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Gemeinde-Bonitätsranking 2024

Über dem Ranking der 250 bonitätsstärksten Gemeinden Österreichs, dem public in Zusammenarbeit mit dem KDZ jährlich seine Sommer-Sonderausgabe widmet, schwebt heuer ein scharfes Damoklesschwert – darum ist eine gute Bonität noch mehr wert. Von Alexandra Keller

Im Jahr 2024 und den Folgejahren werden die Kommunen härteste finanzielle Proben meistern müssen. Mit der strukturell bedingten, brutalen Reduktion auf das Notwendigste geht nicht nur der Spaß am Gemeindegestalten verloren. Die Gemeindeautonomie gerät zunehmend in Gefahr. Auch Michael Prantner, Bürgermeister der Gemeinde Elixhausen – der beeindruckenden Siegerin des Rankings 2024 – weiß das. Und Prantner spricht seinen Bürgermeisterkollegen wohl aus dem Herzen, wenn er sagt: „Anschubfinanzierungen und Einmalhilfen sind sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss. Es braucht eine nachhaltige und verbindliche Einnahmensituation für die Gemeinden, verbunden mit einer langfristigen Planbarkeit.“
In wilden, ungemütlichen und beunruhigenden Zeiten, sind feste Anker wichtiger denn je. Ja, sie sind unbedingt notwendig, um den Alltag zu leben und all die Irrsinnigkeiten mit dem Hoffnungsschimmer, der im Gewohnten und verlässlich Funktionierenden steckt, zu überstehen. So schräg das angesichts der multiplen Krisenlagen auch klingen mag: Während die Welt in wüstem Takt von menschenverursachten Klimawandelkatastrophen heimgesucht wird, ist es wichtig, dass Zuhause sauberes Wasser aus dem Hahn fließt und die Abwässer verlässlich weg. Während kriegerische Gräuel viel zu nahe rücken und diesbezüglich Nachvollziehbares in weite Ferne, ist es schlicht fein, wenn die Straßenbeleuchtung den Weg nach Hause erhellt. Während Politiker mit reaktionären, faschistoiden, jegliche Gleichberechtigung, Vielfalt oder Freiheit gleichermaßen verachtenden Zielen große Wahlen gewinnen, ist es beruhigend, wenn es vor Ort Ansprechpartner gibt, die ganz konkrete Lösungen suchen, sollte ein Bürger nicht mehr über die Runden kommen oder aus welchem Grund auch immer um Hilfe schreien.  Jeder Österreicher lebt in einer Kommune, die die Daseinsvorsorge garantiert und in der zumindest versucht wird, dies auch bei menschlicher Nähe und Hilfsbereitschaft zu tun. Bundeskanzler oder Landeshauptleute werkeln fernab der Alltagssorgen, Bürgermeister werden ganz unmittelbar mit ihnen konfrontiert. So betrachtet sind die Städte und Gemeinden jene festen Anker, die in wilden, ungemütlichen und beunruhigenden Zeiten wichtiger sind, denn je. Und doch wurden sie noch nie so auf die Probe – und en passant auch bis zu einem gewissen Grad in Frage – gestellt. „In der Vergangenheit hatten wir immer wieder einen Einbruch von ein, zwei Jahren und dann ist es wieder aufwärtsgegangen“, sagt Peter Biwald, Geschäftsführer des Zentrum für Verwaltungsforschung KDZ. Zur Schere aber, die sich in den Gemeinden aktuell zwischen Einnahmen und Ausgaben auftut, sagt er: „Wir haben eine Verschlechterung, die nur kompensiert werden kann, wenn eine Phase kommt, in der die Einnahmen wesentlich stärker steigen, als die Ausgaben. Das Aufwärts sehen wir noch nicht. Oder nur in homöopathischen Döschen.“

