Foto: Michael de Werd
Österreich ist ein Land der Jäger. Mit einem Waldanteil von fast 50 % und ihren vielen Bergen bietet die Alpenrepublik Möglichkeiten, wovon man in anderen Ländern nur träumen kann. Nur in der vorigen Jagdsaison wurden 740.000 Tiere erlegt, darunter fast 300.000 Rehe. Fast immer geht es dabei um Amateurjäger. Obwohl manche die Jagd für ein Relikt aus früheren Zeiten halten, scheint sie als Freizeitbeschäftigung voll im Trend zu liegen. Mehr als 130.000 Österreicher verfügen über eine gültige Jahresjagdkarte, wobei die Zahl in den letzten Jahren markant gestiegen ist.
Von Michael de Werd
Natürlich wird die Begeisterung nicht von jedem geteilt. Bei der nichtjagenden Mehrheitsbevölkerung reicht die Einstellung gegenüber der Jägerschaft von Bewunderung und Neid bis zu blankem Abscheu. Und dann gab es die Ereignisse im Mühlviertel, wo ein Jäger vermutlich zwei Jagdkollegen kaltblütig erschossen hat.
Eines muss man den Jägern aber zugutehalten: Wenn man an die über eine Million Feuerwaffen in Österreich denkt, ist es erstaunlich, wie selten Jäger für solche Verbrechen verantwortlich sind. Obwohl gerade im urbanen Raum die Haltung gegenüber der Jagd am negativsten ist, verfügt auch die Millionenstadt Wien über einen eigenen Jagdverband.
Am 8. Oktober findet im Wilden Mann im Prater die Wiener Pirsch statt, einer der Höhepunkte des Jahres. Ein Jagdhornensemble sorgt für einen passenden musikalischen Rahmen und natürlich stehen Wildspezialitäten auf der Speisekarte. Fast alle Besucher sind in Tracht erschienen. Ansonsten machen die Jäger alters- und geschlechtsmäßig einen sehr gemischten Eindruck. „Die Zahl der Frauen, die die Jagdprüfung machen, ist in den letzten Jahren stark gestiegen“, erzählt ein älterer Jäger. „Genauso wie Männer brauchen sie einen Ausgleich für den beruflichen Alltagsstress.“ Wenn man mit den anwesenden Jägern spricht, ist es fast immer das Naturerlebnis, das als Grund für die Jagbegeisterung angeführt wird.
Ökologische Jäger. Tatsächlich ist das Jagen eine Tätigkeit, wofür man viel Geduld braucht. Als ich Franz Puchegger im Thayatal bei einer Hochstandjagd begleitete, betrachteten wir drei Stunden lang den Waldrand, ohne dass sich ein Tier zeigte oder ein Schuss fiel. Wie Puchegger erzählt, ist dies ganz normal: „Heute weht es stark und es gibt Vollmond. Dann kommen die Tiere erst später aus dem Wald.“ Im Hauptberuf ist Puchegger Geschäftsführer einer Holzfirma. Mit der Jagd hat er angefangen, weil dies für den Erhalt des Waldes notwendig ist. Seit 2009 ist er Präsident des Ökologischen Jagdverbandes Österreichs, der sich für eine umweltbewusstere Jagd einsetzt. Obwohl der ÖJV um die 500 Mitglieder zählt, gibt Puchegger zu, dass die übergroße Mehrheit der Jäger ihren Anliegen noch immer sehr kritisch gegenübersteht.
Ein zentrales Thema für den ÖJV ist der Schutz der Wälder: „Wir brauchen einen Mischwald mit trockenresistenten Baumarten wie der Eiche, der Hainbuche oder der Linde, um den Klimawandel zu überdauern. Der wird durch den überhöhten Reh- und Rotwildbestand verhindert. Die Waldbesitzer müssen Zäune und Forstpflanzen setzen und das ist sehr teuer.“ Ein großes Problem ist auch die Verwendung von Bleimunition, wodurch jedes Jahre 30 Tonnen Blei in die Natur kommen. Puchegger hat außerdem wenig Sympathie für den noch immer sehr starken Trophäenkult und die Gatterjagd, wo hunderte Tiere zusammengetrieben werden, um von reichen Kunden erschossen zu werden. Eher unüblich für einen Jäger freut Puchegger sich über die Rückkehr der großen Raubtiere nach Österreich: „Wenn es genug Bären, Luchse, Wölfe und Goldschakale gibt, die den Wildstand regulieren, könnte ich mir vorstellen, dass ich nicht mehr jage. Aber ich würde immer gerne das eine oder andere Stück Wild schießen, damit ich ein gutes Fleisch zu Hause habe, wovon ich weiß, dass es nicht von der Massentierhaltung kommt.“
Eine Milliarde erspart durch Hobbyjäger. Seit 2011 ist der frühere Vizekanzler Josef Pröll Landesjägermeister von Niederösterreich. Obwohl er nicht aus einer Jägerfamilie stammt, hat er schon in seiner Jugend als Bauernsohn im Weinviertel viel mitgekommen von der Jagdkultur. Gemeinsam mit ein paar Freunden hat er ein Revier in der Nähe von Lilienfeld gepachtet: „Wir haben viel Spaß miteinander, aber wir nehmen die Hege sehr ernst.“ Mit einem Klischee möchte Pröll aber aufräumen: Für Lobbying ist die Jagd denkbar ungeeignet: „Das Witzige ist, dass die Stunden, die man bei der Jagd verbringt, die einsamsten Stunden im ganzen Jahr sind.“ Für Leute, die Netzwerken wollen, würde es andere und bessere Möglichkeiten geben.
Die Kritik, dass der Wildstand zu hoch ist, stimmt laut Pröll nur teilweise: „In der Umgebung von Wien gibt es eine große Tradition der Niederwildjagd auf Hasen und Fasanen. Deren Bestände haben aber dramatisch abgenommen und sind so niedrig wie nie zuvor ... Im Rotwildbereich und in den Schutzwaldregionen gibt es eine Herausforderung, aber das ist aus meiner Sicht lokal zu lösen.“
In Bezug auf die großen Raubtiere wünscht Pröll sich einen „Dreistufenplan“: „Das Erste ist absolute Gegnerschaft zum gezielten Aussetzen und Ansiedeln. Zweitens: Bei allen Tieren, die kommen, muss man eine Diskussion führen, wie der Einfluss der Prädatoren auf das Wild und vor allem aber auf die Landwirtschaft ist, und was sagen der Tourismus und Menschen in der Region dazu … Am Ende der Debatte muss eine Regulierung in einer Kulturlandschaft stehen, die eben eine Kulturlandschaft und nicht mehr nur Natur ist.“
Als ehemaliger Finanzminister betont Pröll auch, dass man die Jagd als Wirtschaftsfaktor nicht unterschätzen soll. „In Bezug auf die Bekleidung, die Technik wie Ferngläser oder Waffen und alles, was der Jäger für sein Handwerk braucht, schätzen wir, das etwa 250 Millionen Euro umgesetzt werden.“ Daneben erledigen die Hobbyjäger eine Aufgabe, die sonst von Berufsjägern erledigt werden müsste: „Wenn man die Wildstandregulation professionell machen würde, ginge das wahrscheinlich in die Milliarde.“