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Die Pandemie hat gezeigt, dass die kommunale Daseinsvorsorge funktioniert. Die Ver- und Entsorgung war gesichert, die Bildungseinrichtungen in den Kommunen in Betrieb, die Verkehrsinfrastruktur und -dienstleistungen waren und sind gewährleistet. Die Gebührenfinanzierung der Ver- und Entsorgung war in der Pandemie stabil. Wird dies auch in der aktuellen Krise mit steigenden Energiepreisen und Inflation möglich sein? Was kommt auf die Gemeinden zu?
Von Peter Biwald, Philip Parzer
Für jene Bereiche, die stärker oder großteils steuerfinanziert sind, zeigte sich jedoch, dass sie mittel- bis langfristig krisenanfälliger sind. So haben 2020 mehr als 820 Mio. Euro an Ertragsanteilen und Kommunalsteuereinnahmen zur Finanzierung der Daseinsvorsorge gefehlt, die nur teilweise durch zusätzliche Transferzahlungen der Länder ausgeglichen wurden. Die Ausgaben in der Daseinsvorsorge sind weiter gestiegen, da der Betrieb aufrechterhalten werden musste (und konnte).
Auch wenn 2021 der Ausfall bei den Steuern wieder kompensiert werden konnte, und 2022 die Ertragsanteile um weitere 10 Prozent steigen werden, sind die Ausgaben in der steuerfinanzierten Daseinsvorsorge seit 2019 weiterhin stärker gestiegen als die verfügbaren Einnahmen. Die durch die Pandemie entstandene Finanzierungslücke mag Ende 2022 geschlossen sein, es besteht nunmehr die Gefahr, dass eine neuerliche Lücke entstehen kann.
Die Krise bringt Inflation und steigende Energiepreise. Im heurigen Jahr wird die Inflation 8 bis 9 Prozent ausmachen, 2023 sind laut letzter WIFO-Prognose von Ende Juni 2022 weitere 5 Prozent zu erwarten. Der Baupreis-Index hat sich davon entkoppelt und liegt per Ende Juni 2022 bei 115 Prozent (Hoch- und Tiefbau) gegenüber 2020 (Quelle: Statistik Austria). D.h. die Baupreise sind somit stärker gestiegen als der Verbraucherpreis-Index.
Für viele Gemeinden stellt sich nun die Frage, was dies für das Jahr 2023 und die Voranschlagserstellung bedeuten wird. Vereinfacht gesagt, werden die laufenden Ausgaben mit hoher Wahrscheinlichkeit stärker wachsen als die laufenden Einnahmen. Aus heutiger Sicht kann von folgenden Entwicklungen ausgegangen werden, die als Orientierungswerte dienen. Der Personalaufwand wird abhängig von den Gehaltsabschlüssen für die Gemeindebediensteten um 6 bis 8 Prozent zunehmen. Der Material- und Betriebsaufwand wird um 11 bis 13 Prozent (gegenüber Voranschlag 2022) bzw. 5 bis 6 Prozent (gegenüber dem NVA 2022, wenn die Inflation 2022 bereits berücksichtigt wurde) steigen. Der Instandhaltungsaufwand kann um 10 bis 15 Prozent gegenüber dem Voranschlag 2022 zunehmen. Die Energieausgaben können zwischen dem zwei- bis 10-fachen steigen. Dies ist abhängig wie lange die aktuellen Energieverträge noch laufen und von den konkreten Energie-Lieferanten der Gemeinde.
Die Sozialhilfe-Umlage sowie die Krankenanstaltenumlage wird voraussichtlich um 5 bis 8 Prozent zunehmen. Auf der Einnahmenseite ist folgende Entwicklung möglich bzw. wahrscheinlich. Die gemeindeeigenen Steuern können um 3 bis 5 Prozent steigen, aufgrund der inflationsbedingt höheren Lohnabschlüsse. Die Gebühren können um 6 bis 7 Prozent zunehmen, falls sie im Ausmaß der Inflation valorisiert werden. Die Ertragsanteile werden jedoch aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung 2023 um 1 bis 2 Prozentpunkte sinken (BMF-Prognose von Anfang Juli 2022).
