierlich und ruhig im Grazer Landhaus. Knapp einen Monat zuvor hatte der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) bekannt gegeben, dass er sein Amt an Christoph Drexler übergeben werde. Am 4. Juli 2022 war es schon so weit.
Dass die steirische ÖVP beim doch recht wichtigen Spitzenwechsel weit mehr politisches Geschick an den Tag legte als die diesbezüglich recht komisch kalkulierenden Kollegen in Tirol, sollte bald ziemlich deutlich werden. Anders als sein Tiroler Pendant Günther Platter übergab Schützenhöfer das Amt gut zwei Jahre vor der nächsten Landtagswahl mit „Butz und Stingl“, Landesparteiobmann war Drexler schon seit 3. Juni 2022 gewesen und mit der Sondersitzung Anfang Juli wurde der kurze Politreigen beendet.
Echte Standortpolitik. Halbe Sachen passen nicht so recht zu Schützenhöfers Stil, selbst wenn die Halbierung der steirischen Gemeindezahl das vielleicht prägendste ist, für das auch sein Name steht. Auf bislang und höchst seltene sachpolitisch orientierte Weise hatten sich seine ÖVP und die SPÖ seines Vorgängers Franz Voves zusammengetan, um einen Coup durchzuziehen, der die Zahl der überwiegend „schwarzen“ steirischen Gemeinden von 542 im Jahr 2010 auf 287 im Jahr 2015 schrumpfen ließ. Standortpolitik derart radikal über Parteipolitik zu stellen, ist nicht nur ungewöhnlich – sie grenzt sogar an parteipolitischen Masochismus. Es folgte denn auch die Rache der Geschrumpften. Bei der Landtagswahl 2015 wurde die Reformpartnerschaft bitter abgestraft. Der seit 2005 amtierende Landeshauptmann Voves trat zurück, Schützenhöfer wurde sein Nachfolger und verabschiedete sich mitten in seiner zweiten Amtszeit mit Würde und den Worten: „Wir arbeiten im grünen Herzen Österreichs. Wir haben Frieden, Freude und Wohlstand. Das wird fast schon zur Ausnahme im Weltgeschehen.“ Und weil sich das schnell zum Schlechten wenden könne, betonte er: „Deshalb braucht es in der Politik Zusammenarbeit und Brückenbauen. Zusammenarbeit ist mein Weg, Zusammenarbeit war mein Weg. Die Steiermark ist mein Leben. Die Steiermark bleibt mein Leben.“ Ja, Momente wie diese haben ein gewisses Gewicht. Das Erbe der steirischen Reformpartnerschaft hat das auch.
Fusion Trofaiach. „Die freiwillige Gemeindezusammenlegung hat zu einem starken Miteinander aller Bürger aus den ehemaligen Ortsteilen geführt. Besonders in der ersten Phase der Pandemie wurde ein beeindruckender Zusammenhalt sichtbar“, stellt Mario Abl, Bürgermeister der Stadt Trofaiach,
fest (siehe Interview links). Die Zusammenlegung der Gemeinden Trofaiach, Hafning und Gai war eine Art Role-Model für die Strukturreform in der Steiermark. Die drei Gemeinden rückten bereits mit 1. Jänner 2013 offiziell zusammen und feiern bald das zehnjährige Jubiläum ihrer Einheit. Grund und Zeit genug, um die Wirkungen der Fusion zu beleuchten. „Der Gemeinde Trofaiach ist es gelungen, eine Einheit zu schaffen, die im Rahmen des Finanzausgleichs zu mehr Geldmitteln geführt, aber auch bestehende Strukturen gestärkt hat“, stellt Peter Biwald, Geschäftsführer des KDZ - Zentrum für Verwaltungsforschung, beispielsweise fest.
Nicht nur finanzielle Vorteile. Im Februar 2022 hatte das KDZ im Rahmen seiner Dialog-Reihe, die übrigens als Podcast nachgehört werden kann, die Gemeindefusionen in den Mittelpunkt gestellt. Dabei wurde deutlich, dass Fusionen nicht nur im Vorfeld, sondern auch danach extrem viel Arbeit und Einsatz erfordern. „Syner-gien nach den Fusionen müssen hart erarbeitet werden.
Wo man den Prozess offen angegangen ist, hat es schon etwas gebracht. Es gab aber auch welche, die zusammengezogen sind und weitergemacht haben wie bisher, da hat man Chancen vergeben“, stellte Biwald klar und KDZ-Dialog-Gast Mario Abl hielt fest: „Wir hätten die Coronazeit nicht einzeln überlebt. Wir hatten Rücklagen anschaffen können, von denen wir 2020 gelebt haben.“
Der finanzielle Spielraum hat sich in Trofaiach um rund 1,8 Millionen Euro jährlich erweitert. Doch sind die Finanzen allein offensichtlich zu wenig, um eine Fusion zu wagen, meinte doch der zweite KDZ-Dialog-Gast und Bürgermeister der oberösterreichischen Gemeinde Rohrbach-Berg, Andreas Lindorfer: „Wir sagten, wir machen es nicht nur wegen der finanziellen Situation, sondern weil es für beide Gemeinden das Beste ist. Der finanzielle Benefit kommt dann im Laufe der Jahre. Rückblickend war es auch in dem Zusammenhang die richtige Entscheidung.“
Die ehemals selbstständigen Gemeinden Rohrbach und Berg sind seit über sieben Jahren fest liiert. Schon zuvor war das Zusammenleben der beiden Gemeinden in den Vereinen und unter der Pfarre recht eng gewesen und die Fusionsgedanken reichen weit zurück. „Das war schon vor meiner Geburt“, weiß Lindorfer. Die beiden Gemeinden lagen geografisch echt eng beieinander, Berg war flächenmäßig groß, Rohrbach vergleichsweise winzig, aber mit seinen Bezirkshauptstadt-Funktionen wichtig. 2013 nahm die Fusionsplanung Fahrt auf und 2015 war es dann so weit.
