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Einsatz von KI und Hyperdigitalisierung in der öffentlichen Verwaltung.
Einsatz von KI im öffentlichen Sektor in Österreich – ein kompakter Überblick: Zweifelsohne steht die öffentliche Verwaltung in Österreich vor einer Revolution, wenn man diese vor dem Hintergrund der Anwendungsmöglichkeiten von KI beleuchtet. Dass auch politische Verantwortungsträger die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit KI erkannt haben, wird
u. a. durch die Etablierung des sog. „Beirats für Künstliche Intelligenz“1 durch die Bundesregierung im Februar 2024 und durch das sog. „Digitalisierungs-Gemeindepaket“ (120 Millionen Euro)2 deutlich. Gegenwärtig werden bereits verschiedene Prozesse im öffentlichen Sektor3 sukzessive automatisiert, auch die Möglichkeit der Verwendung einer personalisierten Identifikation (= „ID Austria“)4 gibt es in Österreich regulär seit 5. Dezember 2023. Dieses elektronische Identifizierungssystem ermöglicht es auf einfachem Wege, viele Behördenkontakte digital abzuwickeln (= E-Government und digitales Amt). Eine digitale Mechanisierung in der öffentlichen Verwaltung kann zudem auch anhand von zahlreichen anderen Beispielen, nun nachfolgend in vier wesentliche Bereiche gegliedert, veranschaulicht werden:
1. Administration (bspw. die Nutzung von KI zwecks Fehlervermeidung und/oder der Effizienzsteigerung der Services durch Deep Learning)
2. Dokumentenverwaltung (wie etwa die Aufnahme, Klassifizierung und Archivierung von Schriftstücken)
3. Bürgerkontakt (z. B. der Einsatz von sog. Chatbots im Rahmen einer dynamischeren Kommunikation zwischen Bürgern und Verwaltung)
4. Strafverfolgung (bspw. das präventive Ausloten krimineller Muster durch die Exekutive)
5. Weiterbildung (wie etwa das KI-gestützte E-Learning für Verwaltungsmitarbeiter oder die Sicherung von Wissen)
Darüber hinaus werden speziell im Bereich des Dialogs zwischen Behörden und Bürgern vermehrt Übersetzungs-, Sprach- und Audiotechnologien in den vielschichtigen Verwaltungsprozessen eingesetzt, um so die öffentliche Verwaltung für alle Bürger attraktiver zu gestalten. Vor allem für Menschen mit Sprach- und Hörbarrieren oder anderen körperlichen Einschränkungen können solche KI-Instrumente hilfreich sein. Weiters gibt es in bestimmten österreichischen Gemeinden sog. „Digi-Dolmetscher“5, die direkt vor Ort in den Gemeinden KI-Fortbildungen für Bürger anbieten, um die Versiertheit mit digitalen Anwendungen zu stärken.
Auch in puncto der Verringerung von potenziellen finanziellen oder sicherheitsbezogenen Risiken in der öffentlichen Verwaltung, findet KI durch wirksame Identifizierungs- und Bewertungsinstrumentarien immer häufiger Verwendung. Nicht zuletzt kann KI auch dabei helfen, die Gesundheitsversorgung in den Gemeinden und Städten nachhaltiger auszubauen, diese sicherzustellen und verschiedene Analysen zu Epidemien, Pandemien oder Endemien bereits frühzeitig anzustellen. KI kann demnach als eine bedeutende Schnittstelle aufgefasst werden, die alle Bereiche der öffentlichen Verwaltung fortschreitend und auf mannigfaltige Art und Weise durchkreuzt.
Die öffentliche Verwaltung in Zeiten der Hyperdigitalisierung – zwischen Leben und Tod: Im Hinblick auf die Themen Sterben und Tod kam es in den vergangenen Jahren in der österreichischen Verwaltungsgeflecht ebenfalls zu innovativen Erleichterungen. Mittels der ID Austria ist es zum Status quo
z. B. möglich, einen elektronischen Antrag auf Ausstellung einer Sterbeurkunde einzureichen, ohne – wie bisher – das zuständige Standesamt hierfür aufsuchen zu müssen.
In Zusammenhang mit Sterben und Tod gibt es aber dennoch weiterhin Bereiche, die die Verwaltung nicht selten vor größere Schwierigkeiten stellen. Immer mehr Menschen verwenden beispielsweise Social-Media-Kanäle (wie etwa YouTube, Facebook, LinkedIn), legen ihr Vermögen teilweise digital an und machen von der Möglichkeit der ID Austria Gebrauch. Während solche Mittel und Wege zu Lebzeiten für die Nutzer durchaus nützlich sein können, können diese im Falle des Todes zu komplexen praktischen, technischen und rechtlichen Herausforderungen führen.
