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Warum ein fehlendes Bekenntnis zur Straße rund 23.000 Jobs in Österreich gefährdet, erklärt Dipl.-Ing. Mario Rohracher, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (GSV) im Gespräch mit public.
public: Sie sprechen sich für den Ausbau und Erhalt von Straßen aus. Konkret fordern Sie, dass die öffentliche Hand rund 250 Millionen mehr in die Straße investiert. Das entspricht aber so gar nicht dem Zeitgeist. Wie argumentieren Sie also Ihr Bekenntnis zur Straße?
Mario Rohracher: Als GSV bekennen wir uns zu allen Verkehrsträgern, auch zur Straße. Unser Straßennetz ist wesentlich für die Mobilität der Menschen. Über sechs Millionen Pkw, Lkw und Einspurige bewegen sich darauf. Straßen sind wichtige Zubringer zur Schiene, zu Flughäfen oder zu Wasserstraßen. Damit ist die Straße der zentrale Mobilitäts- und Produktionsfaktor für die österreichische Wirtschaft.
Wäre es nicht sinnvoller, die dafür notwendigen Finanzmittel in nachhaltige Mobilitätskonzepte zu investieren? Es geht hier nicht um ein entweder oder: Nachhaltige Mobilität findet bereits heute auf der Straße statt: Busverkehre, Radfahren, zu Fuß gehen, alternativ angetriebene Fahrzeuge. Künftig werden wir uns auch der Abdeckung der ersten und letzten Meile mit Shuttles und Anrufsammeltaxis widmen müssen und das wird ohne Straße nicht möglich sein.
126.000 Kilometer Straße sind wertvolle Infrastruktur, die es zu erhalten gilt und deshalb fordern wir eine Aufstockung der Mittel für den Erhalt unserer Straßen auf insgesamt mehr als 800 Millionen Euro pro Jahr. Das ist nachhaltig investiertes Geld.
Wieso rechnen sich Investitionen in Straßen? Laut der jüngsten ECONOMICA-Studie zur volkswirtschaftlichen Bedeutung der österreichischen Straßeninfrastruktur löst jeder investierte Euro in die Straßenerhaltung weitere 90 Cent an Investitionen aus. Nutznießerin ist letztlich nicht nur die Allgemeinheit, sondern vor allem auch die öffentliche Hand. Denn von den Gesamtinvestitionen in der Größenordnung 1,1 Milliarden Euro fließen rund 300 Millionen Euro an sie zurück.
Und was passiert, wenn wir einfach nichts tun? Wir leben bereits heute auf Kosten künftiger Nutzer, der Anteil schlecht erhaltener Straßen wird immer höher, Sicherheitsrisiken, gesperrte Straßen und Brücken sind die Folge. Wenn wir nicht bald mehr Geld in die Hand nehmen, kann das bis 2032 rund 23.000 Arbeitsplätze kosten und die Sanierungskosten steigen.
Warum? Weil, wenn wir nicht in die Instandhaltung unserer Straßen und Brücken investieren, werden Güter durch viele Behinderungen langsamer und teurer transportiert, Pendler kommen umständlicher zur Arbeit, und so weiter. All das bremst die Produktivität und setzt die Effizienz unseres Wirtschaftsstandorts aufs Spiel.
Ist es so dramatisch? Ja, seit der Jahrtausendwende sinken die Investitionen in Erhalt und Ausbau der Straßeninfrastruktur. Hinzu kommt, dass sich in den vergangenen Jahren schon folgender Trend zeigte: Es stehen weniger Straßenkilometer zur Verfügung, gleichzeitig steigt die Beanspruchung der verbleibenden Straßen.
Sind Straßen denn überhaupt noch sicher? Durch die Abnützung leidet der Zustand der Straße enorm. Die rückläufige Investitionstätigkeit der öffentlichen Hand geht eindeutig auch zu Lasten der Verkehrssicherheit. Außerdem gilt: Wer rechtzeitig saniert, saniert günstig. Werden Investitionen zu lange aufgeschoben, muss mittelfristig neu gebaut werden, und dann wird es so richtig teuer.
Konkrete Beispiele? Besonders kritisch ist das Ausfallen von Brücken. In der Regel sind damit massive Verkehrsprobleme verbunden. Für Verkehrsteilnehmer in Wien war zuletzt die Franzensbrücke gesperrt. Staus und Zeitverlust waren die Folge.
Was auf die Verkehrsteilnehmer in etwa drei Jahren zukommt, ist die Generalsanierung der Luegbrücke auf der Brennerautobahn. Ab 2025 wird die Brücke in jede Richtung nur noch einspurig befahrbar sein. Das Verkehrschaos ist vorprogrammiert.
Brücken sind ja besonders sensibel. Richtig. Bei Brückenbauwerken besteht dringender Handlungsbedarf. Wenn wir über die Grenze nach Deutschland schauen, zeigt sich, welche dramatischen Folgen die Sperre einer Autobahnbrücke haben kann: Wegen der gesperrten A45-Brücke verzeichnete das Klinikum Lüdenscheid in Nordrhein-Westfalen die Zunahme an Kündigungen seiner Beschäftigten. Eine gesperrte Brücke kann im schlimmsten Fall also sogar zu einem Engpass bei der medizinischen Versorgung führen.
Wie ist es in Österreich? In Österreich sieht es nicht viel besser aus: Vier Prozent der rund 17.000 österreichischen Brückenbauwerke sind mangelhaft oder in schlechtem Zustand. Jedes zweite Brückenbauwerk ist 40 Jahre alt oder älter. Das ist alarmierend und zeigt, dass Investitionen in die Erhaltung und Erweiterung von Straßen ernst genommen werden müssen.