Gemeinde Sankt Georgen am Walde
In Österreich gibt es nicht gerade einen Mangel an Gemeindepartnerschaften. Manchmal sind auch mehr als zwei Ortschaften involviert, aber dass gleich sechs eine internationale Partnerschaft unterhalten, ist doch etwas Besonderes. Seit Jahrzehnten gibt es eine enge Zusammenarbeit zwischen Orten in sechs verschiedenen europäischen Ländern, die alle - mit gewissen Varianten – den Namen Linden tragen. Die meisten sind kleine Dörfer. Nur das spanische Lalin, das an einer Nebenstrecke des Jakobswegs liegt, kann mit mehr als 20.000 Bewohnern als Stadt bezeichnet werden. Wahrscheinlich ist aber gerade die geringe Größe ein Grund für den Erfolg. Von Michael de Werd
Die Initiative ging aus von Linden in Schleswig-Holstein. Obwohl es nur 900 Einwohner zählt, ist es bis heute eine eigene Gemeinde. Wie Toni Wölbung, der Obmann der dortigen Abteilung von Linden grüßt Linden erzählt, begann das Ganze als eine Privatinitiative des damaligen Schuldirektors Gerhard Schwabe: „Er hat 1961 mit seinen Schülern angefangen, in Deutschland, aber auch international, andere Ortschaften mit dem Namen Linden zu suchen, um Briefkontakte aufzunehmen … Zuerst haben sich nur Schulklassen getroffen, aber vor allem mit Österreich gab es auch bald Kontakte zwischen den Musikvereinen.“ Von den Bauern bis zu den Krankenschwestern gab es immer mehr Gruppen, die sich beteiligten. 1974 kam es zu einer offiziellen Partnerschaft, zu denen inzwischen Ortschaften aus Österreich, den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Spanien gehören.
Wiedersehen nach Corona. Normalerweise findet jedes Jahr in einem der sechs Lindens ein Treffen statt. Nachdem die Reihe wegen Corona erstmals unterbrochen wurde, war im Mai dieses Jahres Linden in Oberösterreich an der Reihe. Obwohl das eigentliche Linden nur 400 Einwohner hat, gehört es zur Gemeinde Sankt Georgen am Walde. Die Dorfschule, wo die Partnerschaft angefangen hat, ist schon längst geschlossen. „Heutzutage ist Linden eine Wohngegend“, erzählt Gerhard Steiner, der Sekretär des lokalen Vereins. „Das soziale Leben findet in Sankt Georgen statt. Obwohl es die Initiative noch immer Linden grüßt Linden heißt, wird die Partnerschaft heutzutage von der ganzen Gemeinde getragen.“
Heinrich Haider, der Bürgermeister von Sankt Georgen, ist allerdings ein geborener Lindener. Für ihn ist vor allem der Vergleich zwischen den verschiedenen Ortschaften interessant: „Es ist klar, dass größere Gemeinden andere Mittel haben, aber in Prinzip haben alle dieselben Herausforderungen wie die demografischen Entwicklungen oder den Zugang zu Bildungseinrichtungen. Speziell in diesen zwei Jahren der Coronapandemie hat man gesehen, wie wichtig die menschlichen Kontakte sind.“
Wie Steiner erzählt, war es nach einer Pause von zwei Jahren für alle schön, sich wiederzusehen: „Es war eine angenehme Atmosphäre und das Treffen hat alle Erwartungen erfüllt.“ Das Thema war Jugend mit Zukunft in Europa. Auf dem Programm standen u.a. ein Besuch der Jugendtankstelle Mühlviertler Alm und des Jugendzentrums in Grein. Und daneben spielte das gemütliche Zusammensein eine zentrale Rolle. Wie immer waren alle Teilnehmer bei Gastfamilien untergebracht.
Das Überwinden von Feindbildern. Nirgendwo hat die Partnerschaft so geholfen alte Barrieren zu überwinden wie beim französischen Lalinde. Wie Christine Vergez, die Vorsitzende des Partnerschaftskomitees erzählt, waren Anfang der Sechziger die Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg noch frisch. „Hier in der Dordogne hat es schwere Kämpfe gegeben. Ganze Dörfer waren niedergebrannt und viele Leute sind hingerichtet worden. Als die Gäste aus Deutschland kamen, wurden sie deswegen nicht überall mit offenen Armen empfangen.“ Gleichzeitig passte es zum Zeitgeist: „Damals fand die Annäherung zwischen de Gaulle und Adenauer statt und die Idee ein neues Europa zu schaffen lebte schon stark.“
Letztendlich wurde die Partnerschaft aber ein Riesenerfolg: „Es ist es überhaupt kein Problem, Jugendliche zu finden, die an den Treffen teilnehmen wollen. Und daneben gibt es viele freundschaftliche Kontakte.“ Auch persönlich hat Vergez vieles gelernt von den Partnergemeinden: „Es war für mich interessant zu sehen, wie Altersheime in Deutschland funktionieren, wo die Leute nicht permanent wohnen, sondern nur tagsüber kommen.“ Umgekehrt hat Lalin vom französischen Beispiel profitiert, als Spanien 2008 von einer schlimmen Wirtschaftskrise getroffen wurde: „Es gab damals dort gar keine karitativen Einrichtungen, während es bei uns gut funktionierte.“
Verschwindende Infrastruktur. Trotzdem geben alle Teilnehmer zu, dass sich im Laufe der Zeit einiges geändert hat. „Eine Generation zurück war es noch etwas ganz Besonderes ins Ausland zu fahren, und zu sehen, wie Leute in Österreich oder Frankreich leben“, erzählt Ton Keijzers aus dem niederländischen Linden. „In dem Sinne hat es an Bedeutung verloren.“ In einer Hinsicht funktioniert es aber besser: „Die Jugendarbeit findet auf Englisch statt. Das ist zwar etwas einförmig, ist aber auch ein Vorteil. Eine Generation zurück beherrschten die Leute oft nur eine Sprache.“
Auch in Holland gibt es die gleichen demographischen Probleme wie in anderen Lindens. Heutzutage hat das Dorf Linden in der Nähe von Nimwegen weniger als 300 Bewohner. Schon 1942 hat es aufgehört eine Gemeinde zu sein. „Es gibt keine Infrastruktur mehr“, erzählt Keijzers. „Es gibt kein Geschäft, keine öffentlichen Verkehrsmittel und keine Schule.“ Sein eigener Vater hatte als Schuldirektor noch an der Wiege der Partnerschaft gestanden. Trotzdem sieht Keijzers nicht alles negativ: „Wir sind ein kleines Dorf mit einer engen Gemeinschaft und einem guten Vereinsleben.“
Wie in den anderen Lindens hat sich die Idee der Partnerschaft zwar gewandelt, aber sie ist immer noch lebendig. Und wie Keijzer glaubt, kann die persönliche Begegnung von keinen sozialen Medien ersetzt werden: „Für mich war es immer am lehrreichsten zu sehen, wie das tägliche Leben stattfindet. Was die Leute essen und trinken und wie sie ihre Freizeit verbringen.“