Foto: Leseverein Oberwart
Seit 1992 existiert die Städtepartnerschaft zwischen Oberwart und Steinamanger. Oder sollen wir lieber sprechen über Fertöö und Szombathely? Oder, um es auf Kroatisch zu sagen: Borta und Sambotel? Während die Roma in Oberwart ihre Stadt als Erba bezeichnen, lautet der slowakische Name von Steinamanger Kamenec. Es ist klar: Wir befinden uns in einem Teil Europas, der seit Jahrhunderten geprägt ist von den verschiedenen Volksgruppen, die durcheinander lebten und teilweise noch immer leben. Von Michael de Werd
Durch die Luft sind es vierzig Kilometer von Oberwart nach Steinamanger und erst seit 1921 gibt es hier eine Staatsgrenze. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde hieraus der Eiserne Vorhang, der zwei unterschiedliche Systeme streng voneinander trennte. Als dieser 1989 fiel, war es fast natürlich, dass die beiden Städte zusammenarbeiten würden. Trotzdem sind sie grundverschieden. Mit knapp 80.000 Einwohnern ist Steinamanger zwar keine richtige Großstadt, aber sie kann zurückblicken auf eine beeindruckende Geschichte. Im Jahre 43 v. Chr. wurde sie unter dem Namen Claudia Savaria als erste Stadt im jetzigen Ungarn gegründet. Bald darauf wurde sie die Hauptstadt der römischen Provinz Oberpannonien. Im 4. Jahrhundert wurde der populäre Heilige Martin von Tours hier geboren. Obwohl Kriege und Naturkatastrophen immer wieder für Zerstörungen sorgten, ist die Stadt bis heute ein wichtiges regionales Zentrum geblieben.
Im Vergleich dazu waren die Anfänge von Oberwart eher bescheiden. „Der Ort ist als eine Grenzwächtersiedlung entstanden und war mehr oder weniger ein Bauerndorf,“ erzählt Bürgermeister Georg Rosner. „Wir hatten niemals eine Stadtmauer, Oberwart bestand lediglich aus Untertrumm, einem Straßendorf, und Obertrumm, einem Haufendorf, das eher ungarisch geprägt war. Das ist dann von außen nach innen zusammengewachsen.“ In der Mitte befindet sich heutzutage das politische Zentrum mit dem Rathaus und dem Bezirksamt. Was Oberwart und Steinamanger verbindet ist natürlich auch die Landschaft der pannonischen Tiefebene. Eine ideale Gegend zum Radfahren.
Mit dem Rad zur Partnerschaft. Am Anfang der Partnerschaft stand auch eine Fahrradtour. In den 80er Jahren war der damalige Oberwarter Bürgermeister Michael Racz mit 300 Radfahrern unterwegs nach Steinamanger. Da sie an der Grenze Probleme hatten, wurden ihnen vom Leiter des Rathauses geholfen. Als Dank hielt Racz im Rathaus eine Rede auf Ungarisch. Aus dem guten Kontakt zu seinem Steinanamangerer Kollegen András Wagner wuchs eine offizielle Zusammenarbeit. Eines der Ziele war damals die Wiederbelebung der Eisenbahnverbindung zwischen beiden Städten. Zum Bedauern von beiden Seiten wurde diese bis heute nicht realisiert und die ehemalige Trasse dient inzwischen als Radweg.
Auf anderen Gebieten war die Zusammenarbeit erfolgreicher. Wie András Nemény, der Bürgermeister von Steinanamanger erzählt, gibt es regelmäßig Treffen zwischen den Bürgermeistern und Experten. Momentan wird an einer Strategie mit dem Titel Pannonia 2030 gearbeitet: „Im letzten November haben wir in Oberwart angefangen mit der Arbeit an einem gemeinsamen Bildungs- und Forschungsprogramm und letztendlich der Entwicklung von grenzüberschreitendem öffentlichem Verkehr.“ Seit Nemény 2019 gewählt wurde, gilt Steinamanger als eine Hochburg der Opposition gegen die Orbán-Regierung. Der Höhepunkt des Jahres ist nach wie vor der historische Karnaval Savaria im August, der von Tausenden Besucher aus dem In- und Ausland besucht wird. „Wir pflegen unsere Erinnerungen mit Stolz, doch ebenso wichtig ist es uns, sich auf die grüne, intelligente und lebenswerte Stadt von heute und morgen zu konzentrieren“, erzählt Nemény.
Mehrsprachigkeit in der Schule und Daheim. Obwohl der Einkaufstourismus, der nach dem Ende des Kommunismus aufblühte, inzwischen der Vergangenheit angehört, fahren die Oberwarter noch immer gerne über die Grenze, um Essen zu gehen oder den Zahnarzt zu besuchen. Umgekehrt arbeiten viele Ungarn im Burgenland, und der Bus aus Steinamanger ist jeden Tag voll mit Kindern, die in Oberwart in die Schule gehen. Ein großer Teil besucht das zweisprachige Gymnasium. Eigentlich wäre der Ausdruck „dreisprachig“ passender. Während in der Hälfte der Klassen auf Deutsch und Ungarisch unterrichtet wird, sind in der anderen Hälfte Deutsch und Kroatisch die Unterrichtssprachen. Der Übergang funktioniert reibungslos. Wenn in der fünften Klasse Biologie auf dem Programm steht, werden die anatomischen Ausdrücke sowohl auf Deutsch als auch auf Ungarisch gelehrt.
Für Direktorin Iris Zsótér ist die Dreisprachigkeit gelebter Alltag. Während sie einen burgenlandkroatischen Vater und eine burgenlandungarische Mutter hat, stammt ihr Ehemann aus der ungarischen Minderheit in Kroatien. Natürlich beherrschen ihre Kinder alle drei Sprachen perfekt. Obwohl sie im mehrsprachigen Unterricht eigentlich nur Vorteile sieht, möchte Zsótér die Situation nicht idealisieren: „Die Schule kam eigentlich zu spät, denn schon in meiner Generation ist es eine Ausnahme, die Volksgruppensprache gut zu beherrschen … In den Familien wird sie oft nur noch von den älteren Personen gesprochen.“
Städte der Vielfalt. In Steinamanger ist die Situation ähnlich. „Da es immer weniger Vertreter der nationalen Minderheiten gibt, die ihre Sprache und Brauchtum pflegen, gibt die Gemeinde finanzielle Unterstützung für ihre Selbstverwaltung und kulturellen Initiativen“, erzählt Bürgermeister Nemény. Ausgestorben ist das Brauchtum allerdings noch lange nicht.
Auch in Oberwart gibt es eine lebendige Szene, die sich mit Sachen wie Volkstanz und Musik beschäftigt. Und der Stolz der Gemeinde ist das Volksgruppenhaus, das 2025 fertiggestellt werden soll. Das Zentrum wurde finanziert mit der „Jubiläumsgabe“, die das Burgenland bekommen hatte, als es 100 Jahre zu Österreich gehörte. „Es passt nach Oberwart, weil wir hier wirklich eine Stadt der Vielfalt sind,“ meint Bürgermeister Rosner.