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Dass für Klimawandelanpassung oder Klimaschutz Geld in den arg leeren Gemeindekassen zu finden sein wird, ist mehr als fraglich. Damit wird das vielleicht heißeste Zukunftsthema in eine stiefmütterliche Ecke verwiesen, wo die erwartbaren Kosten vor sich hinschmurgeln – um irgendwann zu explodieren. Ein politisches Trauerspiel auf allen Ebenen. Von Alexandra Keller
Weil gute Nachrichten aus dem österreichischen Klimaschutz- oder Umweltbereich Mangelware sind, darf diese eine glänzen. Anfang Juli 2024 haben Nationalrat und oberösterreichischer Landtag das Projekt Regional-Stadtbahn Linz sprichwörtlich auf Schiene geschickt und damit das schier ewige Ringen um die Erweiterung des S-Bahnnetzes in der oberösterreichischen Landeshauptstadt beendet. Von einem Meilenstein, der nicht nur den Zentralraum, sondern ganz Oberösterreich wirtschaftlich und infrastrukturell stärken werde, sprach da Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer. Neue Arbeitsplätze und eine Verlagerung der Pendelströme von der Straße auf die Schiene werden erwartet, rund 40.000 tägliche Fahrgäste wurden errechnet und jene, die vom Hauptbahnhof zur Kepler-Universität kommen wollen, werden dies künftig in 15 Minuten schaffen. Derzeit müssen dafür auf Öffi-Wegen noch 25 Minuten eingerechnet werden, doch auf das wahre Zuckerl der neuen S-Bahn-Verbindungen dürfen sich die Kfz-Pendler etwa aus dem Mühlviertel freuen, deren Arbeitsalltag traditionell mit Stau beginnt – und endet.
„Mit der Regionalstadtbahn Linz und der O-Buslinie 48 werden die größten Infrastrukturprojekte im Linzer Zentralraum der letzten Jahrzehnte realisiert. Diese beiden Vorhaben werden für Linz eine große Verkehrsentlastung bringen, sowohl auf den sehr stark frequentierten Pendler-Strecken als auch im Hinblick auf den innerstädtischen ÖV-Verkehr in Nord-Süd-Richtung. Sie werden von der gesamten Stadtregierung mitgetragen. Ich bedanke mich für diese ergebnisorientierte Zusammenarbeit“, hatte der Linzer Bürgermeister Klaus Luger im März 2024 festgehalten, als die Finanzierungsvereinbarungen zum Jahrhundertprojekt beschlussreif geworden waren. Angesichts der massiven Differenzen zwischen den beiden längst auf Wahlkampfkrawall gebürsteten Bundesregierungslagern dürfte es einem Wunder gleichkommen, dass das Projekt vor der Sommerpause noch durchgewunken wurde. Federleicht ist denkbar, dass dem oberösterreichischen Schutzpatron St. Florian nun – mit dem ihm gewidmeten Stoßgebet „verschon’ mein Haus zünd’ andre an“ – das eine oder andere Kerzerl angezündet wird, sind doch weitere derart große infrastrukturelle und das Klima schonende Würfe so rasch nicht zu erwarten.
Klimaschutzprojekte kosten viel Geld. „Schienengebundene Verkehre, haben viele Vorteile, sind aber enorm teuer. Im Moment gibt es kein einziges Finanzierungsinstrument für Investitionen in rein innerstädtische Verkehrsmaßnahmen, das rechtlich abgesichert ist“, sagt KDZ-Expertin Karoline Mitterer. Die Kosten der Regional-Stadtbahn Linz werden aktuell auf 939 Millionen Euro geschätzt. Die Milliarde ist nahe, was die Bezeichnung Jahrhundertprojekt auch durch die finanzielle Brille rechtfertigt. 50 Prozent der Kosten trägt der Bund, 42,5 Prozent das Land und 7,5 Prozent die Stadt Linz. Darum die Kerzerln. Linz darf strahlen. Doch Linz bleibt damit einsam.
