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GovTechs bieten innovative Lösungen, um die digitale Transformation im öffentlichen Sektor voranzutreiben. Für die erfolgreiche Kollaboration braucht es auch neue Denkweisen und eine offene Kultur.
Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung ist ein Schwerpunkt der österreichischen Bundesregierung. Die kommende Pensionierungswelle im Bund, die gestiegenen Anforderungen an die Verwaltung und nicht zuletzt Anforderungen der Bürger an moderne Verwaltungsabläufe beschleunigen den Zug zum digitalen Amt.
Doch Abläufe und Prozesse zu modernisieren ist oft einfacher gesagt als getan, denn wie jeder vom eigenen Laptop weiß, tut die Technologie nicht immer, was man möchte. Fehlende Daten, ungenaue Prozesse, Softwarefehler und viele andere Aspekte wie etwa die Sicherheit der Daten im Netz verlangsamen den Modernisierungsprozess. Wenn wir dies nicht beachtet, oft um Jahrzehnte.
Zudem müssen neue Lösungen erst einmal entwickelt und sicher in eine IT-Infrastruktur eingebaut werden. Das alles gleichzeitig zu managen, überfordert IT-Abteilungen schon im privaten Sektor, in dem sehr oft nicht so viel am Spiel steht, wie es bei hoheitlichen Aufgaben der Fall ist.
Es gibt viele Möglichkeiten, die Komplexität, Digitalisierung im öffentlichen Sektor voranzutreiben, gut zu organisieren. Ein wesentlicher Punkt ist die Zusammenarbeit in Ökosystemen, denn „alles selber zu machen“ ist wahrscheinlich die schlechteste aller Ideen, wenn die Digitalisierung rasch umgesetzt werden soll. Das IT-Ökosystem besteht in Österreich aus tausenden Unternehmen, die innovative Lösungen für Gemeinden und den Bund anbieten, von den großen bekannten IT-Firmen bis zum kleinen Start-up um die Ecke. Es ist wichtig, Innovation als Ergebnis einer erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Land, Bund oder Gemeinde zu verstehen.
Lästige Arbeiten loszuwerden ist wichtig. Noch laufen zu viele Prozesse im öffentlichen Sektor manuell. Das bindet Arbeitskraft und demotiviert Mitarbeiter, insbesondere wenn diese Abläufe automatisiert werden können. Die Potenziale der Digitalisierung in der Verwaltung sind so vielfältig wie die anzuwendenden Technologien selbst: Robotic Process Automation, Virtual- oder Augmented Reality und zunehmend leistungsfähige Anwendungen von Künstlicher Intelligenz (KI) warten darauf, die Interaktion zwischen Verwaltung und Bürgern zu vereinfachen und Prozesse zu entschlacken.
Ganz Europa digitalisiert die Verwaltung. Im Vergleich zu anderen Ländern hat Österreich das Großprojekt „Digitalisierung der Verwaltung“ früh begonnen: Das Projekt PortalAustria als Cloud-Anwendung begann schon Anfang der 2000er-Jahre. Bereits 1997 wurde das Bundesrechenzentrum BRZ als privates Unternehmen in Staatshand ausgegliedert und agiert seitdem als nationale Digitalisierungsbehörde.
Führend in puncto Digitalisierung sind heutzutage die skandinavischen Länder Finnland und Dänemark. Sie schneiden in der Gesamtbewertung des Digital Economy and Society Index 2022 (DESI) der EU am besten ab. Österreich liegt im DESI-Ranking auf Platz 10 und ist damit über dem EU-Durchschnitt. Grund zum Ausruhen ist das allerdings nicht.
Achtung: Fachkräftemangel. Mit dem Damoklesschwert des Fachkräftemangels brauchen wir auch in der Verwaltung innovative Technologien für eine noch nie da gewesene Herausforderung. Laut dem WKÖ Arbeitskräfteradar ist der Fachkräftemangel so dramatisch wie nie zuvor. Hierzulande fehlen laut Studie aktuell 272.000 Arbeitskräfte quer über alle Branchen hinweg. Tendenz steigend.
Der clevere Einsatz von Technologie. In diesem Kontext spielen Technologie-Start-ups und GovTechs eine wichtige Rolle. GovTechs steht für Government Technologies, also Technologien und Lösungen, die für die öffentliche Verwaltung einen Mehrwert bringen. Viele der Ansätze kommen von Start-ups oder KMU, die agil handeln, sich auf konkrete Fragestellungen fokussieren und Schlüsseltechnologien der Zukunft entwickeln. Sie leisten einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zu einem modernisierten Staat: Die Verwaltung profitiert von der Innovation und Flexibilität der Start-ups, neue Technologien und disruptive Produkte nutzen zu können. Darüber hinaus steigern sie die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts und bündeln Wissen und Kompetenz. Doch wie finden und integrieren wir diese innovativen Lösungsansätze in der Verwaltung?
