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Fatale Dimensionen

Die Kosten für klimabedingte Schäden und Klimawandelanpassungen sind schon heute enorm und sie werden in den nächsten Jahren richtig gigantische Dimensionen erreichen. Allein die notwendigen Investitionen für Klima- und Energiewende werden bis 2030 auf 145 Milliarden Euro geschätzt. Von Alexandra Keller

Den klimabedingten Kosten der Gebietskörperschaften vor diesem Hintergrund nicht die entsprechende Aufmerksamkeit zu widmen, die FAG-Verhandlungen nicht für eine Optimierung der Zusammenarbeit zu nutzen und effektvolle Investitionen nicht wichtiger zu nehmen, als Strafzahlungen, kann sich übel rächen. Auf allen Ebenen.

Prioritäten können ziemlich entlarvend sein. So auch diese. Eine Forderung des Bundes in den laufenden Verhandlungen zum neuen Finanzausgleich bezieht sich auf die Käufe von Klimazertifikaten beziehungsweise die Strafzahlungen. Sie werden mit an 100-prozentiger Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf Österreich zukommen, weil die EU-Klimaziele nicht erreicht werden. Bisher gilt, dass diese Kosten vom Bund zu 80 Prozent und von den Ländern zu 20 Prozent getragen werden. Geht es nach den Bundeswünschen, sollen auch die Gemeinden für die Versäumnisse büßen – und zwar mit einer Beteiligung in Höhe von 11,849 Prozent. „Der Bund möchte, dass Länder und Gemeinden gemeinsam ein Drittel der Kosten tragen. Das ist ihnen wichtig. Es wird aber nicht darüber diskutiert, wie diese Zertifikatskäufe verhindert werden könnten. Das wäre der wichtigere Punkt“, sagt Karoline Mitterer, Expertin beim Zentrum für Verwaltungsforschung – KDZ. Wichtiger wäre dieser Punkt, weil mit der Verhinderung der Strafzahlungen automatisch echte Klima-Effekte gesetzt werden würden, doch damit hat Österreich so seine Probleme. Teure Probleme.

Ziele werden sicher verfehlt. Im Frühjahr 2021 hatte der Rechnungshof in einem Bericht festgehalten, dass Österreich mit den bis Ende 2019 gesetzten Maßnahmen die Klimaziele der EU für 2030 und 2050 nicht nur knapp, sondern so richtig arg verfehlen wird. Die Prüfer errechneten damals, dass allein die bis 2030 notwendigen Straf- beziehungsweise Kompensationszahlungen mit bis zu 9,2 Milliarden Euro zu Buche schlagen werden. Die Maßnahmen, die ÖVP und Grüne zum Zeitpunkt der Berichterstellung angekündigt hatten, waren zwar nicht einberechnet worden, doch ist davon auszugehen, dass die erste Abrechnung der Gesamtemissionen für die Periode 2021 bis 2030, die im Jahr 2027 erfolgt, satt sein wird.

Der Bund scheint sich jedenfalls darauf vorzubereiten und hätte gerne, dass auch die Gemeinden für die miserable Performance zahlen. Die Verhinderung der Zahlungen durch effektive Maßnahmen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes scheinen hingegen nicht so wichtig, was weder für die kommunalen Budgets noch für die Umwelt ein gutes Omen ist. „Es ist wirklich sehr schade, dass für Klimathemen keine eigene Arbeitsgruppe bei den Finanzausgleichs-Verhandlungen eingerichtet wurde. Das wäre der richtige Rahmen gewesen, mehr Bewegung in diese Themen zu bekommen und die Zusammenarbeit beziehungsweise Abstimmung der Gebietskörperschaften auf neue Beine zu stellen“, gibt sich Karoline Mitterer wenig zuversichtlich, dass der neue FAG den nötigen Push in diese Richtung bringt.

