wirtschaft politik service

Ein Bund fürs Gemeinde-Leben?

In den Gemeindestuben brodelt es. Denn an allen Ecken und Enden fehlt Geld. Immer mehr Bürgermeister geben auch dem Gemeindebund die Schuld, fühlen sich schlecht vertreten. In Oberösterreich haben einige von ihnen sogar die Mitgliedsbeiträge eingefroren.
Von Marcus Eibensteiner

Rein historisch betrachtet, war Oberösterreich noch nie Ausgangspunkt einer Revolution. Selbst im Jahr 1848 wurde das Land von den Umbrüchen mehr oder weniger überrascht. Umso erstaunlicher sind da die Dinge, die sich seit ein paar Monaten im Land ob der Enns abspielen. Da haben sich zehn Bürgermeister von SPÖ und ÖVP zu einer gemeinsamen Plattform zusammengeschlossen und schießen mit harten Worten gegen das Landes-System.

Auch den Gemeindebund haben die „Rebellen“ ins Visier genommen – und das hat zu Diskussionen unter Bürgermeistern in ganz Österreich geführt: Wie laut darf man seine eigene Interessenvertretung kritisieren? Macht es wirklich Sinn, beim Gemeindebund auszutreten?

Mutige vor

Der erst vor kurzem aus Altersgründen zurückgetretene Bürgermeister von Steyregg (OÖ) hat diese Fragen klar für sich beantwortet. Josef Buchner, einer der Gründerväter der Bürgermeisterplattform und politisch am ehesten den Grünen zuzuordnen: „Der Gemeindebund wäre die Interessenvertretung der Gemeinden. Er nimmt diese Funktion aber nicht wahr, weil er politisch keine Freiräume hat. Bei uns im Land ist der Präsident des Gemeindebundes in Wahrheit ein armer Befehlsempfänger. Aber als Interessenvertreter sollte man eigentlich Mut haben und Mut zeigen.

Da muss man auch gegenüber einem Landeshauptmann und Parteifreund standhaft bleiben.“

Buchner weiter: „Ich halte es außerdem für unvereinbar, dass man als Repräsentant der Gemeinden im Landtag sitzt und Gesetze mitbeschließt, die den Gemeinden nicht guttun.“ Die harten Worte sind gegen den oberösterreichischen Gemeindebundpräsidenten und Landtagsabgeordneten Hans Hingsamer (ÖVP) gerichtet. Der wurde von Buchner schon öfter verbal abgewatscht und versucht zu erklären: „Diese Doppelfunktion hat Vor- und Nachteile. Ein klarer Vorteil ist, dass man Sachen viel früher mitbekommt und noch eingreifen kann. Der Nachteil ist natürlich der Clubzwang.“

Scharfe Munition

Auch in anderen Landesorganisationen des Gemeindebundes ist die Doppelfunktion jedoch scheinbar völlig normal. So gibt es diese Verflechtungen im Burgenland, in Niederösterreich, in der Steiermark und mit dem Nationalratsabgeordneten Maximilian Lindner auch in Kärnten. Helmut Mödlhammer, Chef des Österreichischen Gemeindebundes: „Dazu gebe ich keine Stellungnahme ab. Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich bin als Landtagsabgeordneter sofort zurückgetreten, als ich Präsident wurde.“

Auch Hans Hingsamer könnte sich einen Rücktritt aus dem Landtag vorstellen: „Ich hätte kein Problem damit. Ich habe aber meine Gremien im Gemeindebund gefragt – und die haben gemeint, dass ich weiter bleiben soll.“ Und Hingsamer schießt gegen die Bürgermeister-Rebellen scharf zurück: „Das sind Showmaster. Unter ihnen ist mit Josef Eidenberger auch ein langjähriger Landtagsabgeordneter.“

Angesprochen auf die eingefrorenen Mitgliedsbeiträge der „Revoluzzer“ wirkt Hingsamer noch ein wenig saurer: „Wir werden bis Jahresende warten, dann werden wir das Geld einklagen. Der Gemeindebund meint übrigens, dass wir viel zu human mit den Rebellen umgehen, und dass wir uns von ‚dieser Partie‘ nix gefallen lassen sollen.“

Offiziell klingt das beim Österreichischen Gemeindebund natürlich anders. Da wird von einem rein oberösterreichischen Problem gesprochen. Allerdings mehren sich praktisch im ganzen Land die Bürgermeister-Stimmen, die mit der Arbeit des Gemeindebundes nicht mehr besonders zufrieden sind. Zum Beispiel wird heftig darüber geschimpft, dass die Länder immer offener ihre Macht gegenüber den Gemeinden zeigen – und der Gemeindebund nichts dagegen unternimmt. Vor allem viele steirische Bürgermeister sind im Hinblick auf Gemeindezusammenlegungen und Schulschließungen auf ihre Vertreter nicht sonderlich gut zu sprechen. Das gibt auch Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer zu: „Die Steiermark ist zurzeit ein heißes Pflaster.“