Auch die Wirtschaft ist betroffen. Aus den bereits ausgewerteten Rechnungsabschlüssen 2023 der österreichischen Gemeinden geht beispielsweise hervor, dass sich die Überschüsse aus der operativen Gebarung fast halbiert haben, wodurch der Investitionsspielraum bedrohlich eng wurde. Einer Anfang Juni 2024 vom österreichischen Gemeindebund veröffentlichten Blitzumfrage zufolge, haben mehr als drei Viertel der Kommunen Investitionen verschoben. Weil sie üblicherweise mit einem Investitionsvolumen von rund drei Milliarden Euro die größten öffentlichen Investoren sind, trifft der bedrohliche Investitionsstopp die lokale Wirtschaft mitten ins Herz. Nicht nur das. Auch die Prognosen der kommunalen Zahlenexperten sind finster. Es wird damit gerechnet, dass jede zweite Gemeinde zur Abgangsgemeinde wird. „In Kärnten werden es eher 80 bis 90 Prozent sein und in Salzburg wahrscheinlich nur 10 bis 15 Prozent“, weist Biwald auf die starken regionalen Unterschiede hin. Abgangsgemeinden stehen unter einem strengen Regime der Gemeindeaufsicht. Sie bekommen zwar den notwendigen Zuschuss, um das operative Geschäft und die notwendigsten Investitionen zu finanzieren, dürfen aber keine Darlehen aufnehmen, schlicht weil eben der Überschuss (Saldo 1) nicht ausreicht, im die Darlehenstilgungen zu bedienen. „Diese Gemeinden müssen radikal sparen. Es wird schmerzhaft“, sagt Biwald, der eine langfristige Lösung und ein Schließen der scharfen Schere nur in radikalen strukturellen Reformen und einem starken Auftreten der Bürgermeister sieht.
„Die Gemeinden müssen verlangen, dass sie den Anteil von den Mehrmitteln aus dem Finanzausgleich bekommen, der ihnen zusteht“, macht der KDZ-Geschäftsführer auf den schweren und letztlich ziemlich perfiden Konstruktionsfehler des fragwürdigen Finanzausgleichs-Kompromisses aufmerksam. Länder und Gemeinden bekommen durch den FAG 2024 lediglich 2,4 Milliarden Euro mehr vom Bund. Sicher ist aber nur, dass 250 von den insgesamt 500 der Kinderbetreuung gewidmeten Millionen an die Gemeinden gehen. Wie die Gemeinden mit den restlichen 1,9 Milliarden Euro bedient werden, obliegt jedoch den Ländern. Ein unmöglicher Zustand, der die prekäre Situation, der zum Betteln verurteilten und ohne Planungssicherheit zurückgelassenen Kommunen verschärft. Ein wenig entschärft werden könnte die Situation auch, wenn die gestiegenen Transferzahlungen an die Länder reduziert werden würden oder die Grundsteuerreform endlich umgesetzt werden würde. Würde. Würde. Würde. Dieser Konjunktiv wirkt wie ein Vorschlaghammer. „Was jetzt läuft, höhlt die Gemeindeautonomie aus“, sagt Peter Biwald. Wenn bis zu 70 Prozent der Ertragsanteile, die eigentlich für die kommunalen Kernaufgaben gedacht sind, gleich durch die Landesumlagen abgeschöpft werden, bleibt für das autonome Verwalten und Gestalten kaum noch etwas übrig. Biwald: „Da wird die Gemeindeautonomie zur Hülle, fast wie Folklore.“