GovMarket: Match-Making zwischen Staat und Start-ups. Es gibt Unmengen spannender Lösungen, die die Digitalisierung in der Verwaltung vorantreiben können. Was allerdings fehlt, ist die Sichtbarkeit. Viele Gemeinden wissen nicht, welche Angebote bereits einsetzbar wären und bauen im schlimmsten Fall, was es ohnehin schon gibt. Hier setzt GovMarket an. Das Joint-Venture vom Start-up PUBLIC und der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC unterstützt öffentliche Einrichtungen bei der Beschaffung von innovativen Lösungen von Start-ups und KMU – passend zu den individuellen Fragestellungen rund um die digitale Verwaltung.
Im Online-Marktplatz werden kuratierte Lösungen registrierter Unternehmen kostenfrei vorgestellt, um ein lebendiges Innovationsökosystem zu fördern und die Beschaffung zu revolutionieren. Durch die Nutzung von vorhandenen Vergabeverfahren unterstützt GovMarket die Mitarbeitenden der Öffentlichen Hand und bietet Start-ups und KMU die Möglichkeit, langfristig mit der Verwaltung zusammenzuarbeiten. Neben einer erhöhten Transparenz und Vergleichbarkeit der Lösungen reduziert GovMarket so den Beschaffungs- und Integrationsprozess von Start-up-Produkten von etwa 22 Monaten auf wenige Wochen.
Aktuell arbeitet GovMarket beispielsweise an einem Projekt mit dem Bundesrechenzentrum BRZ, um die Zusammenarbeit mit Start-ups auch in Österreich zu vereinfachen. Konkret geht es um die Frage, wie digitale Veranstaltungen mit Hilfe von Virtual Reality und anderen digitalen Tools aufgebaut und verbessert werden können.
Was können GovTechs eigentlich? Die Anwendungen von GovTechs sind breit gefächert. Drei Beispiele zur Verdeutlichung: Die niederländische Vergabe-Plattform TenderNed setzt auf eine “tell-us-once” Policy. So müssen KMU ihre Daten nur einmal eingeben – das eliminiert langwierige Prozesse rund um die Anmeldung und baut Barrieren ab. Das Start-up Shift Studio bietet Prozessvorlagen, mit dem Verwaltungsprozesse schnell und einfach selbst digitalisiert werden können. Viarsys, ein österreichisches Start-up, gestaltet Meetingräume, einmalige Showrooms oder innovative Ausbildungsprogramme in der virtuellen Welt.
So klappt die Umsetzung digitaler Lösungen. Den Kern der Verwaltung definieren die Mitarbeiter. Diese für die Transformation zu gewinnen, ist Schlüssel zum Erfolg. Daher braucht es für die digitale Transformation auch einen gewissen Kulturwandel in der Verwaltung, der bestehende Denkmuster hinterfragt und neue Gedanken, Ideen und eine gesunde Lernkultur fördert. Das ermöglicht auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit, insbesondere zwischen Fachbereichen und IT. Denn: Diversität in unterschiedlichen Ansätzen und Denkweisen schafft Erfolg.
Je eher der öffentliche Sektor daher die Hand zur Wirtschaft ausstreckt und in Ökosystemen denkt und umsetzt, umso rascher gelingt die erfolgreiche Digitalisierung und umso wichtiger wird der digitale Wirtschaftsstandort Österreich.
Über die Autoren
Jana Janze, Geschäftsführerin von GovMarket
Seit 2022 ist Jana Janze Geschäftsführerin von GovMarket, einem Joint-Venture zwischen PUBLIC und PwC, mit Sitz in Berlin. In den vergangenen 15 Jahren hat sie Innovations- und Digitalisierungsprojekte im öffentlichen Sektor vorangetrieben
Andreas Hladky, Partner und Leiter Digital Consulting bei PwC Österreich
2008 gründete Andreas Hladky Österreichs erstes Beratungsunternehmen für den digitalen Wandel, welches seit 2020 Teil von PwC ist. Mit seinem Team unterstützt er Unternehmen aus allen Branchen bei der Digitalisierung und Geschäftsmodell-Innovation.