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Nicht nur der Gesamtstaat, sondern auch Städte und Gemeinden werden in den nächsten Jahren einen Konsolidierungsbeitrag leisten müssen. Das ist besonders schwierig, da sie stark von den von Bund und Ländern vorgegebenen Rahmenbedingungen abhängig sind. Von Peter Biwald, Karoline Mitterer, KDZ
Die aktuelle Gemeindefinanzprognose zeigt, dass ohne Gegensteuerungsmaßnahmen in den nächsten Jahren von Leistungskürzungen auszugehen ist.
Schwierige Ausgangslage. Gesamtstaatlich besteht ein beträchtlicher Konsolidierungsbedarf. Der Fiskalrat ging zuletzt von zumindest 4,4 Mrd. Euro für 2025 aus (Presseinformation vom 5.11.2024). Gemäß Einschätzung der Europäischen Kommission könnte dieser Betrag auch noch merklich höher werden. Durch die Steuerreformen der letzten Jahre ohne Gegenfinanzierung und die allgemeine Abschwächung der konjunkturellen Lage liegt die Einnahmendynamik nun deutlich unter jener der Ausgaben. Dies wird durch zusätzliche Aufgaben der Städte und Gemeinden verschärft, insbesondere für die Bereiche Klimaschutz, Kinderbetreuung, Soziales, Gesundheit, öffentlicher Verkehr und auch durch das Informationsfreiheitsgesetz.
Ergebnisse der Gemeindefinanzprognose. Das KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung hat im Auftrag des Österreichischen Städtebundes eine Prognose zur Entwicklung der Gemeindefinanzen bis zum Jahr 2028 erstellt. Unter Berücksichtigung aktueller Prognosegrundlagen (insb. WIFO, BMF), der Ergebnisse des Finanzausgleichs 2024 sowie des Gemeindepaketes von Anfang Juni 2024 (Szenario 1) sinkt die Liquidität der Städte und Gemeinden zunehmend. Für das Jahr 2025 ist mit rund 45 Prozent an Abgangsgemeinden zu rechnen, Tendenz steigend.
Zentrale Kennzahl zur Einschätzung der Gemeindefinanzen ist der Saldo der operativen Gebarung. Dies sind jene Mittel, welche den Städten und Gemeinden nach Deckung des laufenden Betriebs für Investitionen und Tilgungen zur Verfügung stehen. Unter Berücksichtigung der Inflation wird der Saldo der operativen Gebarung bereits 2026 nur mehr die Hälfte des Niveaus von 2019 erreichen.
Die Öffentliche Sparquote, welche ebenfalls das Potenzial für Investitionen darstellt, wird bis 2028 auf nur mehr knapp über 5 Prozent sinken, während sich diese bis zum Jahr 2019 noch bei 12 bis 13 Prozent bewegt hat. Diese zeigt an, in welchem Ausmaß Überschüsse aus dem operativen Bereich verbleiben, um Investitionen tätigen und Tilgungen zahlen zu können.
Aushöhlung der Finanzierungsbasis über Umlagen. Städte und Gemeinden erbringen eine Vielfalt an Leistungen – von der Kinderbetreuung und Schulen über die Infrastruktur bis hin zu Sport- und Kultureinrichtungen. Die zur Finanzierung der kommunalen Daseinsvorsorge zur Verfügung stehenden Einnahmen reduzieren sich jedoch von Jahr zu Jahr, da auch über Transfers ein immer größerer Teil der Einnahmen von den Städten und Gemeinden an die Länder für die Bereiche Krankenanstalten und Soziales abzutreten ist. Die KDZ-Prognose zeigt, dass bis 2028 von einem Euro, welchen die Städte und Gemeinden aus dem gemeinschaftlichen Steuertopf erhalten, durch diese Transfers nur mehr 39 Cent bei den Städten und Gemeinden verbleiben. Damit ist die Finanzierung der eigentlichen kommunalen Aufgaben nicht mehr möglich. Der Intention des Finanzausgleichs, mit den Gemeinde-Ertragsanteilen die Aufgaben der kommunalen Daseinsvorsorge zu finanzieren, wird damit widersprochen.
Auch die seit Jahrzehnten unterlassene Grundsteuerreform hat die Finanzierungsbasis der Städte und Gemeinden nachhaltig geschwächt.
Konsolidierung durch Maßnahmenbündel. Die Verantwortung für stabile Gemeindefinanzen liegt nicht nur bei Städten und Gemeinden alleine, da sich diese nur innerhalb eines eng vorgegebenen Rahmens bewegen können. Um die Gemeindefinanzen wieder in einen Erholungspfad zu führen, empfiehlt das KDZ daher eine Kombination an Maßnahmen.
Wichtiger Punkt ist die Entflechtung der Transfers bei Pflege, Sozialhilfe und Gesundheit. Hier empfiehlt das KDZ eine Entlassung der Städte und Gemeinden aus der Mit-Finanzierungsverantwortung. Steigen die Umlagen um 2 Prozentpunkte weniger als prognostiziert, würde dies eine Entlastung von über 300 Mio. Euro am Beispiel des Jahres 2028 bringen.
Eine Verstetigung des einmaligen Bundeszuschusses 2025 würde für die Gemeinden ohne Wien weitere 220 Mio. Euro bedeuten. Die noch verbleibende Lücke von 1,15 Mrd. Euro müsste über Konsolidierungsmaßnahmen der Städte und Gemeinden umgesetzt werden. Eine Anhebung der Grundsteuer durch eine Erhöhung des Hebesatzes könnte hier kurzfristig unterstützen. Das Maßnahmenbündel umfasst Effizienzsteigerungen, die Ausschöpfung weiterer Einnahmenpotenziale und die eigene Aufgabenkritik. Ohne ein solches Maßnahmenbündel ist von deutlichen Kürzungen von Gemeindeleistungen auszugehen. Investitionen in Klimaschutz und zum Beispiel der weitere Ausbau der Kinderbetreuung wären nicht mehr möglich.
