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Der Schuldenberg wächst

Auch wenn der Saldo aus den kommunalen Einnahmen und Ausgaben im Vorjahr wieder fast das Niveau aus dem Jahr 2008 erreicht hat, kann von Entspannung keine Rede sein. Der Ausblick auf die nächsten Jahre ist nämlich keinesfalls rosig: Die Ausgaben werden stärker steigen als die Einnahmen. Der Städtebund fordert mehr Effizienz und eine Neuordnung der Transfers.
Von Linda Maschler

Die Beschaulichkeit in so mancher österreichischen Mini-Gemeinde ist trügerisch. Hinter den Mauern der schmucken Häuser und Höfe gärt es gewaltig, denn es geht ans Eingemachte: Bund und Länder wollen Gemeindefusionen, die massive Einsparungen bringen sollen. Doch nur wenige der dörflichen Bewohner können sich dafür begeistern. So stimmten in den letzten Wochen bei Volksbefragungen in Oberösterreich und in der Steiermark mindestens 90 % der Bevölkerung gegen eine Zusammenlegung ihrer Gemeinde mit Nachbargemeinden. Typisches Beispiel: Der 600-Seelen-Ort Hartl im steirischen Bezirk Hartberg, wo sich mehr als 96 Prozent der Bewohner gegen eine Zusammenlegung mit anderen Gemeinden aussprachen.

Glaubt man jedoch Fachleuten wie dem Linzer Volkswirtschaftsprofessor Friedrich Schneider oder dem Regionalexperten des Wirtschaftsforschungsinstitutes Hans Pitlik, wird an größeren Einheiten – sprich Fusionen – kein Weg vorbeiführen: „Österreich hat eine im Vergleich mit anderen Ländern sehr kleinteilige Gemeindestruktur, bei der viele Potenziale in der Infrastruktur und der Verwaltung nicht ausgeschöpft sind“, erklärt Pitlik. Schneider legt konkrete Zahlen für die geplante Stadt Aist in Oberösterreich vor: Drei Kommunen würden durch eine Fusion jährlich in Summe rund 500.000 bis 800.000 Euro – das wären 4,85 Prozent ihrer Ausgaben – sparen.

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Schuldenberg

Städtebund schlägt Alarm

Angesichts der angespannten Finanzlage der 2.357 österreichischen Kommunen schlägt auch der Österreichische Städtebund anlässlich  des Mediengesprächs Aktuelle Finanzprognose für Städte und Gemeinden bis 2015 und der Präsentation der Studie Gemeindefinanzen 2001 bis 2010 Alarm: Der Schuldenberg der Gemeinden hat sich 2010 auf stolze 11,7 Milliarden Euro aufgetürmt (2009: 11,5 Milliarden). Mit der Gemeinde Wien, die als Bundesland einen Sonderstatus hat, waren es sogar 14,7 Milliarden. Nicht hinzugerechnet wurden geschätzte sechs bis sieben Milliarden Euro, die der Städtebund in ausgelagerten Gesellschaften vermutet. „Die Schulden der ausgelagerten Betriebe sind kaum bekannt“, bestätigt WIFO-Experte Pitlik die fehlende Transparenz. Dass 2010 eine leichte Stabilisierung in der Gebarung erkennbar war, ist nicht mehr als Placebo: Die Ertragsanteile verringerten sich im Vorjahr gegenüber 2009 um 57 Millionen Euro, die weiteren Einnahmen wuchsen 2010 in einem geringen Ausmaß, und die Ausgaben verzeichneten einen geringen Anstieg. Positiv wirkte sich das niedrige Zinsniveau aus, die Transferzahlungen an die Länder, Krankenanstalten und Sozialfonds stiegen jedoch stark an: innerhalb eines Jahres von 2009 auf 2010 um 180 Millionen Euro.

In den nächsten Jahren sei mit keiner wesentlichen Verbesserung der Gemeindefinanzen zu rechnen und nicht zuletzt lasse auch die von der Bundesregierung angekündigte Schuldenbremse nichts Gutes erwarten: Sie würde ohne flankierende Maßnahmen eine zusätzliche Verschärfung bringen. „Die Schuldenbremse braucht eine Aufgaben- und Transferbremse“, fordert Peter Biwald, Geschäftsführer des KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung und Mitautor der Studie. 


Dringende Strukturreformen
„Mittelfristig können nur durch echte Reformen die Leistungen der Städte und Gemeinden abgesichert werden. Etwa durch eine Neuverteilung der Aufgaben und Ausgaben und eine umfassenden Struktur- und Verwaltungsreform, um Doppelgleisigkeiten und Mehrfachzuständigkeiten zwischen Ländern und Gemeinden zu beseitigen“, sagt Weninger, der zwar Verwaltungsgemeinschaften befürwortet, aber in Fusionen kein Allheilmittel für das zunehmend enge Korsett der Gemeindefinanzen sieht. Vielmehr müssten auch die Belastungen für zusätzliche Aufgaben wie etwa die Pflege oder das verpflichtende Kindergartenjahr konkret diskutiert werden. „Wenn der Gesetzgeber ein Kindergartenjahr beschließt, soll er es auch zahlen“, bestätigt Biwald.


Die Ergebnisse der jüngsten Volksbefragungen will Weninger nicht als der Weisheit letzten Schluss sehen: „Immerhin können sich 60 Prozent der gesamten österreichischen Bevölkerung laut einer Zeitungsumfrage Kooperationen vorstellen. Man muss den Menschen nur klar kommunizieren, dass die damit erreichten Einsparungen der kommunalen Ebene zugutekommen“, sagt er und führt auch den Reformansatz des EU-Raumord-nungskonzeptes, in funktionalen statt administrativen Räumen zu denken, ins Treffen. Wenn allerdings Gemeindeämter oder infrastrukturelle Einrichtungen nicht mehr in jeder Gemeinde vorhanden seien, müsse parallel dazu die Mobilität der Bevölkerung steigen. „Und wo ist das Geld für den öffentlichen Verkehr?“, fragt Weninger.


Aus für Prestigeprojekte

Feststeht, dass für Prestigeprojekte der fetten Vorkrisen-Jahre – wie etwa schlecht ausgelastete Thermenhotels – künftig kaum Geld vorhanden sein wird. Die freie Finanzspitze bewegte sich laut Städtebund zuletzt gegen null, sodass die Investitionstätigkeit deutlich rückläufig war. 2010 wurde um 300 Millionen Euro weniger investiert als in den Vorjahren.

WIFO-Regionalexperte Pitlik fordert jedenfalls – Krise hin oder her – mehr Eigenverantwortung für die Kommunen. „Wenn man den Gemeinden eine substanzielle Eigenhoheit – etwa bei den Steuereinnahmen – gebe, würde auch der Anreiz zum Sparen steigen. Es spricht vieles dafür, dass nicht überall effizient gewirtschaftet wird.“