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Es gibt wenige Städte mit einer solchen berühmten Gründungslegende wie Klosterneuburg. Um das Jahr 1100 befand sich Markgraf Leopold mit seiner Gemahlin Agnes auf dem Kahlenberg, als ein Windhauch Agnes' Schleier wegblies. Der spätere Landespatron von Österreich gelobte an der Stelle, wo die Schleier wiedergefunden wurde, eine Kirche zu bauen. So entstanden das Stift und die Stadt Klosterneuburg. Die Erinnerung an Leopold und Agnes verbindet Klosterneuburg auch mit ihrer Partnerstadt Göppingen. Als sie Leopold heiratete, war Agnes die Witwe von Kaiser Friedrich I von Hohenstaufen, deren Stammburg sich in Göppingen befand. Von Michael de Werd
Allerdings hatte die Entstehung der Partnerschaft eigentlich einen ganz anderen Hintergrund. Als nach dem Zweiten Weltkrieg Millionen Sudetendeutsche aus der Tschechoslowakei vertrieben wurden, übernahmen sowohl Klosterneuburg als auch Göppingen für sie die Rolle einer Patenstadt. Auch der damalige Göppinger Bürgermeister Herbert König und sein Klosterneuburger Kollege Karl Resperger waren Heimatvertriebene. Aus den informellen Kontakten entstand 1971 schließlich eine offizielle Partnerschaft. Obwohl in beiden Städten noch immer regelmäßig Treffen von Heimatvertriebenen stattfinden, nimmt die Zahl der Teilnehmer aus verständlichen Gründen allmählich ab. Trotzdem ist die Städtepartnerschaft auch nach mehr als einem halben Jahrhundert noch immer quicklebendig.
Christoph Kaufmann ist zwar erst seit einem Jahr Bürgermeister von Klosterneuburg, aber mit der Partnerschaft ist er mehr oder weniger aufgewachsen: „Mein Vater war 40 Jahre lang im Gemeinderat und ich war sechs, sieben Jahre alt, als ich zum ersten Mal nach Göppingen mitgefahren bin. Eine meiner ersten Kindheitserinnerungen war der Maientag. Das ist das große Fest dort mit einem wunderschönen Aufzug mit historischen Gewändern.“ In Gegensatz zu anderen Städten hat sich Klosterneuburg immer auf eine einzige Partnerschaft beschränkt: „Es gibt immer Anfragen von Gemeinden, die Interesse hätten, aber wir wollen nur diese eine und sie dann umso mehr pflegen.“ Ein wichtiger Faktor ist laut Kaufmann, dass es auch auf der menschlichen Ebene klappt: „Mit Alex Maier, dem Bürgermeister von Göppingen, habe ich ein ganz tolles Verhältnis – auch über die Parteigrenzen hinweg.“ Während Kaufmann wie seine Vorgänger aus der ÖVP kommt, ist Maier seit 1990 der erste grüne Oberbürgermeister von Göppingen.
Der Bürgermeister als Bootsmann. Auch Alex Maier ist voll des Lobes über die Partnerstadt: „Jedes Mal, wenn wir als Delegation dort sind, ist es wie ein Heimkommen.“ Ein großer Vorteil für Klosterneuburg ist laut Maier, dass das Stift noch immer aktiv ist. „Es hat Teil am täglichen Leben in der Stadt. Es ist ein Arbeitgeber, produziert Waren und ist die erste Anlaufstelle für Touristen.“ Die Burg Hohenstaufen ist dagegen seit den Bauernkriegen eine Ruine. Trotzdem ist sie noch immer identitätsstiftend für die Stadt und die ganze Region: „Wenn man durch Göppingen geht, hat man das Gefühl, dass jedes zweite Geschäft nach dem Hohenstaufen benannt ist. Unser Einkaufszentrum heißt z.B. Agnes.“
Auch in Bezug auf die Mentalität sieht Maier gewisse Unterschiede: „Die Schwaben sind tendenziell etwas zurückhaltend, wenn es um neue Bekanntschaften geht. Wenn man sie besser kennt, sind es die besten Leute, die es gibt.“ Die Österreicher wären da etwas offener und lockerer: „Der Schmäh mit seinem trockenen Humor ist schon etwas Besonders. Hier ist es etwas derber – nicht so mit dem Florett, sondern eher mit dem Holzhammer.“
Maier ist mit Kaufmann einer Meinung, dass die Idee einer Städtepartnerschaft keineswegs überholt ist: „Ich finde sie sogar wichtiger als früher, in einer Zeit, wo viele sich wieder zurückziehen auf die eigene Nation. Durch die neuen Kommunikationsmöglichkeiten ist es auch viel einfacher den Kontakt aufrecht zu erhalten.“ Von den Musikvereinen bis zu den Schachklubs gibt es einen regen Austausch zwischen den beiden Städten, aber auch auf Verwaltungsebene funktioniert die Zusammenarbeit hervorragend. Als Klosterneuburg z.B. ein neues Archiv bekam, stieß das auf großes Interesse bei den Göppingern. „Wir haben das gleiche Problem, dass wir neue Räumlichkeiten brauchen“, erzählt Maier. „Wir haben uns deswegen angeschaut, wie man es macht, was es kostet und worauf man achten soll.“
Ein besonderes Erlebnis war es für Maier, als die Göppinger Feuerwehr eine Bootsmannausbildung auf der Donau bei Klosterneuburg machte. „Es gibt schöne Gegebenheiten dort. Ich habe auch teilgenommen und bin jetzt Bootsmann.“ Und wie wichtig der Schutz gegen Katastrophen noch immer ist, wurde klar, als im Vorjahr beide Städte durch ein Jahrhunderthochwasser getroffen wurden. Während in Juni Göppingen zu den am schwersten getroffenen Gebieten in Deutschland zählte, trat in September in Klosterneuburg die Donau über ihre Ufer.
Lernen vom Heiligen Leopold. Für Christoph Kaufmann ist es vor allem eine Sache, die die Partnerstädte verbindet: „Wir haben sehr starke historische Wurzel, auf die wir sehr stolz sind, aber wir schöpfen daraus auch die Kraft und den Antrieb nach vorne zu schauen. Göppingen ist hoch innovativ in vielen Bereichen.“ Unternehmen wie der Softwareentwickler Teamviewer oder Schuler auf dem Gebiet der Umformtechnik sind weltweit aktiv. In Klosterneuburg gibt es auf dem Kunstgebiet nicht nur das Stift mit Schätzen wie dem berühmten Verduner Altar. Durch die Albertina Klosterneuburg und das Art Brut Center in Gugging ist die Stadt gleichzeitig ein wichtiges Zentrum für zeitgenössische Kunst.
Und mit dem Institute of Science and Technology und dem Konrad-Lorenz-Institut für Evolutions- und Kognitionsforschung verfügt sie außerdem über zwei bedeutende Forschungsstätten, wo an der Zukunft gearbeitet wird. „Es ist wie es bei uns in Wahrheit auch Markgraf Leopold III. gemacht hat. Er war auch ein Visionär.“