Die Klimawandelanpassung wird teuer. Im Zusammenhang mit den Kosten für klimarelevante Investitionen schwirrt eine Vielzahl an Zahlen herum und keine von ihnen lässt die Gebietskörperschaften auf ruhige budgetäre Fahrwasser hoffen. Gemäß einer Schätzung des Umweltbundesamtes belaufen sich die notwendigen Investitionen für die Klima- und Energiewende auf rund 145 Milliarden Euro bis 2030. Die Kosten für das Nicht-Handeln in der Klimapolitik sind auch abseits der eingangs erwähnten Strafzahlungen beträchtlich. So hat Nina Knittel vom Wegener Center der Universität Graz im Rahmen der KDZ-Impulskonferenz 2022 zur Frage „Wie klimafit ist der Bundesstaat“ festgehalten, dass die Wetter- und klimabedingten Schäden aktuell jährlich bei zumindest zwei Milliarden Euro liegen und das Land sich um das Jahr 2050 herum auf 10 bis 12 Milliarden Euro jährlich vorbereiten muss. Die Kosten für Klimawandelanpassung belaufen sich aktuell bei rund einer Milliarde Euro jährlich und werden sich bis 2050 mehr als verdoppeln, wobei erderhitzungsbedingte Naturkatastrophen in den Jahren dieser sich häufenden „Heimsuchungen“ zu überdurchschnittlichen Kosten führen werden. Dieser Teufelskreis wird logischerweise durch jene Maßnahmen befeuert, die nicht umgesetzt werden und es muss fast zwingend davon ausgegangen werden, dass die „Klima-Ausgaben“ die Gebietskörperschaften massiv in die Zange nehmen.  

Da kommt was auf die Gemeinden zu. „Wir haben auf Gemeindeebene zwei große Brocken. Der eine ist der Klimaschutz und der andere die Klimawandelanpassung. In beiden Bereichen werden hohe Kosten auf die Gemeinden zukommen“, sagt Karoline Mitterer. Die Klimaschutzkosten sind jene, die eine CO2-Reduktion zum Ziel haben, und die derart facettenreich und investitionsintensiv sind, dass Bürgermeister die Luft anhalten müssen. Schnappatmung ist jedenfalls allein bei der Energieeffizienz in Gebäuden angesagt, in Gebäuden, die den Kommunen gehören, die saniert und mit Energie- beziehungsweise Heizsystemen ausgestattet werden müssen, die so wenig klimaschädlich wie möglich sind.

Alternativen zu fossilen Quellen in Gemeindebauten zu installieren ist ein Kraftakt, der nicht nur die Budgets herausfordert, sondern auch die Bauunternehmen, die angesichts der potenziellen Auftragsflut in Kombination mit dem Facharbeitermangel schon jetzt an die Grenzen des Möglichen und Machbaren stoßen.
Während es im ländlichen Raum vielleicht noch zu stemmen ist, mit Hackschnitzelanlagen oder Wärmepumpen mehrere Häuser zu versorgen, gibt es in den Städten, die keine Fernwärme nutzen können, noch keine echte Alternative zum Gas. „Da kommt noch viel auf die Gemeinden zu, sowohl, was die Gebäude betrifft, als auch die vielen Gemeindewohnungen, die sehr unterschiedliche Sanierungsraten haben“, sagt Karoline Mitterer und ergänzt: „Es ist auch noch nicht klar, was genau passieren muss, weil die EU-rechtlichen Regelungen noch nicht in ausreichendem Maße auf nationaler Ebene umgesetzt wurden.“

Gesamthafte Zahlen zur Ausgangssituation, in denen auch der Gebäudezustand berücksichtigt wird, gibt es noch keine. Außer in Graz, wo diese Zahlen Teil der Klimaschutzstrategie sind,muss im Zusammenhang mit einem großen Überblick im Dunkeln getappt werden und Karoline Mitterer meint: „Manche Gemeinden schaffen es gut, die Gebäude zu sanieren. Andere Gemeinden, denen es finanziell nicht so gut geht, schaffen das überhaupt nicht, da sind die Zustände eher miserabel.“
Und weitere Finanzierungslücken. Als eher miserabel kann auch die finanzielle Ausgangssituation beziehungsweise Planungssicherheit im Zusammenhang mit den Kosten für die Klimawandelanpassung beschrieben werden. Dazu zählen Maßnahmen zum Katastrophenschutz, die beim Hochwasserschutz eine traditionell solide Finanzierungsbasis haben. Bei den anderen Maßnahmen sieht es allerdings anders aus. Um die Kommunen klimawandelfit zu machen und die Einwohner vor den fatalen Auswirkungen der gestiegenen und weiter steigenden Temperaturen zu schützen, muss flächendeckend entsiegelt werden, gekühlt oder begrünt. Allein, einen einzigen Baum in einer Stadt zu pflanzen kann bis zu 30.000 Euro kosten. „Es ist richtig teuer, das Grün in die Stadt zu bekommen“, weiß die KDZ-Expertin, die auch beim öffentlichen Verkehr und den gemeindeeigenen Fuhrparks enormen Investitionsbedarf ortet.