Es braucht langfristige Planbarkeit. Das neue Gemeindepaket, das die Bundesregierung Anfang Juni 2024 ankündigte, wirkt angesichts dessen wie ein Pflaster, das all die schmerzhaften kommunalen Wunden nur ein wenig zudeckt, nicht aber heilt, selbst wenn Bundeskanzler Karl Nehammer dazu sagt: „Wir geben den Gemeinden finanziell wieder die Luft zum Atmen und die Kraft zu investieren. Diese 1,3 Milliarden Euro sind gut angelegtes Geld, denn sie fließen in Investitionen, von denen die Menschen direkt etwas haben. Damit wird Infrastruktur gebaut, von der Straße, über die Schule, bis hin zum Kindergarten. Diesen Spielraum zu schaffen ist für die Gemeinden existentiell wichtig.“ Dass die Kanzler-Worte den Eindruck eines hoheitlichen Gnadenaktes erwecken, liegt wohl in der Natur der von der kommunalen Ebene weit abgehobenen Bundessachen. Auch Finanzminister Magnus Brunner war bei der Präsentation des Gemeindepaketes voll des Lobes für sich und die Seinen: „Heute ist ein guter Tag für Österreichs Gemeinden und Städte: Wir sichern unseren Kommunen zusätzlichen finanziellen Spielraum. Wir schaffen damit wichtige Impulse für die Wirtschaft lokal vor Ort – und deshalb setzen wir mit dem Kommunalen Investitionsprogramm auf ein bewährtes Instrument. Wir haben immer gesagt: Der Bund hilft, wenn es weitere Notwendigkeiten für Unterstützung gibt. Dieses Versprechen halten wir: Denn die Gemeinden sollen auch in Zukunft ihre wichtigen Aufgaben für die Menschen erfüllen können.“ Wie nett, doch die Kritik folgte flugs. Andreas Kollross, Bundesvorsitzender des sozialdemokratischen Gemeindevertreterverbandes (GVV), fordert dringend strukturelle Maßnahmen und bezeichnet das neue Gemeindepaket als „Tropfen auf den heißen Stein“.
NEOS-Finanzsprecherin Karin Doppelbauer sagte: „Dass die Gemeinden offenbar schon wieder Geld brauchen – beziehungsweise die Regierung kurz vor einer Wahl wieder einmal meint, sie mit Milliarden zuschütten zu müssen –, zeigt einmal mehr, dass das Problem der Gemeindefinanzierung auch mit dem neuen Finanzausgleich nicht zufriedenstellend gelöst wurde.“
Und Michael Prantner, Bürgermeister der Gemeinde Elixhausen, sagt: „Der abgeschlossene Finanzausgleich war nicht unbedingt zum Vorteil für die Gemeinden. Es kann nicht sein, dass immer mehr Kosten und Aufwendungen auf die Gemeinden abgewälzt werden. Anschubfinanzierungen und Einmalhilfen sind sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluss. Es braucht eine nachhaltige und verbindliche Einnahmensituation für die Gemeinden, verbunden mit einer langfristigen Planbarkeit.“
Die Siegergemeinde Elixhausen. Bürgermeister Prantners klarer Blick auf die realpolitische Gemengenlage und ihre unbedingten Erfordernisse ist auch durch die beeindruckendste Auszeichnung, die eine österreichische Gemeinde bekommen kann, nicht zu trüben. Elixhausen, die rund 3.130 Einwohner zählende, knapp 10 Kilometer von der Stadt Salzburg entfernt liegende Flachgauer Gemeinde, ist Siegerin des public-Gemeinderankings 2024.
Aus gegebenen budgetären Anlässen strahlen die Lorbeeren, mit denen sich die beste der 2.093 österreichischen Gemeinden schmücken kann, heuer noch stärker, ist eine gute oder eben die beste Bonität doch ein Garant dafür, die finanziell tristen Zeiten gut zu überstehen. In Elixhausen wurde jedenfalls hart und konsequent daran gearbeitet. „Nunmehr die beste österreichische Gemeinde zu sein, macht mich persönlich als Bürgermeister sehr stolz und bestätigt die gute und nachhaltige Budgetierung der Gemeinde Elixhausen. Ein Ranking-Ergebnis bleibt trotz aller Freude dennoch nur eine Momentaufnahme. Das Ergebnis zeigt aber, dass eine zukunftsorientierte Gebarung langfristig Stabilität und eine sehr gute Bonität für eine Gemeinde bewirken. Dadurch ergeben sich auch Spielräume für notwendige Investitionen, die anders auch nicht möglich wären“, bringt Bürgermeister Prantner die nachhaltigen Wirkungen einer guten Bonität auf den Punkt.

