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 Foto: Christin Klose  - Adobe Stock

Gemeindefinanzen bis 2027 – finanzielle Spielräume der Gemeinden auf Niveau des Krisenjahres 2020

Die Prognose der Gemeindefinanzen zeigt trotz des neuen Finanzausgleichs weiterhin eine Einnahmen-Ausgabenschere. Ohne Gegensteuerungsmaßnahmen ist davon auszugehen, dass rund jede zweite Gemeinde eine negative freie Finanzspitze haben wird. Von Peter Biwald und Karoline Mitterer, KDZ

Damit wird es auch schwierig, die erforderlichen Investitionen – insbesondere beim Klimaschutz und im Mobilitätsbereich – zu finanzieren. In den nächsten Jahren ist eine höhere Zahl an Abgangsgemeinden zu erwarten. Dies sind Gemeinden, die
de facto keine eigenen finanziellen Spielräume zur Finanzierung von Vorhaben und damit zur Gestaltung der Gemeinde haben.

Mittelfristig geringere Finanzierungsspielräume. Das KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung hat im Auftrag des Österreichischen Städtebundes eine Prognose zur Entwicklung der Gemeindefinanzen bis zum Jahr 2027 erstellt. Unter Berücksichtigung aktueller Prognosegrundlagen (z.B. WIFO www.wifo.ac.at/themen/konjunktur/kurz-_und_mittelfristige_prognosen/mittelfristige_prognose, BMF) und der Ergebnisse des Finanzausgleichs wird die Liquidität 2023 und in den Folgejahren auf einem ähnlich geringen Niveau wie im Krisenjahr 2020 liegen.

Um Investitionen tätigen zu können, benötigt es Überschüsse im laufenden Bereich. Während vor der Krise regelmäßig Überschüsse (Öffentliche Sparquote - ÖSQ www.offenerhaushalt.at/quicktest) von 13 bis 15 Prozent erzielt wurden, werden es mittelfristig nur mehr 5 bis 9 Prozent sein. Damit stehen deutlich weniger Eigenmittel für Investitionen zur Verfügung.

Jede zweite Gemeinde wird Abgangsgemeinde. 2024 werden die Ausgaben deutlich stärker steigen als die Einnahmen. Dies ist primär auf zwei Faktoren zurückzuführen: Erstens werden die Ertragsanteile, welche knapp 40 Prozent der Einnahmen der Gemeinden ausmachen, 2024 bis 2027 aufgrund von Steuerreformen und Entlastungspaketen des Bundes nur um 2,5 bis 4,9 Prozent p.a. steigen.

Zweitens sind die Städte und Gemeinden mit hohen Ausgabensteigerungen konfrontiert. Zu nennen sind insbesondere inflationsbedingte Anstiege bei Sach- und Personalkosten. Auch die Ko-Finanzierungsleistungen der Gemeinden in den Bereichen Gesundheit und Soziales entwickeln sich aufgrund von Demografie und Preissteigerungen äußerst dynamisch. Mit 4 bis 5 Prozent Einnahmensteigerung p.a. sind Ausgabensteigerungen von 6 bis 10 Prozent p.a. nicht bedeckbar.

In Summe wird dies dazu führen, dass die Anzahl an Abgangsgemeinden signifikant steigen wird. Ohne Gegensteuerungsmaßnahmen zeigt die Prognose, dass 2024 jede zweite Gemeinde eine negative freie Finanzspitze haben wird und als Abgangsgemeinde gewertet werden kann. Es bleibt abzuwarten, welche Konsequenzen daraus gezogen werden. Einerseits wird es notwendig sein, die Finanzierung der kommunalen Daseinsvorsorge abzusichern, andererseits werden Themen wie Effizienzsteigerung, aber auch Leistungskürzungen an Bedeutung gewinnen müssen.

Investitionen: Dem Rückgang gegensteuern. Damit sinken auch die finanziellen Spielräume für Investitionen, da die Gemeinden ihre Eigenmittelanteile nicht mehr aufbringen können. Insbesondere im Bereich Klimaschutz und Klimawandelanpassung bestehen hohe Investitionsbedarfe, welche nach aktuellem Stand kaum realisierbar sein werden. Zu nennen sind etwa die Erreichung einer 3-prozentigen Sanierungsrate bei kommunalen Gebäuden (gemäß Finanzausgleichsgesetz 2024) oder die Umsetzung der Mobilitätswende (etwa durch den Ausbau von innerstädtischen ÖV-Angeboten oder die Umstellung der Fahrzeuge auf umweltfreundliche Antriebe).

Es wird daher notwendig sein, die kommunalen Investitionen gut im Blick zu haben und entsprechende Gegensteuerungsmaßnahmen zu installieren. Auch sollte eine weitere Schwächung der ohnehin bereits angeschlagenen Bauwirtschaft vermieden werden. Die Installierung eines kommunalen Klimainvestitionsfonds könnte hier ein möglicher Schritt sein.

Mittel für die Kernaufgaben der Gemeinden schmelzen. Für die dynamischen Aufgabenbereiche Gesundheit, Pflege und Kinderbetreuung wurden im Finanzausgleich 2024 zusätzliche finanzielle Mittel für Länder und Gemeinden zur Verfügung gestellt, da deren Finanzierbarkeit sonst gefährdet gewesen wäre. Dabei erfolgt auch eine Valorisierung der Zusatzmittel (WIFO-Mittelfristprognose plus zwei Prozentpunkte), was angesichts der hohen Dynamik in diesem Bereich positiv hervorzustreichen ist. Für die Gemeinden verbleibt jedoch die Frage, wieviel von diesen Mitteln schlussendlich auch als Entlastung im Bereich Ko-Finanzierungsverpflichtungen der Gemeinden (Umlagenzahlungen für Gesundheit und Pflege) ankommen.