Die Angebote für einen leichten Umstieg vom Auto zum Öffentlichen Verkehr auszubauen, würde allein in den sechs größten Städten Österreichs bis 2030 insgesamt 6,6 Milliarden Euro kosten. Die Schere zwischen klimabedingten Notwendigkeiten und den zur Verfügung stehenden oder geplanten Mitteln ist riesig und die Finanzierung allein durch die Städte ein Ding der totalen Unmöglichkeit. Dennoch sollen die städtischen Öffi-Fahrzeuge bis 2030 weitgehend sauber sein, also mit Strom oder Wasserstoff betrieben werden. 65 Prozent ist hier das Ziel. Es zu erreichen, wird hart. „Im Zusammenhang mit dem Klimaschutz ist es schwierig, optimistisch zu sein“, macht KDZ-Expertin Mitterer keinen Hehl aus ihrer negativen Stimmung. Die hatte sich bereits 2023 – vor den und vor allem im Verlauf der Verhandlungen zum neuen Finanzausgleich sukzessive verschlechtert. Im Endergebnis wurden dabei zahlreiche klimarelevante Themen entweder gar nicht oder nur rudimentär berücksichtigt. Dieser so wichtige Steuergeld-Verhandlungsreigen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden hätte beispielsweise eine Ausgangsbasis für die potenzielle Fixierung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten bilden können.
„Klimaschutz und Klimawandelanpassung spielen in viele Aufgabenbereiche hinein, wodurch eine hohe Komplexität entsteht. Die Stärkung der gebietskörperschaftsübergreifenden Koordination und Kooperation wäre hier ein wichtiger Schritt, indem Ziele und Strategien aufeinander abgestimmt werden. Ein Klima-Koordinierungskomitee mit Vertretern von Bund, Ländern, Städten und Gemeinden könnte zu einer verbesserten Steuerung, Koordination und Kooperation beitragen“, hatte das KDZ mit diesbezüglich beunruhigtem Zukunftsblick in der Finanzausgleich-Verhandlungszeit gerufen. Rufe wie diese wurden aber nicht gehört, sodass sich die Hoffnung auf eine Klärung all des Ungeklärten auf das Klimaschutzgesetz konzentrieren musste, das zu beschließen Österreich schon seit Jahren säumig ist.
Das alte Klimaschutzgesetz ist bereits Ende 2020 ausgelaufen. Auf Grundlage der gemeinsamen EU-Ziele (siehe „Teilung der Lasten“), die unter anderem festschreiben, welcher Mitgliedstaat wie viel CO2 einsparen muss, hätte längst ein neues Gesetz verabschieden werden müssen. Zwar sind die EU-Vorgaben, die für Österreich bis 2030 ein CO2-Minus von 48 Prozent fixieren, auch ohne Gesetz einzuhalten, doch müsste mit dem Gesetz geregelt werden, welcher Sektor – also Verkehr, Landwirtschaft, Gebäude oder Abfall – wie viele Emissionen einsparen muss. Da wollten die Regierungspartner aber partout keinen Kompromiss finden und damit ging auch eine Regelung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten der Gebietskörperschaften Flöten.
Es drohen hohe Strafzahlungen. Die Rechnung für das Nicht-Handeln der Noch-Regierung wächst. Im Frühjahr 2021 hatte der Rechnungshof in einem Bericht festgehalten, dass Österreich mit den bis Ende 2019 gesetzten Maßnahmen die Klimaziele der EU für 2030 und 2050 nicht nur knapp, sondern so richtig arg verfehlen wird. Die Prüfer errechneten damals, dass allein die bis 2030 notwendigen Straf- beziehungsweise Kompensationszahlungen mit bis zu 9,2 Milliarden Euro zu Buche schlagen werden. Die Maßnahmen, die ÖVP und Grüne zum Zeitpunkt der Bericht-erstellung angekündigt hatten, waren zwar nicht einberechnet worden, doch ist davon auszugehen, dass die erste Abrechnung der Gesamtemissionen für die Periode 2021 bis 2030, die im Jahr 2027 erfolgt, satt sein wird.
Gemäß einer Schätzung des Umweltbundesamtes belaufen sich die notwendigen Investitionen für die Klima- und Energiewende auf rund 145 Milliarden Euro bis 2030. Die Kosten für das Nicht-Handeln in der Klimapolitik sind auch abseits der diesbezüglichen echt hohen Strafzahlungen beträchtlich. So gibt es Berechnungen, laut denen die Wetter- und klimabedingten Schäden um das Jahr 2050 herum 10 bis 12 Milliarden Euro jährlich verschlingen werden. Aktuell sind es rund zwei Milliarden, wobei erderhitzungsbedingte Naturkatastrophen in den Jahren dieser sich häufenden „Heimsuchungen“ zudem zu überdurchschnittlichen Kosten führen werden.