Bessere Rahmenbedingungen für Gemeinden. Damit die Gemeinden Konsolidierungen umsetzen können, benötigen diese geeignete Rahmenbedingungen. Das KDZ empfiehlt daher an mehreren Ebenen anzusetzen:
• Entflechten bei Soziales und Gesundheit: Die Entlassung der Gemeinden aus der Finanzierungsverantwortung wäre ein Beitrag zur besseren Zusammenführung der Einnahmen-, Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung und könnte damit ein Beitrag zur höheren Effizienz sein.
• Einnahmen der Gemeinden stärken: Neben der bereits oben angesprochenen kurzfristigen Anhebung der Grundsteuer bedarf es mittelfristig weiterhin einer Grundsteuerreform. Daneben sollten die Potenziale für Leerstandsabgabe und Zweitwohnsitzabgabe in allen Bundesländern gehoben werden, da dadurch auch nützliche Steuerungseffekte erzielt werden könnten. Ebenfalls zu diskutieren ist, wie weit nicht die Nutzerfinanzierung wieder gestärkt werden sollte.
• Koordinierte Aufgabenkritik: Um im Zuge der notwendigen Konsolidierungen nicht nach der Rasenmähermethode vorgehen zu müssen, empfehlen wir eine koordinierte Aufgabenkritik. Dies kann eine Evaluierung (und Reduzierung) von bestehenden normativen Leistungsvorgaben (z.B. Bauvorschriften, Erhaltungsvorgaben Straßeninfrastruktur, Standards Rettungswesen) sein. Auch gilt es Zielkonflikte abzuwägen und Aufgaben zu priorisieren (z.B. Aufteilung Finanzierungslast Gesundheit/Soziales auf Länder und Gemeinden ODER Absicherung/Ausbau der kommunalen Daseinsvorsorge? Kindergarten: höhere Betreuungsquote ODER kleinere Gruppengrößen? Ausbau Kinderbetreuung ODER Investitionen in Klimaschutz?)
• Regionale Zusammenarbeit neu denken: Durch verstärkte Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene sind Effizienzeffekte zu erwarten (z.B. fünf Gemeinden – eine Verwaltung). Auch regionale Personalpools zum Kompetenzaufbau bei komplexen Materien könnten unterstützen (z.B. Klimaschutz und -wandelanpassung)
• Rolle der Länder im Verhältnis zu Gemeinden evaluieren und weiterentwickeln: Potenzial für einen effizienteren Mitteleinsatz besteht auch im Bereich der Bedarfszuweisungen, welche von den Ländern an die Gemeinden vergeben werden. Diese könnten stärker Richtung Effizienz, Effektivität und Transparenz weiterentwickelt werden. Länder könnten generell stärker eine koordinierende Rolle einnehmen und die interkommunale Zusammenarbeit der Gemeinden stärker fördern. Ein wichtiger Ansatz wäre auch, wenn sich die Länder stärker als Servicestelle der Gemeinden sehen würden.
Zum KDZ-Prognosemodell. Das KDZ-Prognosemodell setzt an den Gemeindefinanzen gemäß der MVAG-Logik an (Mittelverwendungs- und -aufbringungsgruppen gemäß VRV 2015). Betrachtet werden dabei jeweils die Gemeinden ohne Wien, da Wien als Bundesland und Gemeinde nicht mit den anderen Gemeinden vergleichbar ist. Betreffend der Annahmen des laufenden Jahres fließen auch die Ergebnisse der Voranschläge gemäß www.offenerhaushalt.at der Gemeinden ein.
Wesentliche Grundlage sind die Prognosewerte von WIFO und BMF:
• Ertragsanteile – BMF Oktober 2024
• Finanzzuweisungen: Berücksichtigung FAG 2024-Ergebnisse (z.B. Zukunftsfonds), Gemeindepaket Juni 2024
• Eigene Abgaben: Kommunalsteuer gemäß Lohn- und Gehaltssumme (WIFO Nov. 2024), weitere eigene Abgaben gemäß 5-Jahresschnitt
• Gebühren und Leistungsentgelte: Mittelwert aus VPI Vorjahr und aktuelles Jahr, VPI gemäß WIFO Nov. 2024
• Personalausgaben: aktuelle Abschlüsse 2024, ab 2025: VPI des Vorjahres + 1% Vorrückung
• Umlagenentwicklung entsprechend Abfrage bei Ländern; sofern noch keine Vorgaben des Landes verfügbar waren, erfolgten Annahme auf Basis der Auskunft von Städten (Stand Mitte Nov. 2024)
• weitere Annahmen
- weitere Einnahmen- und Ausgabengrößen Mittelwert aus VPI Vorjahr und aktuelles Jahr (WIFO Nov. 2024)
- Rückgang Energiepreise ggü. 2023 (-45 Prozent bei Energiekosten), Stabilisierung in den Folgejahren
- hoher Anteil an fixverzinsten Darlehen, Stabilisierung auf Niveau 2024
- Verschiebungen bei Gemeinde-Bedarfszuweisungen zugunsten Haushaltsausgleich noch nicht berücksichtigt
Nähere Details zu den Prognosegrundlagen können der Präsentationsunterlage entnommen werden.
In der Gemeindefinanzprognose werden zwei Szenarien verwendet. Die Unterschiede können der beiliegenden Übersicht entnommen werden.
Weitere Infos
https://www.kdz.eu/sites/default/files/2024-12/Gemeindefinanzprognose_05122024.pdf