Ein beeindruckender positiver Finanzeffekt der Fusion manifestiert sich passenderweise im ehemaligen Gemeindeamt der Gemeinde Berg. Nach der Fusion wurden die Amtsgeschäfte ins nahe Rohrbacher Rathaus verlegt und aus dem Berger Gemeindeamt wurde ein Haus der Familie. Lindorfer: „Wir haben dort den Kindergarten erweitert, eine Spielegruppe ist untergebracht, eine Logopädin und eine Kinderpsychologin arbeiten dort – das ist eine sehr gute Nachnutzung.“ Eine gute und lebendige, wie’s scheint. Und es hat sich gelohnt. Die zuvor geplante Erweiterung des Kindergartens hätte mit 600.000 bis 700.000 Euro zu Buche geschlagen und konnte mit nur 100.000 Euro verwirklicht werden. „Es ist weit besser gelungen, als es mit dem Zubau möglich gewesen wäre“, weiß Lindorfer, der für Gemeinden, die den Fusionsgedanken wälzen, ein paar Tipps bereithält: „Es ist ein Muss, dass die Bürgermeister das unterstützen. Wenn ganz oben schon unterschiedliche Auffassungen da sind, kann es fast nix werden. Ganz wichtig ist die gute und umfassende Information der Mitarbeiter und der Bevölkerung – da ist es unerlässlich, dass das extern begleitet wird, weil der Prophet im eigenen Land nichts wert ist.“
Im Rückblick positiv. Rohrbach-Berg und Trofaiach sind die Ergebnisse freiwilliger Fusionen. Für die obersteirische Großgemeinde Mariazell waren die Gemeinden Gußwerk, St. Sebastian, Mariazell und Halltal von Graz sanft dazu angehalten worden, freiwillig zu fusionieren. Es gibt ein paar nette schwarz-rote Bonmots zu dieser Vereinigung, doch faktisch war die Fusion dann auch dort praktisch. „Wir waren in Mariazell in der Nachfusionsphase dabei. Da wurden die Potenziale in der Struktur, in der Verwaltung genutzt. Innerhalb kürzester Zeit hatten sie eine Pensionierungsrate von mehr als einem Drittel. Es wurde auch das Bürgerservice in der Peripherie reduziert, wo es nur zwei Kundenkontakte in der Woche gegeben hatte. Das Pro-
blem der demografischen Nachbesetzung wurde gelöst und es wurden finanzielle Spielräume geschaffen“, zieht KDZ-Geschäftsführer Peter Biwald eine positive Bilanz zum großen Mariazell.
Beispiel Kooperation. Die Experten des KDZ begleiten kommunale Strukturreformen in all ihren Varianten. Bei Kooperationen hat die Bündelung der Kräfte eine weniger schwere emotionale Ebene, weswegen die Erfolge auch ohne bitteren Beigeschmack gefeiert werden dürfen. Derart feierlich wurde am 21. September 2020 beispielsweise der Wirtschaftshof Aschachtal eröffnet. Die oberösterreichischen Gemeinden Aschach an der Donau, Hartkirchen, Pupping und Stroheim hatten sich schon 2010 dazu entschlossen, die Wirtschaftshof-Agenden gemeinsam stemmen zu wollen. 2014 fielen die dazugehörigen Gemeinderatsbeschlüsse, 2015 die Genehmigung des Landes. Die lange Vorlaufzeit, in der die Standortwahl so knifflig wie entscheidend war, wurde klug genutzt.
Das KDZ begleitete die vier, im Gemeindeverband Wirtschaftshof Aschachtal kooperierenden Gemeinden ab dem Jahr 2018 Schritt für Schritt bei der organisatorischen Umsetzung. Dazu zählte die gemeinsame strategische Ausrichtung, die den Rahmen für die Zusammenarbeit festlegte. Der nächste Fokus lag auf der gemeinsamen Bauhoforganisation, mit der nicht nur Aufgaben, Leistungsstandards, Zuständigkeiten und Kompetenzen geregelt wurden. Auf Grundlage dieses Prozess-Schrittes konnte auch der Personalbedarf geschätzt werden. Nachdem dann die Führungs- und Managementstrukturen aufgebaut waren, wurde der heikle Punkt der Personal-zusammenführung mit entsprechend viel Einfühlungsvermögen gemeistert. Am Ende des komplexen Prozesses wurde der Fuhrpark neu dimensioniert beziehungsweise den großen Herausforderungen entsprechend angepasst.
Im Interview mit public (siehe unten) führt Lisa Geyerhofer, Geschäftsführerin Gemeindeverband Wirtschaftshof Aschachtal, unter anderem die entscheidenden Schritte auf dem Weg der Kooperation aus und sagt: „Anderen Gemeinden, die eine Kooperation umsetzen wollen, können wir mitgeben, dass es vor allem sorgfältige Vorarbeiten in der Analyse und Aufbereitung der notwendigen Entscheidungsgrundlagen benötigt.“ Dann kann mit einer Kooperation die Schlagkraft erhöht, Professionalität garantiert sowie Problemen wie der zunehmenden Personalnot begegnet werden. Und die Gemeinden sind viel weniger allein.
KDZ im Dialog
Podcast zu hören unter
» https:/www.kdz.eu/de/kdzimdialog