Die Bonität jeder Gemeinde ist ein Gradmesser für ihre Ur-Kraft, die an sich schon höchst diffizilen Anforderungen und auf dieser Basis auch eventuelle Veränderungen positiv zu meistern. Und die Bonität der Gemeinden ist es, die public in Zusammenarbeit mit dem KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung – seit 13 Jahren in den sommerlichen Fokus der kommunalen Aufmerksamkeit rückt. Um die 250 besten, also bonitätsstärksten Gemeinden Österreichs vor den Vorhang zu holen, weil sie in diesem Härtetest aus der Gemeinschaft der 2.093 Gemeinden herausstechen. Die Bundeshauptstadt Wien wird nicht gereiht. Sie ist diesbezüglich nicht zu vergleichen und schlicht zu groß, um mit ihren umfassenden Aufgaben und ihren rund 1,9 Millionen Einwohnern in Relation mit anderen Kommunen gesetzt werden zu können.
Alle anderen Gemeinden aber werden jährlich dem KDZ-Quicktest unterzogen, den die Experten des Zentrums für Verwaltungsforschung erarbeitet haben, um die Gebarung der Gemeinden vergleichbar zu machen. Die Haushalte werden dabei anhand ihrer Ertragskraft, Eigenfinanzierungskraft, Verschuldung und freien Finanzspritze auf ihre Bonität abgeklopft. Der Quicktest ist eine Momentaufnahme und kein finanzielles Orakel für die Zukunft. Die Ergebnisse zeigen aber auf, wo die Gemeinde steht, wie es um die Gemeinde steht und an welchen Rädchen sie drehen kann, um – noch – besser zu werden.
Elixhausen hat ganz offensichtlich an den richtigen Rädchen gedreht und die KDZ-Experten ziehen ihre Hüte angesichts der Leistung der Verantwortlichen. In ihrer Analyse heißt es: „Im Vergleich mit anderen Salzburger Gemeinden gleicher Größe hat Elixhausen unterdurchschnittliche Einzahlungen aus eigenen Abgaben und unterdurchschnittliche Einzahlungen aus Ertragsanteilen. Die Einzahlungen aus Gebühren liegen geringfügig über dem Durchschnitt. […] Auf der Auszahlungsseite agiert die Gemeinde sehr sparsam, sodass die Auszahlungen für Personalaufwand, die Auszahlungen für Sachaufwand und die Auszahlungen aus Transfers – ohne Kapitaltransfers – unter dem Durchschnitt liegen. Insgesamt ergibt sich für die operativen Auszahlungen ein deutlich unterdurchschnittliches Ergebnis, sodass auch trotz unterdurchschnittlicher operativer Einzahlungen ein rund 1,3-mal so hoher Geldfluss aus der operativen Gebarung – Saldo 1 – im Vergleich mit anderen Salzburger Gemeinden gleicher Größe erzielt werden kann. Die finanziellen Mittel werden genutzt zum Aufbau von Rücklagen inklusive Zahlungsmittelreserven sowie zum Abbau der Finanzschulden. Die Gemeinde hat nur geringe Finanzschulden. Die gesamten Fremdmittel könnten durch die vorhandenen liquiden Mittel gedeckt werden.“