Die Gründe hierfür sind vielschichtig, basieren meist aber auf einer mangelnden Vorbereitung (wie bspw. der Verzicht auf die Einrichtung eines sog. „Nachlasskontakts“6). Insbesondere hinterbliebene Angehörige sind oftmals verzweifelt und wissen nicht, wohin sie sich wenden sollen, wenn noch Online-Konten von nahestehenden Verstorbenen existieren und diese gelöscht werden sollen. Ohne Entfernung bleiben die Online-Konten jedenfalls weiterhin bestehen und im World-Wide-Web auffindbar. Nicht selten führt der erste Weg der Angehörigen zum jeweiligen Gemeindeamt, auch wenn dieses nicht primär zuständig ist. Die Entscheidung darüber ist vielmehr in der rechtlichen Sphäre zu verorten und ergibt sich aus den Bestimmungen des ABGB, sofern keine geeignete Vorsorge durch die/den Verstorbene:n getroffen wurde. Hinterbliebene können die Online-Portale kontaktieren und mittels Sterbeurkunde und/oder Einantwortungsurkunde versuchen, eine Löschung der Benutzerkonten zu bewirken.
Häufig können zudem Bestattungsunternehmen hilfreiche Ansprechpartner sein, da einige von ihnen in einem ersten Schritt bei der Verwaltung bzw. bei den behördlichen Wegen eines digitalen Nachlasses Unterstützung anbieten. Neben der Sensibilisierung für Vorkehrungen im Falle eines Ablebens sollte außerdem verstärkt darüber aufgeklärt werden, dass das Gemeindeamt (meist ist das Melde- oder Standesamt hiervon betroffen) nicht die richtige Anlaufstelle ist. In solchen Anlassfällen sollte unbedingt rechtsanwaltliche Beratung in Anspruch genommen werden, denn selbst für die Löschung der ID Austria benötigt man entweder die von dem Nutzer gewählten Passwörter oder es wird ein persönliches Erscheinen bei der jeweiligen Registrierungsbehörde gefordert, was aufgrund des Todes nicht mehr möglich ist. Jedenfalls lohnt es sich, bereits zu Lebzeiten einen digitalen Nachlassverwalter zu bestimmen, um im Falle des Todeseintritts unkompliziertere Löschungsmaßnahmen durchführen zu können. In Bezug auf die ID Austria benötigt es den Ausbau technologischer Möglichkeiten, um auch diese im Rahmen der Nachlassverwaltung unkomplizierter gewährleisten zu können. Ebenso können Kooperationen zwischen der öffentlichen Verwaltung und anderen damit betrauten Stellen (wie etwa BRZ, Notar) von Vorteil sein.
1Siehe hierzu: Bundeskanzleramt Österreich (2024); Online abrufbar unter: https://www.digitalaustria.gv.at/Themen/KI/AI-Advisory-Board.html [zuletzt abgerufen am: 01.10.2024]
2Siehe hierzu: Bundeskanzleramt Österreich (2024); Online abrufbar unter: https://www.digitalaustria.gv.at/kompetenzen/digitalisierung-in-gemeinden.html [zuletzt abgerufen am: 30.09.2024]
3In Österreich beschäftigt sich vorwiegend das Bundesrechenzentrum (BRZ) als Kompetenzzentrum für Digitalisierung des öffentlichen Sektors mit Fragen von KI in der öffentlichen Verwaltung.
4Siehe hierzu: Bundeskanzleramt Österreich (2024); Online abrufbar unter: https://www.oesterreich.gv.at/id-austria.html [zuletzt abgerufen am: 30.09.2024]
5Siehe hierzu: Bundeskanzleramt Österreich (2024); Online abrufbar unter: https://www.digitalaustria.gv.at/kompetenzen/digi-dolmetscher.html [zuletzt abgerufen am: 29.09.2024]
6Wurde ein Nachlasskontakt hinterlegt, so können Social-Media-Profile von Verstorbenen durch diesen Kontakt zur Löschung vorgeschlagen werden. Das soziale Netzwerk Facebook bietet zudem an, das Profil in einen sog. „Gedenkzustand“ umzustellen, ohne das Profil gänzlich löschen zu müssen.
Autor:
Mag. Dr. Marlon Possard, MSc, MA ist Wissenschaftler am Department für Verwaltung, Wirtschaft, Sicherheit und Politik und am Research Center Administrative Sciences (RCAS) an der FH Campus Wien - University of Applied Sciences. Im Sommer 2024 war er Visiting Researcher an der Harvard Law School in Cambridge, USA. Aktuell habilitiert er.
» https://possard.at