In Summe bedeutet dies, dass die laufenden Ausgaben voraussichtlich um 10 bis 11 Prozent steigen werden (falls sich die Energiekosten verdreifachen) und die laufenden Einnahmen nur um 4 bis 5 Prozent zunehmen werden. Dies ergibt ein Delta für den Saldo 1 von 6 bis 7 Prozent bzw. 1,0 bis 1,2 Mrd. Euro. (Gemeinden ohne Wien). Dieser Betrag wird den Gemeinden 2023 für neue Vorhaben (z.B. Ausbau Kinderbetreuung und Nachmittagsbetreuung, Umstellung der Energieversorgung in Gemeindeobjekten, Klimaschutzmaßnahmen) fehlen. Die Anzahl der Abgangsgemeinden würde wieder deutlich ansteigen.
Konsolidieren durch Kooperation. Wie die finanziellen Prognosen zeigen, werden die Gemeinden zukünftig auch weiterhin den Fokus auf die Themen Konsolidierung, Effizienzsteigerung und nachhaltiges Investieren lenken müssen, um diese Entwicklungen zumindest teilweise abfedern zu können und sich „resilient“ für die Zukunft aufzustellen.
Ein möglicher Ansatz, der diese drei Dimensionen in sich vereint sind Gemeindekooperationen. Mit Gemeindekooperationen sollen nicht nur die Effizienz, sondern vielmehr auch die Qualität der Gemeindearbeit, die Dienste der Gemeinde und die Infrastruktur für die Bürgerinnen und Bürger laufend verbessert werden. Ziel von guten Gemeindekooperationen ist es, neben Qualitätssteigerungen im Bürgerservice, auch Kosteneinsparungen durch Kostenteilung zwischen den Gemeinden, sowie Effizienzsteigerungen durch einen höheren Spezialisierungsgrad zu realisieren.
Darüber hinaus leisten Infrastrukturkooperationen (wie z.B. gemeinsamer Betrieb eines Bauhofes, Freibades, Sportanlagen etc.) einen wesentlichen Nachhaltigkeitsbeitrag, indem die gemeinsame Errichtung, der Betrieb und die Nutzung kostenintensiver Infrastruktur auch die Umwelt entlastet. Nicht viele Standorte und Angebote nebeneinander, sondern ein Angebot in der Region, das von allen Gemeinden und BürgerInnen gleichberechtigt genutzt wird.
Ziel von Gemeindekooperationen ist es natürlich auch ein optimales Kosten-/Nutzenverhältnis zu realisieren. Denn in Zeiten, wo es „enger“ wird und sich vor allem die Schwerpunkte und Aufgaben der Gemeinden verschieben, gilt es auch zwischen den Gemeinden zusammenzurücken, um gemeinsam große Dinge zu bewegen.
Der Kreativität sind dabei dem Kooperationsgedanken folgend keine „Grenzen“ gesetzt. So zeigt sich auch in Österreich ein buntes Bild an Kooperationsinitiativen. Von eher losen und informellen Kooperationen wie zum Beispiel
• anlassbezogene Abstimmung der Gemeinden in Kleinregionen (z.B. Veranstaltungswesen, Kindergartenbus, Radwegekonzepte, Betriebsansiedelung, Soziales, Jugendarbeit etc.) und
• gemeinsame Projektinitiativen (z.B. gemeindeübergreifende Kinderbetreuung, Beschaffung, Betriebsansiedelung etc.)