Dienten am Hochkönig ist eine finanzstarke Gemeinde. Chapeau! Bravo! Salzburger Nockerln mit Champagner werden wohl auch das Festmenü der zweitgereihten Gemeinde Dienten am Hochkönig prägen. Die rund 720 Einwohner zählende und damit vergleichsweise kleine Gemeinde im Pinzgau hat es unter ganz anderen Vorzeichen an die Spitze des Rankings geschafft. Während Elixhausen die unterdurchschnittlichen Einnahmen mit großer Exzellenz verwaltet, ist Dienten am Hochkönig eine richtig finanzkräftige Gemeinde. Der fast 3.000 Meter hohe Hochkönig wirft schöne touristische Strahlen auf die den Ort und lässt ihn im Sommer wie im Winter sattsam blühen. Rund 120 Beherbergungsbetriebe prägen den ehemaligen Bergwerksstandort, der im Jahr 2019 beispielsweise 170.000 Übernachtungen zählte. Aus dem KDZ-Quicktest lassen sich folgende Schlüsse ziehen. „Die Einzahlungen aus eigenen Abgaben – darin enthalten sind unter anderem die Kommunalsteuer und die Grundsteuer, die Einzahlungen aus Ertragsanteilen sowie die Einzahlungen aus Gebühren – liegen über dem Durchschnitt der Salzburger Vergleichsgemeinden. […] Insgesamt ergeben sich daraus überdurchschnittliche Einzahlungen aus der operativen Gebarung. Auf der Auszahlungsseite liegen die Auszahlungen für Personalaufwand sowie die Auszahlungen für Sachaufwand unter dem Durchschnitt. […] Die finanziellen Mittel werden zum Aufbau von Rücklagen inkl. Zahlungsmittelreserven sowie zur Reduktion des bereits geringen Schuldenstandes verwendet. Die gesamten Fremdmittel könnten durch die vorhandenen liquiden Mittel gedeckt werden. Die Investitionen sind in der Gemeinde Dienten am Hochkönig vergleichsweise deutlich unterdurchschnittlich.“
Salzburg und seine Gemeinden stechen im Bundesländervergleich immer wieder hervor. Im Zusammenhang mit der Zahl der erwarteten Abgangsgemeinden wurde dies schon erwähnt. Fast jede vierte Salzburger Gemeinde ist unter den Top-10-Prozent der Bonitätsstarken und diese Tatsachen haben ein paar gute Gründe. Die hohe Leistungsfähigkeit der Wirtschaftsstandorte, die daraus resultierenden hohen Kommunalsteuereinnahmen und der ausgewogene Mix aus Tourismus, Gewerbe und Industrie tragen dazu bei. „Die hohe Finanzkraft ist aber auch dem Finanzausgleich geschuldet, weil die westlichen Bundesländer mehr Geld pro Einwohner bekommen. Und in Salzburg ist die Transferlast nicht so hoch“, verweist KDZ-Geschäftsführer auf die Transferreform, die sich seit rund 15 Jahren höchst positiv auf die Salzburger Gemeinden auswirkt.
Die Bürgermeister anderer Länder müssen sich diesbezüglich auf die Hinterbeine stellen, „und von den Ländern einen landesinternen Finanzausgleich fordern, bei dem eine Transferreform im Mittelpunkt steht“, wie Peter Biwald betont.
Wären diese Punkte geklärt, würden auch Großvorhaben, wie der Ausbau der Kinderbetreuung oder die diffizilen Maßnahmen zum Klimaschutz beziehungsweise die Investitionen in die Klimawandelanpassung zu stemmen sein. Doch wieder schlägt der Konkunktiv zu – und zwingt die Gemeinden zum teils unmöglichen Spagat.

