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Dem Alltag Rechnung tragen

80 Millionen Euro investiert die Bundesregierung bis 2015 jährlich in den Ausbau der schulischen Tagesbetreuung. Mit dem umfangreichen Konzept wird der Familien-Alltag erleichtert und der Schüler-Alltag vielseitiger gemacht.
Von Alexandra Keller

Gesellschaftlichen Veränderungen so zu begegnen, dass die Betroffenen sich gut fühlen, ist wohl das edelste Ziel der Politik. Sind Familienleben von solchen Veränderungen betroffen, gilt dies gleichsam doppelt. Es ist wahrlich kein Geheimnis, dass in den letzten zwei bis drei „Familien-Jahrzehnten“ viele Umwälzungen alte Modelle immer älter aussehen ließen.  Proportional zum Staub, den diese ansetzten, stieg der Energieaufwand der Eltern, um die eigenen Erwartungen zu erfüllen und ihren Kindern trotz allem einen schönen, an Möglichkeiten reichen Start ins Leben zu bescheren.   

Verändertes Tempo

Diesen schweißtreibenden Alltag kennt jeder. Und wenn nicht aus eigenem Erleben, dann aus der Beobachtung. Berufstätige Taxi-Mütter und -Väter, die von einem Programmpunkt zum nächsten rauschen, deren Organisationstalent auch angesichts der eigenen beruflichen Herausforderungen überstrapaziert wird und die am Ende des Tages erschöpft ins Bett sinken, um am nächsten Morgen von vorne zu beginnen. Teils in ideologischem Hickhack verstrickt, teils schlicht zu langsam für diesen neuen, rasenden Familien-Alltag, hinkte die Politik den Gegebenheiten trotz vielerlei Ansätze und Ideen hinterher. Klar war und ist aber, dass die Vormittagsschule ein überholter Klassiker ist, weil sich der familiäre Alltag gravierend verändert hat.
„Die geänderte Familiensituation in der modernen Gesellschaft einerseits und der Auftrag zur optimalen Förderung aller Schülerinnen und Schüler im Sinne der Chancengleichheit andererseits machen es in verstärktem Maße notwendig, für eine verantwortliche Betreuung von Schülerinnen und Schülern über das traditionelle Angebot hinausgehend in der unterrichtsfreien Zeit (am Nachmittag) zu sorgen“, hieß es schon 1984 in einem Arbeits- und Forschungsbericht des Zentrums für Schulversuche und Schulentwicklung.

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Bundesministerin Claudia Schmied:  „Mein Ziel ist, dass bundesweit zumindest an jedem zweiten Schulstandort ein Ganztagsangebot vorhanden sein soll.“

Bildnachweis: Management Club/APA-OTS/Peter Hautzinger


Generelle Antworten auf facettenreiche Fragen zu geben, ist nicht minder schwer, als den unterschiedlichen Voraussetzungen, die kleine Dörfer und größere Städte mit sich bringen, gerecht zu werden. Seit 1984 erfuhr die Umsetzung der ganztägigen Schul- beziehungsweise schulischen Betreuungsformen viele Höhen und Tiefen, gipfelte vorerst 2007 in den „Empfehlungen für gelungene schulische Tagesbetreuung“ des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) und 2011 in deren überarbeiteten Neuauflage, die nunmehr mit großem Aufwand umgesetzt werden sollen.

Das Projekt

„Mit der schulischen Tagesbetreuung leisten wir einen wichtigen Beitrag für mehr Bildungsqualität und Chancengleichheit und erleichtern Eltern mit schulpflichtigen Kindern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, heißt es aus dem „Haus“ der Bildungsministerin Claudia Schmied (SPÖ). „Neben dem quantitativen Ausbau ist uns die qualitative Verbesserung der Tagesbetreuung mit einem umfassenden Bildungs- und Erziehungsangebot, das sich auf den gesamten Tagesablauf bezieht, wichtig. Schulische Tagesbetreuung ist ein Teil eines pädagogischen Gesamtkonzeptes des jeweiligen Schulstandortes, das alle an der Schule Tätigen mittragen und im Sinne einer lernenden Organisation weiterentwickeln. Bildung, Erziehung und Betreuung müssen ein ganzheitliches Angebot in der Schule darstellen und neue Lernformen ebenso wie außerschulische Kooperationspartner einbeziehen.“

Um das ambitionierte Ziel zu erreichen, wurde unter anderem das neue Berufsbild des „akademischen Freizeitpädagogen“ geschaffen. Im Herbst 2011 startete der erste, einjährige und berufsbegleitende Lehrgang, die ersten Absolventen werden im Schuljahr 2012/13 zum Einsatz kommen. Bis 2015 investiert die Bundesregierung jährlich 80 Millionen Euro an Bildungs-Offensivmitteln in den Ausbau der schulischen Tagesbetreuung, also ein Gesamtvolumen von 320 Millionen Euro. Förderungswürdig sind ausschließlich Anschaffungen, Adaptierungen etc., die direkt mit dem Ausbau der schulischen Tagesbetreuung zusammenhängen. „Ziel ist es, dort ein Angebot zu schaffen, wo die entsprechende Nachfrage besteht. Dafür werden die derzeit bestehenden 105.000 Plätze für die schulische Tagesbetreuung auf 160.000 ausgeweitet“, so das BMUKK.

Das Gütesiegel

Nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ sollen in den kommenden Jahren neue Maßstäbe für die Tagesbetreuung gesetzt werden. Bis 31. Dezember 2011 können alle Schulen Österreichs bei ihrer Schulbehörde ihre Angebote für die Tagesbetreuung anmelden. Diese werden nach strengen Kriterien geprüft und erhalten die Chance, im Juni 2012 das Gütesiegel für zwei Jahre verliehen zu bekommen. Für Eltern bietet dieses Gütesiegel Orientierungshilfe bei der Schulwahl für ihre Kinder – und für die Schulen ist das Gütesiegel Ansporn, die Qualität ihrer Tagesbetreuung zu sichern, auszubauen oder zu verbessern. „Derzeit sind 196 Schulen mit dem Gütesiegel ausgezeichnet“, stellte Ministerin Schmied beim Gütesiegel-Startschuss für 2012 in der Volksschule Zieglergasse in Wien fest. „Denn ganztägige Schulangebote zeichnen sich, wie ich mich hier in dieser Volksschule überzeugen konnte, dadurch aus, dass sie eine optimale Mischung anbieten. Dazu gehören pädagogische Angebote, die den Bedarf an Nachhilfe einschränken, ebenso wie hochwertige Freizeitangebote vom Theaterspiel bis zum Sport.“

Und wenn das Aufatmen in jenen Familien, deren Alltag so zerrissen wie anstrengend ist, bundesweit hörbar wird, hat die Politik ein edles Ziel erreicht.