Das Internet und die Demokratie Tim Berners-Lee und Anke Domscheit-Berg über Chancen und Risken
Wien (PK) - Dem Spannungsverhältnis von Internet und Demokratie widmete sich heute eine Veranstaltung, zu der Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und der Generalsekretär der Industriellenvereinigung Christoph Neumayer ins Parlament eingeladen haben. Der britische Informatiker und Physiker Sir Tim Berners-Lee, der als Erfinder des World Wide Web gilt, und Anke Domscheit-Berg, Mitbegründerin von Government 2.0 Netzwerk Deutschland, setzten sich dabei in ihren Referaten mit der Frage auseinander, welche Möglichkeiten, Chancen und Risken dieses Massenmedium, das die Beziehungen zwischen Politik, Verwaltung, Bürgerinnen und Bürgern neu definiert hat, für die Demokratie in Europa bietet.
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer hob in ihren Begrüßungsworten die Bedeutung des Internets für die Demokratie, aber auch dessen Risken und Gefahren hervor und sprach von einem notwendigen Zusammenspiel von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, wobei sie gerade letztere aufgefordert sah, sich auf den Prüfstand zu stellen. Sie erinnerte an eine Reihe von Veranstaltungen im Parlament, die sich mit der Herausforderung durch die digitalen Medien beschäftigen, aber auch an entsprechende Projekte im Rahmen der Demokratiewerkstatt.
Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung, wertete die intelligente Nutzung von Informationen als bedeutenden Standortfaktor und ortete einen Aufholbedarf Österreichs in Sachen neue Kommunikationsmittel. Es gelte insbesondere, Rahmenbedingungen für einen verstärkten Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen zu schaffen, betonte er und rief zu einer technologieneutralen, bundesweiten Förderung und zu einem Schulterschluss von Industrie und Politik auf, um den Anschluss an das europäische Spitzenfeld zu finden.
Hannes Ametsreiter, Generaldirektor Telekom Austria Group, interpretierte das Verfügbarmachen öffentlicher Daten als Demokratisierungsschub, sprach von einem Nachholbedarf Österreichs bei der Schaffung des Internetzugangs für alle und meinte, die Gesellschaft sei eine bessere, wenn jedermann teilhaben könne am Internet. Er plädierte u.a. dafür, die Ausbildung in der Schule bereits auf Medienfertigkeiten hin auszurichten.
Sir Tim Berners-Lee befasste sich mit den Einflussmöglichkeiten der Regierungen auf das Internet und sah es als Aufgabe der Politik, das Internet vor politischer und kommerzieller Diskriminierung zu schützen. Dem Staat obliege es vor allem, für die Ausbreitung des Internets und insbesondere dafür zu sorgen, dass jeder freien Zugang zum Web erhalte. Wesentlich war für Berners-Lee auch das Zugänglichmachen öffentlicher, nicht personenbezogener Daten im Sinne von Open Data, wo er allerdings Österreich im internationalen Vergleich in Rückstand sah. Die Freigabe von Daten im Internet koste nichts, trage zur Transparenz bei, mache das Leben der BürgerInnen einfacher, könne der Verkehrssicherheit oder dem Umweltschutz dienen und helfe überdies Unternehmen, kostengünstiger und effizienter zu arbeiten, argumentierte er unter Hinweis auf praktische Beispiele aus Großbritannien.
Anke Domscheit-Berg bezeichnete Open Data als anderes Selbstverständnis von Staat, das Transparenz sowie neue Formen der Zusammenarbeit und Partizipation umfasse. Auch sie stellte einen Nachholbedarf Österreichs in diesem Bereich fest und bemerkte, der Zugang zu Information habe keinen Verfassungsrang, die gesetzlichen Regelungen würden eher auf die Sicherung des Amtsgeheimnisses hinauslaufen. Der Wandel zu einer offenen Gesellschaft lasse sich aber nicht aufhalten, die Zukunft sei der gläserne Staat, zeigte sie sich überzeugt. Klar war für Domscheit-Berg auch, dass Open Data einen Mehrwert für die BürgerInnen bedeutet und dass Transparenz die wirksamste Waffe gegen Korruption und Amtsmissbrauch bildet. An die Politik appellierte sie, klare gesetzliche Vorgaben hinsichtlich Informationsfreiheit und Offenlegung von staatlichen Daten zu schaffen.
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