Bildnachweis: Franz Pflügl /Hagmüller Architekten
Die Anlage besteht aus einem siebengeschoßigen Baukörper entlang der Wagramer Straße in Wien-Donaustadt, an den drei niedrigere, dreigeschoßige Gebäude anschließen, die einen Übergang zur lockeren Bebauungsstruktur in der Umgebung herstellen. Jede Wohneinheit verfügt über einen privaten Freiraum in Form einer Loggia, eines Balkons oder einer Terrasse. Das Erdgeschoß besteht - wie es die Wiener Bauordnung für Holzbauten ab vier Stockwerken vorschreibt – aus Stahlbeton, ebenso die drei Stiegenhauskerne – zur Gesamtaussteifung und Abtragung der Gebäudelasten. Im Erdgeschoß befinden sich die Gemeinschaftseinrichtungen sowie eine Gästewohnung.
Vielseitiger Werkstoff Holz
Mit dieser Wohnhausanlage wird der Beweis angetreten, dass Holz nicht „nur" wegen seiner ökologisch-nachhaltigen Qualitäten als CO2-neutraler Baustoff und seiner viel gelobten positiven Auswirkungen auf Wohnkomfort und Raumklima ein hervorragender Baustoff ist, sondern auch hinsichtlich Bauökonomie und konstruktiver Eigenschaften im großvolumigen urbanen Bauen seine Berechtigung hat.
Die sechs Obergeschoße des Bauteils A werden in einer Massivholzkonstruktion aus Brettsperrholz errichtet. Bei den drei niedrigeren Gebäuden handelt es sich um reine Holzbauten. Für die 101 geförderten Mietwohnungen liefert das Unternehmen Binderholz-Bausysteme auf einer Wohnnutzfläche von 8.440 m2 insgesamt 2.400 m3
Brettsperrholz. Darin sind ca. 1.900 Tonnen CO2 gespeichert. Wird das Gebäude am Ende seiner Lebensdauer wieder zerlegt, kann man die rund 19 Terajoule (ca. 5,2 TWh) an eingespeicherter Energie nutzen und diese in Strom und Wärme umwandeln. Damit wird allein durch das Baumaterial Holz fossile Energie in bedeutenden Mengen durch in Österreich verfügbare erneuerbare Rohstoffe eingespart. Seit November 2011 wurden die Brettsperrholz-Elemente im Binderholz-Werk in Hallein produziert – bis April 2012 wird der Rohbau aller sechs Holzgeschoße fertiggestellt sein. Kreuzweise verleimte Massivholzelemente (Brettsperrholz BBS) bilden die Wohnungstrennwände sowie das Trägermaterial der Gebäudehülle. Für die horizontalen Bauteile kommen Holzbetonverbund-Elemente zum Einsatz, womit die Vorzüge beider Baustoffe genutzt werden.
Brandschutz gewährleistet
Die vorgefertigten BBS-Wand- und -Deckenelemente inklusive aller Durchbrüche sorgen für eine außergewöhnlich kurze Errichtungszeit des Rohbaus, für eine saubere Baustelle und damit für gesündere Arbeitsbedingungen.
Die Elemente werden in unterschiedlichster Form eingesetzt – als tragende Wandteile, aber auch als Holzbetonverbundelemente in der Deckenkonstruktion. Um ein Höchstmaß an Sicherheit zu gewährleisten, werden auch die nicht tragenden Außenwandelemente mit Brettsperrholz BBS als Trägermaterial hergestellt.
Die Holzkonstruktion ist mineralisch verkleidet, also an der Fassade verputzt und innen mit RIGIPS-Systemen verplankt, wodurch eine Entzündung der Holzbauteile ausgeschlossen wird. Die besonderen Anforderungen der OIB-Richtlinie (Österreichisches Institut für Bautechnik) 2 wurden an wirtschaftlichen Konstruktionsvarianten in der MA 39 über 90 Minuten allseitig im Brandofen geprüft. Die gewählten Aufbauten überstanden die Prüfung einwandfrei und schützen die Holzkonstruktion vollständig vor dem Feuer.
Alle eingesetzten RIGIPS-Produkte wurden vom Österreichischen Institut für Baubiologie und -ökologie mit dem Prüfsiegel ausgezeichnet. Darüber hinaus bietet RIGIPS die Möglichkeit, sortenreine Baustellenabfälle wieder in den Produktionskreislauf zurückzuführen und somit wertvolle natürliche Ressourcen zu sparen.
Holzbau im urbanen Raum
Schluder Architektur profitiert bei diesem aus dem Bauträgerwettbewerb „Holzbau in der Stadt" hervorgegangenen Siegerprojekt von den Erkenntnissen der Forschungstätigkeit der letzten Jahre. Im Rahmen des Initiativforschungsprojektes „achtplus" erarbeitete sich das Büro hohe Kompetenzen im Bereich des urbanen Holzbaus. Nachdem die technische und wirtschaftliche Machbarkeit von Holzgebäuden bis zu einer Höhe von zwanzig Geschoßen nachgewiesen wurde, arbeitet das Projektteam nun in einer zweiten Forschungsphase an der prototypischen Entwicklung und Umsetzung bis zur Baureife eines weltweit einzigartigen Hochhauses mit technologisch ausgereifter Primärkonstruktion in Holz.
Das Projekt findet auch in der Fachwelt Anerkennung und wurde respektive wird auf mehreren Holzbau-Veranstaltungen präsentiert, so zum Beispiel im Rahmen der 43. Bildungswoche der Holzbau- und Zimmermeister in Alpbach. International ist der Holzbau auch im großvolumigen städtischen Bauen im Vormarsch. Summa summarum ist die Anlage in der Wagramer Straße ein wichtiger Schritt, um der Holzbauweise in Wien zu mehr Akzeptanz und Routine zu verhelfen.