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Der Begriff ESG ist ein Akronym aus den englischen Wörtern Enviromental, Social und Governance und bezeichnet ein Konzept, das Unternehmen dazu anregen soll, in ihren Entscheidungen Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsfaktoren zu berücksichtigen.
Die Relevanz dieses Themas wird in den kommenden Jahren stetig wachsen, da die EU bis zum Jahr 2028 stufenweise einer Vielzahl an Unternehmen im europäischen Raum und sogar darüber hinaus eine sogenannte ESG-Reportingpflicht, d.h. eine Pflicht zur Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsberichten, auferlegen wird.
Wofür steht ESG?
• Environmental ist die Kategorie, in der alle ökologischen Auswirkungen des Wertschöpfungsprozesses in den Blick genommen werden. Unternehmen sind etwa angehalten, das Klima zu schützen, Wasserverschmutzungen zu verhindern und Biodiversität zu fördern.
• Social hingegen beurteilt alle sozialen Aspekte in einem Unternehmen. Dazu zählen Gleichstellung, Sicherheit und Gesundheit oder Umgang mit Mitarbeitern.
• Governance schließlich beschäftigt sich mit der Unternehmensführung. Hier geht es um Themen wie Aufsichtsstrukturen, Compliance und Korruption.
Warum kommt ESG? In der EU-Richtlinie zur unternehmerischen Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive/ CSRD) werden als Gründe für diese neue Reportingpflicht übergeordnete Ziele wie Klimaneutralität, nachhaltiges und inklusives Wachstum und die Förderung von Transparenz und Langfristigkeit in der Finanz- und Wirtschaftstätigkeit genannt. Bis Mitte 2024 ist diese Richtlinie, die regelt, welche Unternehmen ab wann verpflichtet sind, Nachhaltigkeitsberichte zu veröffentlichen, und welche Organe die inhaltliche Richtigkeit dieser Berichte prüfen werden, von den Mitgliedstaaten umzusetzen. Da aus den Nachhaltigkeitsberichten auch ersichtlich sein wird, ob und inwieweit sich die Zulieferer eines Unternehmens an ESG-Standards halten, soll eine nachhaltige Veränderung in der Wertschöpfungskette bewirkt werden.
„Greenwashing“ ist ein Problem.Der Begriff Nachhaltigkeit wurde bisher von vielen Unternehmen gebraucht, ohne dass es einen einheitlichen Standard gab, ab wann wirkliche Nachhaltigkeit gegeben ist. Dadurch kam es auch vermehrt zum sogenannten „Greenwashing“, also der Vermarktung von klimaschädlichen Tätigkeiten oder Produkten als klimaneutral oder sogar klimafreundlich. Um dies zu bekämpfen, liefert nun die EU-Taxonomie-Verordnung einen Maßstab. Sie legt fest, welche Tätigkeiten als nachhaltig anzusehen sind und welche nicht. Doch auch hier gibt es nicht immer klare Ergebnisse. Derzeit wird in diesem Zusammenhang etwa diskutiert, ob Energiegewinnung mittels Kernkraft aufgrund der geringen CO2-Emissionen als nachhaltig einzustufen ist.
Klimafreundliche Vergabeverfahren. Österreich hat das Ziel, bis 2040 klimaneutral zu werden. Ohne Mitwirken der Gemeinden ist dies jedoch nur schwer zu realisieren. Dass die Gemeinden durchaus Interesse daran haben, nachhaltiger und energieeffizienter zu wirtschaften, zeigt sich an der regen Beteiligung am e5-Programm, welches Gemeinden bei der Klimaschutzarbeit unterstützt. Auch bei der Vergabe von Aufträgen könnten Gemeinden künftig an der Erreichung dieses Zieles mitwirken. Durch den nationalen Aktionsplan für nachhaltige Beschaffung (naBe) werden ökologische Aspekte im Vergaberecht bereits berücksichtigt. Durch die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsberichten in die Vergabeentscheidung würde jedoch die gesamte Wertschöpfungskette berücksichtigt werden. Dadurch ergibt sich aber ein neues Spannungsfeld. Beispielsweise könnten Gemeinden mit dem Argument, langen Transportwegen vorzubeugen, lokale Unternehmen bevorzugen und dadurch das vergaberechtliche Diskriminierungsverbot umgehen. Die vergleichsweise strenge Umwelt- und Sozialgesetzgebung in Österreich wird österreichische Betriebe in puncto ESG grundsätzlich gut abschneiden lassen. Wenn Gemeinden die Nachhaltigkeitsberichte der Bieter als weiteres Kriterium für ihre Vergabeentscheidung heranziehen, ist daher zu erwarten, dass die regionale Wirtschaftsleistung gestärkt wird. Auch hier muss jedenfalls darauf geachtet werden, dass es zu keiner Diskriminierung von Bietern außerhalb Österreichs kommt. Der Rückgriff auf ESG kann daher Gemeinden Möglichkeiten bieten, die das Vergaberecht so derzeit noch nicht vorsieht. Dennoch muss unbedingt darauf geachtet werden, dass die vergaberechtlichen Vorgaben eingehalten werden. Eine eingehende Auseinandersetzung mit diesen Fragen ist daher jedenfalls geboten.