Foto: Gemeinde Leoben
Wenn zwei Städte eine Partnerschaft eingehen, hängt es von verschiedenen Faktoren ab, ob diese auch erfolgreich ist. Normalerweise funktioniert sie am besten, wenn beide Städte sich ähnlich sind. Oft stellt die geografische Distanz ein Problem dar und natürlich spielen auch sprachliche Barrieren eine Rolle. Deswegen ist es erstaunlich, wie gut die Partnerschaft zwischen Leoben und der chinesischen Stadt Xuzhou funktioniert. Dieses Jahr feiert sie ihr 30-jähriges Jubiläum. Von Michael de Werd
Wie Bürgermeister Kurt Wallner erzählt, könnten die Städte auf dem ersten Blick kaum unterschiedlicher sein: „Auf der einen Seite die Millionenmetropole Xuzhou mit 8,6 Mio. Einwohnern, und auf der anderen Seite das rund 8000 Kilometer entfernte Leoben mit knapp 25.000 Einwohnern. Aber wenn man näher hinsieht, fällt auf, dass uns doch einiges verbindet – das Interesse für Kunst und Kultur, eine montanistische Hochschule und das Bestreben, vorwärtszugehen, zu lernen und sich weiterzuentwickeln.“ Die 1994 abschlossene Partnerschaft war auch eine Folge der schon länger bestehenden Zusammenarbeit zwischen den beiden Montanuniversitäten. Während am Erzberg schon seit dem 11. Jahrhundert Eisenerz gewonnen wird, reicht der Bergbau in der Gegend von Xuzhou zurück bis in die Han-Zeit.
Leoben ist eine Kombination, die man sich in anderen Ländern oft nur schwer vorstellen kann: eine richtige Industriestadt mit einem alten historischen Zentrum. Wie kaum eine andere Stadt in Österreich hatte es in den letzten Jahrzehnten mit einem Bevölkerungsrückgang zu kämpfen. Während Leoben 1961 noch mehr als 36.000 Einwohner hatte, sind es inzwischen weniger als 25.000. Im gleichen Zeitraum erlebte Xuzhou – das sich etwa in der Mitte zwischen Peking und Schanghai befindet – wie andere chinesische Städte eine rasante Entwicklung in die andere Richtung und kann aber auch auf eine extrem lange Geschichte zurückblicken kann. Schon um 1200 v. Chr. war sie die Hauptstadt des Pengreiches.
Gold und Jade gegen Musik. Die Zusammenarbeit mit dem Museum von Xuzhou sorgte auch für den ersten Höhepunkt in der Partnerschaft zwischen den beiden Städten. Wie Susanne Leitner-Böchzelt, die Leiterin des Museums von Leoben, erzählt, war das Museum speziell für die Landesausstellung 1997 um die spätere Kunsthalle erweitert worden: „So war die Nachnutzung der Kunsthalle 'offen', und man kam auf die Idee, die Ausstellung, die aus Xuzhou im Rahmen des kulturellen Austausches angeboten wurde, zu übernehmen.“ Die Ausstellung wurde zu einem riesigen Erfolg mit über 100.000 Besuchern. 2007 folgte eine weitere erfolgreiche Ausstellung unter dem Titel „Gold und Jade“. „Die Zusammenarbeit war sehr gut und reibungslos“, erinnert sich Leitner. „Wir hatten über die ganze Zeit der Ausstellungsdauer immer chinesische Kuriere vor Ort. Auch in China selbst waren der Transport und die Ausleihe der Objekte ohne Probleme möglich.“
Wie Bürgermeister Wallner erzählt, revanchierten sich die Leobener aufpassende Weise – mit Musik in der Form des Projektes Asia Urbs: „Wir konnten gemeinsam mit der deutschen Stadt Mannheim in einer Musikschule in Xuzhou ein ganzes Stockwerk erneuern und klassische Musik unterrichten und vortragen.“ Für Xu Wenxin, die in Xuzhou für die Kontakte zu Leoben zuständig ist, entspricht das auch genau den Erwartungen ihrer Landsleute: „Der Gesamteindruck der Chinesen ist, dass Österreich ein freundliches Reiseziel ist mit einer wunderschönen Naturlandschaft und guter Lebensqualität, und dass es ein Land der Musik ist, mit berühmten Musikern wie Mozart und Schubert.“ Auch die Auftritte von österreichischen Orchestern wurden mit Begeisterung empfangen.
Wenn es aber einen Ort in Leoben gibt, wo die Partnerschaft sichtbar wird, dann ist beim Wellnesszentrum Asia Spa, wo im Park ein alter Torbogen nachgebaut ist. „Fachleute aus Xuzhou haben die Bauleute vor Ort beraten, um sicherzustellen, dass die Architektur im Stil der Ming-Dynastie baulich korrekt umgesetzt wurde“, erzählt Wallner. Daneben gibt es mehr materielle Aspekte: „Die freundschaftlichen Beziehungen fanden auch wirtschaftlich ihren Niederschlag und dienten heimischen Unternehmen als Türöffner, um in der Region rund um Xuzhou und am chinesischen Markt Fuß zu fassen … Dank der guten Beziehungen konnte Leoben als einzige österreichische Stadt an der Weltausstellung Expo 2010 in Shanghai teilnehmen und sich gemeinsam mit Xuzhou präsentieren.“
Saubere Luft und Schweinsbraten. Jemand der die Partnerschaft persönlich erlebt, ist Liu Yuhao, ein Student der Chemie aus Xuzhou, der ein Semester in Leoben studiert. Obwohl er das Leben in seiner Heimatstadt schätzt wegen der guten Arbeitsmöglichkeiten, bietet Leoben andere Vorteile: „Es ist eine schöne und gesunde Stadt. Was mir am besten gefällt, ist die saubere Luft, die es wegen der vielen Wälder in der Umgebung dort gibt, und die Tatsache, dass es eine wirklich friedsame Stadt ist.“ Wegen der Kohlenindustrie galt Xuzhou früher als die Stadt mit der schlechtesten Luftqualität in China. In den letzten Jahren hat sich die Lage aber erheblich verbessert. „Sie verwandelt sich von einer Bergwerkstadt in eine Stadt der Technologie und der Umwelt“, meint Liu.
Auch beim Studentenleben gibt es Unterschiede: „In China studieren wir von morgens früh bis neun am Abend. In Leoben haben wir dagegen viel mehr Freizeit.“ Es ist auch angenehm, dass die Menschen in Leoben es gewohnt sind, dass es viele Studenten aus dem Ausland gibt. Einen permanenten Aufenthalt in Österreich kann er sich eher weniger vorstellen: „Vorläufig will ich in China meinen Masterstudium abschließen und als Lehrer arbeiten, aber ich hoffe, dass ich später die Möglichkeit habe viel zu reisen. Es ist hier so schön, und die Leute sind so freundlich.“ Und auch am kulinarischen Angebot hat er sich inzwischen gewohnt: „Schweinsbraten mit Sauerkraut schmeckt herrlich und Gösser Bier ist super!“