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Ob an Land, im Wasser oder in der Luft – die biologische Vielfalt gerät durch intensive Landnutzung, Verbauung, Überdüngung und Schadstoffbelastung in Bedrängnis. Das Umweltbundesamt analysiert diese Entwicklungen und unterstützt Entscheidungsträger mit Fachwissen, wie gegengesteuert werden kann. Von DI Dr. Helmut Gaugitsch, fachliche Leitung Biodiversität im Umweltbundesamt
Von den etwa 54 000 Tierarten in Österreich sind ca. 40 000 Arten Insekten. Sie leben in allen Lebensräumen, von den Salzlacken des Seewinkels bis auf den höchsten Berggipfeln. Die kleinen Tiere leisten Großes, etwa bei der Bestäubung von Pflanzen, der Schädlingskontrolle, beim Abbau organischer Stoffe sowie als Nahrungsgrundlage für andere Tiere. Umfassende Analysen über Bestand und Gefährdung bestimmter Insektengruppen waren bislang nicht verfügbar. Das Umweltbundesamt hat den Zustand von Hummeln, Ameisen und Wanzen genauer unter die Lupe genommen und Schutzmaßnahmen analysiert.
Das Ergebnis: Etwa 10% der Hummel- und Ameisenarten sowie 5% der Wanzenarten in Österreich sind vom unmittelbaren Aussterben bedroht. Damit sind auch die oben genannten wichtigen Leistungen dieser Organismen gefährdet. Mehr als 25% der Hummel-, Ameisen und Wanzenarten sind in ihrem Bestand gefährdet, für mehr als 10% gilt die Vorwarnstufe. Der Eintrag von Luftschadstoffen, immer weniger Grünland, veränderte landwirtschaftliche Nutzungen sowie Dünge- und Pflanzenschutzmittel zählen zu den wesentlichen Faktoren, die diese Gruppen und andere Insekten in Bedrängnis bringen.
Schadstoffe setzen Wildtieren zu. Der Schadstoffbelastung sind die Experten des Umweltbundesamts in einer Vielzahl von Organismen auf der Spur, von Insekten, über Fische bis hin zu Säugetieren. Im Projekt „PureAlps“ sind das Bayerische Landesamt für Umwelt und das Umweltbundesamt zwischen 2016 und 2020 der Schadstoffbelastung von Organismen im bayerisch-österreichischen Alpengebiet nachgegangen. Gemessen wurden Quecksilber und sogenannte POPs, langlebige, organische Schadstoffe mit toxischer Wirkung, die sich in Organismen über die Nahrungskette anreichern. Dazu zählen Subtanzen wie Dioxine, Furane, Flammschutzmittel und perfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS). Sie wurden in Bienen, Hummeln, Fischen, Gämsen und Füchsen nachgewiesen. Fische und Wasservögel (Haubentauchern) waren deutlich höher belastet. Die Untersuchung von Schadstoffen soll im Rahmen des Projektes „PureAlps Monitoring“ ab 2024 fortgesetzt werden.
In einem weiteren, gemeinsamen Projekt untersuchten die bayrischen und österreichischen Experten, inwieweit chemische Stressoren die Insekten im Alpenraum beeinträchtigen. Insbesondere gingen sie in „ProtectAlps“ der Belastung mit POPs und Stickstoff nach. Das Ergebnis: Über 40 verschiedene Stoffe wurden an den Forschungsstandorten Zugspitze und Sonnblick in den Tieren nachgewiesen. Darüber hinaus spiegelt sich die Düngung von Pflanzen im Tal auch in höher gelegenen Alpenstandorten und zeigt negative Rückwirkungen auf Insekten. In mehr als 150 Pflanzenarten wurden schädliche Stickstoff-Einträge gefunden.
Rattengift in Vögel, Füchsen, Fischen. Rodentizide sind biozide Wirkstoffe aus der Gruppe der Blutgerinnungshemmer, die zur Bekämpfung von Ratten und Mäusen eingesetzt werden. Sie sind sehr giftig, langlebig und reichern sich in der Nahrungskette an. Das kann anderen Tieren zum Verhängnis werden. Monitoringdaten von Umwelt und Wildtieren fehlen bislang. Das Umweltbundesamt hat in einer Studie erstmals die weite Verbreitung dieser Stoffe in Nichtzielarten wie Füchsen und Eulen in Österreich gezeigt. Der Nachweis in Fischen belegt einen Eintrag dieser Substanzen auch in aquatischen Ökosysteme.
Maßnahmen auf dem Prüfstand. Die Experten des Umweltbundesamts haben zuletzt in einer Gefährdungsanalyse für Hummel-, Ameisen- und Wanzenarten dringend notwendige Maßnahmen gegen den Verlust der Vielfalt unter die Lupe genommen. Dabei zeigt sich, dass die meisten gefährdeten Arten dieser Insektengruppen von einer Reduktion des Schadstoffeintrags aus verschiedenen Quellen profitierten. Dazu zählt vor allem der Eintrag von Stickstoff, der aus der Landwirtschaft, aus dem Verkehr und aus der Nutzung fossiler Energie stammt. Rund 42% der gefährdeten Insektenarten würden von einer Reduktion des Stickstoffeintrags profitieren. Auch Maßnahmen, die die landwirtschaftliche Bewirtschaftungspraxis betreffen, sind wichtig für den Insektenschutz. Dazu zählt, extensive Landbewirtschaftung zu erhalten und wiederherzustellen sowie Düngung und Pestizideinsatz zu reduzieren.
Der Klimawandel verstärkt die Gefährdungsfaktoren vielfach und erhöht den Druck auf viele Insektengruppen. Auf verschiedenen Wegen kann den Insekten insgesamt geholfen werden, etwa durch ökologischen Landbau, durch Altholzinseln in Wirtschaftswäldern, durch insektenfreundlichere Gärten und durch Reduktion von Treibhausgas-Emissionen.
Biodiversitäts-Strategie Österreich 2030+. Maßnahmen wie diese sind in der Biodiversitäts-Strategie Österreich 2030+ gebündelt. Sie hat das Ziel, die biologische Vielfalt von Tieren, Pflanzen und Lebensräumen zu erhalten und klimabedingte Veränderungen bestmöglich auszugleichen. Denn die biologische Vielfalt ist die Grundlage für Lebensqualität und Wohlstand. Diese Grundlagen gilt es zu sichern – für uns und unsere zukünftigen Generationen.
Jetzt mitmachen beim Natur beobachten und schützen!
Das Umweltbundesamt lädt zum Mitmachen im Rahmen eines Citizen-Science-Projektes ein! Ab sofort können Hobby-Forscher ihre Beobachtungen zu geschützten Tieren und Pflanzen sowie zu ausgewählten gebietsfremden Arten durch die Naturbeobachtungs-App iNaturalist der Forschung zur Verfügung stellen. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag, um die Verbreitung dieser Arten in Österreich zu erheben.
» www.inaturalist.org/projects/fokus-arten-fuer-den-naturschutz-in-oesterreich und
» www.inaturalist.org/projects/gebietsfremde-arten-von-eu-weiter-bedeutung-in