Gemeinden bekommen zu wenig Geld. Dieser Teufelskreis wird logischerweise durch jene Maßnahmen befeuert, die nicht umgesetzt werden und es muss fast zwingend davon ausgegangen werden, dass die „Klima-Ausgaben“ die Gebietskörperschaften massiv in die Zange nehmen. Vor allem die Gemeinden, die nicht nur im Zusammenhang mit dem Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs und all der für die Dekarbonisierung notwendigen Infrastrukturmaßnahmen massiv ge- beziehungsweise überfordert sind. Mit der Sanierung der kommunalen Gebäude etwa, für die eine 3-Prozent-Sanierungsrate festgeschrieben wurde und die – theoretisch zumindest – durch die Mittel des Zukunftsfonds angekickt werden sollten. „Diese 600 Millionen Euro sind grundsätzlich für Länder und Gemeinden vorgesehen, werden an die Länder ausbezahlt und in deren Ermessen liegt es, Gelder an die Gemeinden weiterzugeben“, erklärt Karoline Mitterer und stellt fest: „Nach aktuellem Stand zeichnet sich jedoch ab, dass hiervon kaum Mittel an die Gemeinden weitergegeben werden und das Geld in die Länderbudgets fließt.“
Na toll. Aus Sicht der Gemeinden und der Klimaziele ist die Macht der Länder in dem Zusammenhang wohl als perfide Fehlkonstruktion zu bezeichnen. Dabei haben die TU Wien und Umweltbundesamt in einer Studie festgestellt, dass die Gemeindeebene für 45 Prozent des öffentlichen Kapitalstocks verantwortlich ist. „Die Gemeinden haben doppelt so viele öffentliche Gebäude wie die Länder. Eigentlich müssten sie viel mehr Geld bekommen“, ist Karoline Mitterer überzeugt. Das kommunale Potenzial, etwa mit der thermischen Sanierung der rund 55.000 Gebäude oder der klimawandelfitten Umrüstung der Heizsysteme, die Energieeffizienz zu steigern, ist enorm. Die realen Chancen sind es nicht, fehlt für derart große Investitionen doch aktuell jegliche Planungssicherheit und befürchten aufmerksame Beobachter doch längst, dass all die vielleicht freiwerdenden oder zusätzlichen Mittel in die Erhaltung der kommunalen Daseinsvorsorge und kurzfristiger umsetzbare Projekte wie den Ausbau der Kinderbetreuung fließen werden.
Klimawandelfitte Umbau- beziehungsweise Sanierungsmaßnahmen anzureißen, trauen sich die Gemeinden derzeit schlicht nicht und für Maßnahmen, mit denen die Gemeinden und noch dringlicher die Städte gegen die steigende Hitze ankämpfen könnten, fehlen überhaupt die geeigneten Förderinstrumente. „Man darf nicht vergessen, dass eine Baumpflanzung allein zwischen 30.000 und 50.000 Euro kostet“, sagt die KDZ-Expertin. Das Schwammstadtprinzip hat seine Tücken. Und die den Lebenswert erhöhende Waldstadt noch viel zu viele Lücken.
Bei der amtierenden schwarz-grünen Regierung sind alle Hilfeschreie, Strategien oder Dringlichkeiten im Zusammenhang mit der klimawandelfitten Zukunft fehl am Platz. Die Forderungen – etwa nach bedarfsorientierten Fördermaßnahmen, einer ernst genommenen Klima-Governance mit Gemeinden, Ländern und Bund auf zielgerichteter Augenhöhe oder Steuerungsinstrumenten, die sich an sachlichen und nicht partei- oder branchenrelevanten Argumenten orientieren – müssen wohl an die nächste Regierung gestellt werden. Dass vor der Nationalratswahl im September 2024 noch ein Wurf wie jener für Linz gelingt, ist nicht einmal fraglich. Nur weil gute Nachrichten aus dem österreichischen Klimaschutz- oder Umweltbereich Mangelware sind, darf diese eine glänzen.