Bis 2030 sollen beispielsweise die städtischen Öffi-Fahrzeuge weitgehend sauber sein, also mit Strom oder Wasserstoff betrieben werden. 65 Prozent ist hier das Ziel und es muss von den Städten genauso ambitioniert verfolgt werden wie der Umbau der kommunalen Fahrzeugflotte. Im Rahmen der Dekarbonisierung ist in allen Gemeindestuben längst bekannt geworden, dass ein E-Auto das Dreifache eines fossil betriebenen kostet. Ein genau in diese Richtung wirkendes Förderprogramm macht es zwar leichter, doch gibt es in dem Zusammenhang einen richtig großen Haken, der es auch den willigsten Städten erschwert, die Fördergelder abzuholen. „Man darf nicht vergessen, dass man auch die Infrastruktur braucht“, sagt Karoline Mitterer. Sie spricht die Ladeinfrastruktur an, die logischerweise die Basis dafür ist, mit den sauberen Fahrzeugen fahren zu können. Und sie spricht die Betriebsgaragen beziehungsweise Betriebshöfe an, für die – etwa in puncto Brandschutz – ganz andere Anforderungen erfüllt werden müssen.

Diese nicht unwesentlichen Links zur karbonfreien kommunalen Mobilität werden jedoch kaum bis gar nicht gefördert. Mitterer: „Es wurde bei der Erstellung nicht bedacht, dass man auch die Infrastruktur braucht, ohne die das ganze keinen Sinn macht.“ Sinn macht das echt nicht, und wird diese Finanzierungslücke nicht geschlossen, droht das saubere Vorhaben zu scheitern. Mitterer geht davon aus, dass auch das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) das weiß und dass dort versucht wird, Lösungen zu finden. Wenn nicht, darf die Schatulle für drohende Strafzahlungen gleich sattsam weitergefüllt werden – mit viel Geld, das sinnloser nicht sein könnte.

Zu wenig Förderungen. Irre wird dieser teure Reigen dann, wenn die Kosten für das Nichthandeln auch abseits der Zertifikatskäufe betrachtet werden. Die Klimawandelanpassungskosten sind jene, die in der öffentlichen Diskussion und auch bei den Finanzausgleichs-Verhandlungen kaum beachtet werden. Und das trotz der Unsummen, die etwa Straßen verschlingen, die den höheren Temperaturen standhalten müssen, oder Kanalsysteme, die für den Fall von Hochwasserereignissen ein höheres Volumen brauchen und im trockenen Sommer zudem öfter gespült werden müssen. Die schon erwähnte, urteure Begrünung oder Kühlung der urbanen Hitzepole sind weitere Großvorhaben, die noch keinen angemessenen Förderrahmen haben, um das urbane Mikroklima mit blauer und grüner Infrastruktur flächendeckend zu verbessern. Und das, obwohl es hier nicht um ästhetische Fragen geht, sondern ganz brutal darum, dass die Bewohner der Städte die zunehmend tropischen Zustände unbeschadet überleben.

„Es gibt Förderungen, etwa vom Klima- und Energiefonds, doch greifen die meist auf der strategischen und konzeptiven Ebene“, sagt Mitterer. Ein derartiges, vom Klima- und Energiefonds angekicktes Pilotprojekt, wurde beispielsweise in Innsbruck umgesetzt. Unter dem Titel cool INN wurde ein Hitzepol der Alpenstadt recht gefinkelt entsiegelt und dann mit Wasserelementen zu neuem Leben erweckt. Der kühle Magnet ist ein Experimentierfeld, das wissenschaftlich und technisch begleitet wird, auch um es kopierbar zu machen. Leuchttürme wie dieser werden gefördert, doch gibt es noch keine Schiene, um sie in die Breite zu tragen und eine Trendwende einzuläuten.