Weitere Infos zu den Top platzierten Gemeinden. Die Top-250-Gemeinden beweisen auch heuer wieder, dass diese artistische Übung geschafft werden kann. Und wie schon die beiden Salzburger Spitzenreiter zeigen auch die dritt- und viertgereihten Gemeinden des Rankings, dass die Voraussetzungen für beste Bonität so unterschiedlich sein können, wie die Gemeinden selbst. Die Tiroler Gemeinde Niederndorf bei Kufstein brilliert als drittbeste des Rankings und die KDZ-Experten betonen für Niederndorf „unterdurchschnittliche Einzahlungen aus der operativen Gebarung“ und die umsichtige Sparsamkeit, welche die Auszahlungsseite der Gemeinde prägt. „Insgesamt liegen die Auszahlungen aus der operativen Gebarung deutlich unter dem Durchschnitt, sodass sich trotz unterdurchschnittlicher Einzahlungen aus der operativen Gebarung ein überdurchschnittlicher Geldfluss aus der operativen Gebarung – Saldo 1 – im Vergleich mit Tiroler Gemeinden gleicher Größe ergibt. Die finanziellen Mittel werden zum Aufbau von liquiden Mitteln genutzt und zur Reduktion des bereits sehr geringen Schuldenstandes verwendet. Die gesamten Fremdmittel der Gemeinde könnten durch die vorhandenen liquiden Mittel gedeckt werden“, heißt es in der KDZ-Analyse und Christian Ritzer, Bürgermeister der Gemeinde Niederndorf, sagt – höchst erfreut über den tollen Platz: „Dem steten Bemühen um eine solide Finanzgrundlage der Gemeindeführung und vor allem der Verwaltung sind solche Ergebnisse geschuldet.“
Gute oder beste Ergebnisse fallen nicht vom Himmel. Sie sind ein nachhaltiges Gemeinschaftsprojekt und können wie ein Schutzschirm wirken, hält Bürgermeister Ritzer doch auch fest: „Für 2024 und 2025 gehen nicht nur die Prognosen von schwierigen Jahren für die Gemeindebudgets aus. Dunkle Wolken zeichnen sich bereits tatsächlich ab. Ich sehe aber für Gemeinden, die bereits in der Vergangenheit nachhaltig gewirtschaftet haben und deren Schuldenlast überschaubar ist die schwierigeren Jahre durchaus verkraftbar.“
Das gilt auch für die Tiroler Gemeinde Ebbs, die von Niederndorf nur 3,6 Kilometer entfernt liegt, im Ranking 2024 den 6. Platz und im Ranking der Besten der vergangenen 13 Jahre den zweiten Platz einnimmt. Ebenso fast fußläufig oder zumindest locker mit dem Fahrrad von Niederndorf aus zu erreichen ist die aktuell viertbeste österreichische Gemeinde: Langkampfen.
Anders als Niederndorf ist Langkampfen eine finanzkräftige Gemeinde, deren Einzahlungen aus eigenen Angaben – wie Kommunalsteuer und Grundsteuer – deutlich über dem Mittelwert liegen und die quasi schuldenfrei ist. Die beneidenswerte Mischung hatte Langkampfen im vergangenen Jahr auf Platz eins des public-Rankings katapultiert und Bürgermeister Andreas Ehrenstrasser sagt: „Wir konnten einerseits – ähnlich wie im Vorjahr – nicht alle geplanten Projekte umsetzen und haben andererseits ein Mehraufkommen an Kommunalsteuer generiert. […] Durch die Gesamtentwicklung unseres Wirtschaftsstandortes befinden wir uns im Steigflug.“ Schön.

Ähnlich unaufgeregt wie die Gemeinde im Tiroler Bezirk Kufstein darf die fünftgereihte Top-Gemeinde dieses Jahres in die sonst so dunklen kommunalen Zukünfte blicken. Die Martgemeinde Raaba-Grambach, die im Zuge der steirischen Gemeindestrukturreform 2015 aus den Gemeinden Raaba und Grambach entstanden entstanden ist, muss ebenso als finanzkräftig bezeichnet werden, wobei die KDZ-Experten betonen: „Die Einzahlungen aus eigenen Abgaben sowie die Einzahlungen aus Gebühren liegen deutlich über dem Mittelwert. Die Einzahlungen aus Abgaben sind in Raaba-Grambach mehr als fünfmal so hoch wie in anderen steirischen Gemeinden dieser Größe. […] Mit den überdurchschnittlichen Einzahlungen aus der operativen Gebarung ergibt sich ein rund 3,5-mal so hoher Geldfluss aus der operativen Gebarung – Saldo 1 – wie in den steirischen Vergleichsgemeinden gleicher Größe.“ Wow.   