In den meisten Bundesländern sind für 2024 Umlagensteigerungen von über 10 Prozent gegenüber 2023 vorgesehen. Bis 2027 könnten bereits über 70 Prozent der Ertragsanteile der Gemeinden über den Weg der Umlagen an die Länder gehen (2018 lag der Anteil bei 60 Prozent). Dies ist eine permanente Verschlechterung der Einnahmenbasis der Gemeinden, sodass immer weniger Mittel aus dem großen Topf der Ertragsanteile für die Kernaufgaben der Gemeinden verbleiben.

Zukunftsfonds: Ein wichtiger Schritt. Aber es reicht nicht. Beim neu installierten Zukunftsfonds handelt es sich nicht um einen eigenen Fonds, sondern um eine Finanzzuweisung, welche mit allgemeinen Zielsetzungen ohne Konsequenzen bei Nichterfüllung verknüpft ist.

Jedenfalls ist die Einigung auf gemeinsame Zielsetzungen positiv zu werten. Für die Gemeinden von besonderer Bedeutung sind hierbei die Ausbauziele in der Kinderbetreuung sowie im Klimaschutz, wo eine 3-prozentige Sanierungsrate bei kommunalen Gebäuden genannt wird. Inwieweit die verfolgten Ziele angesichts der wenig hoffnungsvollen Prognose der Gemeindefinanzen erreicht werden können, sollte gut im Blick behalten werden.

Dass die Gemeinden schlussendlich doch einen fixen Anteil zur Finanzierung der Kinderbetreuung erhalten haben, ist angesichts der negativen Aussichten der Gemeindefinanzen zu begrüßen. Kleinere Gruppengrößen, Personalknappheit sowie die Inflation hätten andernfalls die Leistbarkeit des laufenden Bestands gefährdet.

Empfehlungen des KDZ. Damit Gemeinden die vielfältigen Aufgaben, welche sie erfüllen müssen, auch erbringen können, benötigen sie geeignete Rahmenbedingungen. Wir empfehlen drei Schwerpunkte.

Erstens sollten die finanziellen Spielräume der Gemeinden gesichert werden. Neben dem fixen Anteil am Zukunftsfonds im Bereich der Kinderbetreuung wäre von den Ländern auch ein Teil der Mittel für die Themen Wohnen und Klimaschutz an die Gemeinden weiterzugeben. Hilfreich wäre auch eine unmittelbare Reduktion der Umlagensteigerungen bereits ab 2024 sowie ein Überdenken der Rückzahlpflicht der Vorab-Ertragsanteile 2024 in der Höhe von 300 Mio. Euro.  

Zweitens empfehlen wir einen Fokus auf die Verbesserung der Rahmenbedingungen von kommunalen Investitionen in Klimaschutz und Klimawandelanpassung. Dies betrifft einerseits die Schaffung zielorientierter Finanzierungsinstrumente, wie etwa einen kommunalen Klimainvestitionsfonds oder einen Investitionsfonds für den stadtregionalen öffentlichen Verkehr.

Andererseits wäre die Erarbeitung einer ebenenübergreifenden Klima-Governance zweckmäßig, um die Ziele und Prozesse zwischen den Gebietskörperschaftsebenen abzustimmen. Die Umsetzung von Green Budgeting wäre hierbei ein hilfreiches unterstützendes Instrument.

Drittens sollten endlich notwendige Reformen zur Effizienzsteigerung umgesetzt werden. Zu nennen sind etwa Kompetenzbereinigungen. So wäre die bereits in die Wege geleitete Umsetzung der Bündelung der Assistenzpädagogen bei den Ländern auch zum Abschluss zu bringen. Darüber hinaus sind Einsparungen in der Aufgabenerbringung zu suchen – etwa durch Aufgabenkritik und Leistungskürzungen einerseits und die Nutzung der Potenziale durch Gemeindekooperationen andererseits.

Die Erhöhung von Einnahmenpotenzialen – wie etwa die Umsetzung der längst fälligen Grundsteuerreform – ist ebenfalls zu nennen, wie auch die effizientere Mittelzuteilung im Finanzausgleich durch eine Stärkung der Aufgabenorientierung und eine Entflechtung der Transferbeziehungen. 

 

Information zu Prognosegrundlagen:

Wesentliche Grundlage sind die Prognosewerte von WIFO und BMF: Ertragsanteile gemäß BMF Oktober 2023, Inflation sowie Lohn- und Gehaltssumme gemäß WIFO Juli/Oktober 2023. Die Berücksichtigung der hohen Inflation erfolgte zeitverzögert. Bei den Energiepreisen wird ein Rückgang gegenüber 2023 und eine Stabilisierung in den Folgejahren angenommen. Bei den Personalausgaben liegen die Gehaltsabschlüsse der öffentlich Bediensteten für 2023 und 2024 zugrunde, ab 2024 der VPI gemäß WIFO-Prognose (+ Vorrückungstangente). Die Umlagenentwicklung basiert auf Erhebungen in den Bundesländern/Städten. Entlastungen durch das FAG 2024 bei Umlagen sind noch nicht berücksichtigt. Im Bereich der Verschuldung wird ein hoher Anteil an fixverzinsten Darlehen angenommen. Verschiebungen bei den Gemeinde-Bedarfszuweisungen von der Investitionsförderung zugunsten des Haushaltsausgleichs sind nicht berücksichtigt. Die Ertragsanteilsentwicklung spiegelt den aktuellen Stand des Finanzausgleichsgesetzes 2024 wider. Mehreinnahmen aus dem Zukunftsfonds sind berücksichtigt.