KDZ fordert Investitionsfonds.  Von den Geldern des Kommunalen Investitionsprogrammes 2020 (KIP 2020) sind lediglich knapp 20 Prozent in Klimaschutz und Klimawandelanpassung geflossen. Das ist zu wenig. Das KIP 2023 sieht diesbezüglich eine Zweiteilung vor. 50 Prozent beziehungsweise 500 Millionen Euro werden speziell für energieeffiziente Maßnahmen herangezogen, was wiederum heißt, dass die Gemeinden ihre Bemühungen verfünffachen müssen, damit sie das Geld auch tatsächlich abholen können. 50 Prozent müssen die Gemeinden schließlich selber aufbringen, doch ist das KIP zumindest ein positiver, wenngleich zeitlich befristeter Treiber. „Es wäre wichtig, da etwas Konstantes zu haben“, sagt Karoline Mitterer und verweist auf die schon alte Forderung des KDZ, einen kommunalen Investitionsfonds einzurichten, der den Kommunen einfach zugängliches Geld sowie Planungssicherheit bietet, um den doch recht verfahrenen Klima-Karren in die richtige Richtung fahren zu lassen.

Um einen derartigen Fonds einzurichten und mit ausreichenden Mitteln zu füllen, muss der politische Wille gegeben sein. Dafür wäre eine funktionierende Regierung recht praktisch. Die Verantwortlichen könnten dabei jedenfalls auf die Arbeit anderer zurückgreifen, die es schaffen, Licht in den Tunnel des finanziellen Klimadilemmas zu bringen. Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung WIFO hat mit der Studie „Klimakontraproduktive Subventionen in Österreich“ im Dezember 2022 eine Steilvorlage mit extrem viel Sinn geliefert. Für die Studie wurde untersucht, welche Subventionen mit negativen Klimaeffekten es in Österreich gibt. „Im Durchschnitt der letzten Jahre belief sich das Volumen der klimakontraproduktiven Förderungen in Österreich auf 4,1 bis 5,7 Milliarden Euro jährlich“, heißt es in der Studie – und: „Seit Jahrzehnten wird auf (internationaler) politischer Ebene und in der Wissenschaft über die Identifizierung und Reform von Subventionen mit negativen Klimaauswirkungen diskutiert. Solche Subventionen konterkarieren Klimaschutzbemühungen, widersprechen dem Verursacherprinzip und verstärken Marktverzerrungen und den ‚Carbon lock-in‘.“
Mit etwa der Hälfte entfällt der größte Teil der umweltschädlichen Subventionen auf den Verkehrssektor, auf den Bereich Energie etwas mehr als ein Drittel und knapp 14 Prozent auf den Bereich Wohnen. Der Verkehr ist spannend. Auf ihn entfallen Förderungen von 2,0 bis 2,2 Milliarden Euro pro Jahr, die über die Mineralölsteuerbegünstigung für Dieselkraftstoff, die Pendlerförderung oder die pauschale Dienstwagenbesteuerung zu drei Vierteln dem Straßenverkehr zugutekommen und zu einem Viertel dem Flugverkehr. „Die Steuerbegünstigung bestimmter Kraftstoffe bzw. der Nutzungskosten bestimmter Verkehrsträger senkt deren Kosten sowie die Kosten des Verkehrs insgesamt. Dies verringert die ökonomischen Anreize, sparsamere Fahrzeuge anzuschaffen, Fahrzeuge effizienter zu nutzen oder auf andere Verkehrsmittel umzusteigen“, halten die WIFO-Autoren fest und KDZ-Expertin Karoline Mitterer sagt: „Es ist eine Frage der Prioritätensetzung und da ist die Politik gefragt. Doch dafür müsste sie über Abstriche entscheiden und das macht die Politik ungern.“ So wenig es auch überraschen mag, dass Sachpolitik den tages- und parteipolitischen Befindlichkeiten in straffem Takt zum Opfer fällt – im Klimabereich ist dieser Zustand richtig gefährlich. Weil zu viel Zukunft darin steckt. Viel zu viel für falsche Prioritäten.