Die Unterstützung muss nach der Wahl weitergehen. Verschuldungsgrad und Saldo 1 sind Kennzahlen, welche die Kraftakte der Gemeinden vorzeichnen, die sie im laufenden und in den folgenden Jahren vollbringen müssen, um sich einen gewissen Spielraum zu erhalten. „Das wird sich für alle Gemeinden verschlechtern, doch sind die besten 50 im Bonitätsranking davon nicht so betroffen. Auch sie werden sich verschlechtern, aber nicht so schlimm, wie die Gemeinden, die weiter hinten gereiht sind“, blickt Peter Biwald voraus. Werden Gemeinden zu Abgangsgemeinden und dazu gezwungen, radikal zu sparen, wird es ungemütlich, denn dann geht es ans Eingemachte.

Kinderbetreuungseinrichtungen werden nicht so ausgebaut werden wie geplant, der Infrastrukturbereich inklusive Freizeitinfrastruktur kann vom Sparprogramm genauso betroffen sein, wie die Verwaltung oder die Zahl der politischen Organe. Im Wissen um die Brutalität der Reduktion auf das Notwendigste wurde im Rahmen des 73. österreichischen Städtetages Anfang Juni 2024 eine Resolution beschlossen, die mehr finanzielle Ressourcen vom Bund fordert und einen neuen Verteilungsschlüssel der Steuereinnahmen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. „Diese Resolution ist gerichtet an die nächste Bundesregierung, denn egal wie sich die Bundesregierung zusammensetzen wird, stellen wir diese Forderungen“, stellte Michael Ludwig, Städtebund-Präsident und Wiener Bürgermeister klar.

Die nächste Bundesregierung wird Ende September 2024 gewählt und die Österreich-Ergebnisse der EU-Wahl lassen mit einer potenziellen blauen Mehrheit wenig Gutes auch für die Gemeinden befürchten. Auch im Kommunalbereich sind keine konkreten sachpolitischen Standpunkte oder Zielsetzungen der Freiheitlichen bekannt. Nach Gemeinden oder Kommunen oder Städten im Parteiprogramm der FPÖ gesucht, kann kein Treffer gelandet werden. Zero.

Was auch immer die Nationalratswahl bringt, die Gemeinden werden sich auf die Füße stellen müssen, damit die bedrohlichen Untergangs- oder Folklore-Szenarien nicht wahr werden. Die unbedingt notwendige Stärkung wird durch die Forderung des österreichischen Gemeindebundes nach einem EU-Kommissar für Gemeinden befeuert. „Ohne starke und selbstbewusste Gemeinden an der Basis gibt es kein vereintes starkes Europa. Daher fordern wir für die europäischen Gemeinden und Städte in der nächsten Amtsperiode einen Kommunal-Kommissar“, sagte Gemeindebund-Präsident Johannes Pressl im Rahmen des Besuchs des EU-Vorsitzlandes Belgien Mitte Mai 2024. „Dabei geht es uns nicht um die komplizierten Förderungen und EU-Regionalprogramme, wie sie aktuell von der Generaldirektion für Regionalpolitik und Stadtentwicklung verfolgt werden, sondern es geht uns um Bürokratieabbau für die lokale Ebene, um ein ‚Rural Proofing‘ von Gesetzesmaterien und Vereinfachungen von Auftragsvergaben an lokale Unternehmungen“, so Pressl weiter.

Die rund 85.000 europäischen Kommunen haben jedenfalls mehr Anerkennung, Berücksichtigung und Wertschätzung verdient. „Diese Forderung ist sicherlich positiv, weil subnationale Einheiten in der EU einen geringen Stellenwert haben“, ist auch KDZ-Geschäftsführer Peter Biwald überzeugt. Denn ganz allgemein und gerade in wilden, ungemütlichen und beunruhigenden Zeiten, sind feste Anker wichtiger denn je.  

Weitere Unterlagen und Informationen:

Gemeindeatlas 2024

Top-250-Ranking

Top-10 und Top-Gemeinden je Bundesland

Coverstory

Analyse des Gemeinderankings