bis hin zu strukturierten und klar organisierten Organisationsformen, die im Rahmen von Verwaltungsgemeinschaften oder Gemeindeverbänden abgewickelt werden, wie zum Beispiel
• Bau- und Wirtschaftshöfe – gemeinsame Organisation und Durchführung wichtiger kommunaler Infrastrukturleistungen wie z.B. Grünflächenpflege, Straßeninstandhaltung, Betreuung des Wassernetzes etc. bis hin zu einer gemeinsamen Bauhoflösung mit gemeinsamer Betriebsorganisation, Standort, Fuhrpark und Gerätschaften,
• Abgabenverwaltung – Zusammenschluss zu einem Abgabenverband zur zentralen Einhebung der Hausbesitzabgaben (Wasser, Kanal, Grundsteuer), Integration der Abgabenverwaltung in bestehende Verbandsstrukturen (z.B. Abfallwirtschaftsverbände),
• Bauverwaltung – Beratung der BauwerberInnen, Bausprechtage, Bearbeitung von behördlichen Genehmigungen, Sachverständigenleistungen etc.,
• Personalmanagement – gemeinsame Abwicklung der Personalverrechnung, Personalsuche und Ausschreibungen, Aus- und Weiterbildung etc.,
• Standesamtsverwaltung (Standesamtsverbänden) – gemeinsame Abwicklung klassischer Standesamtsagenden wie z. B. Ausstellung von Urkunden, Staatsbürgerschaftsnachweisen, Namensänderungen etc.,
• Musikschulen – gemeinsame Organisation des Musikschulunterrichts in der Region
• Kooperationen bei komplexen und Know-how-intensiven Aufgabenstellungen wie z.B. Baumkataster, Spielgeräteüberprüfungen, Datenschutzbeauftragte, Sicherheitsbegehungen, IT-Dienstleistungen etc.
Die Vorteile von Gemeindekooperationen sind vielschichtig und werden vor allem in folgenden Bereichen sichtbar:
• Auslastungssteigerung – geringerer Investitionsbedarf durch optimale Auslastung bestehender Gerätschaften und Fahrzeuge (z.B. gemeinsame Nutzung Kehrmaschine, Böschungsmähgerät etc.).
• Spezialisierung – Freiwerden von personellen Kapazitäten durch Leistungskonzentration. Beispielsweise können durch eine Zusammenführung von wichtigen und weitgehend standardisierbaren Verwaltungsleistungen (z.B. Personalverrechnung, Ausstellung von Urkunden, Bearbeiten von Bauanträgen etc.) Personalstunden für andere Tätigkeiten freigespielt werden.
• Kostenteilung – gerade bei kapitalintensiven Vorhaben wie der Errichtung eines Bauhofes, Sport- und Freizeitanlagen lohnt es sich die Region in den Fokus zu nehmen und sich gemeinsam die Frage zu stellen, ob sich für jede Gemeinde noch ein eigener Standort lohnt?
• Qualitätssicherung – gemeinsame Beratungsarbeit, Abwicklung des Winterdienstes etc. sichern gleiche Rahmenbedingungen und Services für BürgerInnen und Wirtschaft in der Region.
• Anschubfinanzierung – einige Bundesländer unterstützen hier durch spezielle Förderschienen die Kooperationsinitiativen der Gemeinden beispielsweise in Form von Projektfinanzierung und Investitionskostenbeteiligungen.
Ein weiterer konsequenter Schritt sollte in der Nutzung bestehender kommunaler Verbandsstrukturen und deren Weiterentwicklung zu „Kommunalen Dienstleistungszentren“ liegen, um hier Synergien bestmöglich zu nutzen. Dies spart Errichtungs- und Verwaltungskosten und kann die Gemeinden von zeit- und Know-how-intensiver Verwaltungsarbeit weiter entlasten.
Gut funktionierende Gemeindekooperationen bauen auf einem gemeinsamen Verständnis und einer guten Zusammenarbeit zwischen Politik und Verwaltung auf. So zeigt sich in der Praxis, dass erfolgreiche Kooperationen neben der Aufbereitung der notwendigen Planungs- und Entscheidungsgrundlagen vor allem eine gemeinsame Vision, eine starke und konstruktive Zusammenarbeit der BürgermeisterInnen, Gemeinden und all jener, die die Kooperation in die Umsetzung führen, braucht.
Die Experten des KDZ unterstützen Sie gerne bei der Haushaltskonsolidierung sowie Kooperationen. Nehmen Sie Kontakt mit uns auf.
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