Wir befinden uns im Jahre 2012 n. Chr. Ganz Österreich wird von Schulden geplagt. Ganz Österreich? Nein! Im Salzburger St. Johann im Pongau ist alles anders.
Von Marcus Eibensteiner
Krise? Was für eine Krise? Wer das heurige Budget der Salzburger Gemeinde St. Johann im Pongau im Detail ansieht, fühlt sich an die „goldenen“ 70er- und 80er-Jahre des vorigen Jahrhunderts erinnert. Da ist zum Beispiel ein neues Trinkwasserkraftwerk um 20 Millionen Schilling – pardon: 1,5 Millionen Euro – eingeplant.
225.000 Euro sind für freiwillige Sozialleistungen reserviert. Es gibt Schuleintritts- oder Schulübertrittsgeld, Weihnachtsgeld für AusgleichszulagenempfängerInnen und Bewirtschaftungsprämien in der Landwirtschaft. Nicht zu vergessen ist der 70-Euro-Liftsaisonkarten-Zuschuss für Kinder und Studenten.
Bildnachweis: Stadt Pongau
Der Gratis-Skilift für alle fällt in diesem Jahr nur noch mit seinen Betriebskosten ins Gewicht. Der wurde bereits 2011 um insgesamt 280.000 Euro realisiert. Und das alles ohne einen Cent Schulden! Also nicht grundlos wurde St. Johann im Pongau in der Kommunalstudie der BSL Managementberatung auf Platz 1 der besten Gemeinden mit mehr als 5.000 Einwohnern gesetzt. Nur zum Vergleich: Das „reiche“ Vösendorf bei Wien rangiert in dieser Liste auf Platz 177. Studienautor Stefan Maier: „Wir haben 50 Einzelwerte untersucht. St. Johann im Pongau hat gewonnen.“
Natürlich sprudeln in dem beliebten Tourismusort die Einnahmen, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn St. Johann lebt auch davon, dass in der Vergangenheit kaum Fehler gemacht wurden.
Vernunfttradition
Zum Beispiel wurde kein Prestigeprojekt errichtet. Selbst als durch den Verkauf der Sparkasse vor mehr als zwei Jahrzehnten eine fette Stange Geld in die Gemeindekasse von St. Johann gespült wurde, blieben die Gemeindevertreter besonnen. Kurz angedacht war ein eigenes Hallenbad, aber die hohen Betriebskosten schreckten schnell ab. Es wurde auch keine völlig überdimensionierte Sporthalle errichtet und an eine Therme hat auch niemand gedacht.
Bürgermeister Günther Mitterer, seit acht Jahren im Amt: „Meine Vorgänger haben immer darauf geschaut, nichts Unnötiges zu bauen. Das hilft uns natürlich heute sehr, weil wir es nicht erhalten müssen.“
Ausgerutscht sind die Gemeindevertreter auch nicht, als sich bis 2008 die „Finanzberater“ die Türklinke in die Hand gaben und todsichere Geldanlagen anpriesen. Günther Mitterer, in seinem Zivilberuf Flugsicherungsoffizier: „Da hat man schon sehr standfest bleiben müssen.“ So beträgt das gesamte Gemeindevermögen noch immer 21 Millionen Euro, und die Barreserven bringen immer noch Zinsen. Der Bürgermeister: „Was wir an Zinsen einnehmen, geben wir für die Bevölkerung auch aus. Aber die Rücklagen selber greifen wir nicht an.“
Gemeinsame Linie
Vielleicht liegt es auch an der politischen Kultur in St. Johann, warum der Laden so gut läuft. Zwar gibt es die üblichen Parteien, aber die spielen keine besonders große Rolle. Entschieden wird vor allem sachbezogen. So stellen selbst die gewohnt kritischen Grünen dem schwarzen Bürgermeister ein glänzendes Zeugnis aus. Grünen-Gemeindevertreter Rupert Fuchs: „Viele unserer Anregungen werden aufgenommen und auch umgesetzt.
Wir alle arbeiten für ein besseres St. Johann.“
Nachsatz mit einem Lachen in der Stimme: „Wobei: Mit vollen Hosen ist halt leicht stinken.“
Der Erfolg von St. Johann hat aber auch seine Schattenseiten. Es gibt so etwas wie eine Landflucht auf dem Land. Denn immer mehr Menschen aus kleineren umliegenden Gemeinden wollen sich in der erst im Jahr 2000 ernannten Stadt ansiedeln. Damit schrumpfen die kleinen Gemeinden nicht nur immer mehr, im rund 10.700 Einwohner zählenden St. Johann steigen auch die Mieten und Grundstückspreise. Denn Platz ist im Tal zwischen den Salzburger Schieferalpen, den Radstädter Tauern und der Ankogelgruppe nur begrenzt vorhanden.
Wobei das für St. Johann – zumindest rückwirkend betrachtet – sogar von Vorteil war. Denn wirklich große Unternehmen haben sich in der Bezirkshauptstadt nie angesiedelt beziehungsweise entwickelt. Bürgermeister Günther Mitterer: „Wenn eine Firma mit 80 Leuten in Konkurs geht, ist das für eine Gemeinde leichter zu verkraften, als wenn ein Betrieb mit 600 seine Produktion einstellt. Insofern sind wir froh, nicht so abhängig von einem einzigen großen Unternehmen zu sein.“
Raffiniert einfach
Die Zukunft sieht Günther Mitterer trotz aller Finanzreserven nicht ganz so rosig: „Wir werden sehr viel Energie brauchen, um den Standard, den wir haben, auch erhalten zu können. Es wird nicht immer alles endlos wachsen können. Das wird nicht drinnen sein.“
Vorgesorgt wird auch schon für die immer älter werdende Bevölkerung. So hat die Gemeinde ein Grundstück angekauft, um darauf betreutes Wohnen anbieten zu können.
Der Bürgermeister: „Aber auch dafür haben wir weder auf Gespartes zurückgegriffen noch einen Kredit aufgenommen.“ Auch an eine Erhöhung der Wasser- und Kanalgebühren ist in nächster Zeit nicht gedacht. Mitterer: „Wir liegen weit unter dem Landesdurchschnitt und das wollen wir auch beibehalten. Auch wenn wir vom Bund aus immer mehr Ausgaben bewältigen müssen.“
Gute Ratschläge an andere Gemeinden will der Bürgermeister nicht erteilen. Er erklärt nur, wie seine Ortschaft funktioniert: „Wir schauen bei allen Dingen sehr genau auf die Kosten. Wenn wir es nicht gleich realisieren können, verschieben wir es um ein Jahr. So haben wir immer alles sehr genau unter Kontrolle. Außerdem achten wir auf eine sehr schlanke Verwaltung und auch einen sehr schlanken Bauhof. Und Aufträge der Gemeinde bleiben nach Möglichkeit im Ort. So wie jetzt ganz aktuell bei der Schneeräumung. Unterm Strich funktioniert unsere Budgetplanung nach einem ganz einfachen Prinzip: Nicht mehr ausgeben, als man einnimmt.“