Wahnsinn mit Methode

In die Zeitung will aber keiner der Bürgermeister. Sie befürchten nicht nur Nachteile für ihre Gemeinden, sondern auch für sich selbst. Einer der Bürgermeister, der nicht genannt werden will: „Ich habe viele Freunde in der Partei, die möchte ich auf keinen Fall enttäuschen. Außerdem glaube ich, dass man mit Verhandlungen viel mehr erreicht.“

Diese Gedanken hatte Martin Raab, Bürgermeister der oberösterreichischen Gemeinde Hofkirchen im Mühlkreis, auch einmal. Bis er sich ganz offen zur „rebellischen Bürgermeisterplattform“ bekannt hat. Was dann passierte, hat ihn selbst ein wenig überrascht. Seine schwarze Parteibasis im Ort hat sich voll und ganz hinter ihn gestellt. Richtigen Ärger gab es praktisch nicht, nur Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner schrieb ihm in seiner Funktion als Bezirksparteiobmann ein mehr oder weniger böses E-Mail.

Raab: „Dabei habe ich eigentlich mit einem Parteiausschluss gerechnet. Aber ich konnte einfach nicht mehr anders. Ich für meinen Teil hab' einfach genug gehabt. Viele Gemeinden stehen kurz vor dem Zusammenbruch, und niemand traut sich, etwas zu sagen.“

Und: „Überhaupt ist das ganze System nicht mehr in Ordnung. Da wird das Geld hin- und hergeschoben, aber bei den Menschen kommt nichts an. Das ist aber genau dort, wo wir Bürgermeister arbeiten. Nur für die Banken hat man sofort etwas gehabt.“

Auch Rebellen-Kollege Günter Engertsberger (SPÖ) aus der Marktgemeinde Neuhofen an der Krems lässt seinen Frust raus: „Wir sind seit Jahren Bittsteller beim Land und müssen angekrochen kommen, damit wir ein paar Nätsch von unserem Geld bekommen. Und das bei Leuten, die sich noch nie einer direkten Wahl stellen mussten. Das ist doch Wahnsinn!“ Auch Engertsberger ist von seiner Partei nicht ausgeschlossen worden. Er berichtet aber von subtileren Vorgehensweisen. So tauchte unlängst bei einer Gemeinderatssitzung ein Dringlichkeitsantrag aller Parteien auf, dier den Bürgermeister zwingen sollte, die Gemeinde nicht mehr bei der Bürgermeisterplattform zu vertreten. Der Bürgermeister: „Meine Leute in der Partei haben davon aber nichts gewusst. Das war ein vorgefertigtes Schreiben – es ist zum Glück aber nicht angenommen worden.“

Schwarze Pädagogik

Einer, der bei der Bürgermeisterplattform nicht mehr mitmacht, ist Erich Wahl aus der Gemeinde St. Georgen an der Gusen. Er wird von Gemeindebund und Landesvertretern gerne genannt, um die Auflösung der „aufständischen“ Gruppe herbeizureden. Im public-Gespräch klingt der Bürgermeister aber genau so aufmüpfig wie seine (ehemaligen) Kollegen: „Ich glaube, dass die sehr prekäre finanzielle Lage der Gemeinden absichtlich herbeigeführt wurde, um die Gemeindeautonomie zu untergraben. So wird die Demokratie langsam ausgehöhlt. Wir sind schon so weit, dass man beim Land um neue Reifen für den Gemeindetraktor zum Schneeräumen ansuchen muss – und nur zwei genehmigt bekommt. Ganz nach dem Motto: Wer nicht brav ist, bekommt auch nichts.“

Erich Wahl zu seinem Rückzug von der Plattform: „Inhaltlich bin ich immer noch voll und ganz dabei. Es hat nur einen Aufruf zum Rücktritt der gesamten Landesregierung gegeben. Und das wollte ich einfach nicht mehr mittragen.“

Scheidung und neuer Partner?

Debatte___Rebellion
Hans Hingsamer, Gemeindebundchef in Oberösterreich, meint – auf die Bürgermeister-Rebellen angesprochen: „… dass wir uns von ‚dieser Partie‘ nix gefallen lassen sollen.“



Einen Austritt aus dem Gemeindebund kann sich auch Wahl noch immer vorstellen. Und das scheint formal auch recht einfach zu sein. Denn der Gemeindebund ist ein Verein, Pflichtmitgliedschaft gibt es keine. OÖ-Präsident Hans Hingsamer: „Die meisten Gemeinden sind in den 50er- beziehungsweise 60er-Jahren durch Gemeinderatsbeschluss beigetreten, man kann also auch mittels Gemeinderatsbeschluss wieder austreten.“

Doch genau damit tun sich die Rebellen schwer. Denn dafür einen Gemeinderatsbeschluss zu bekommen, ist realpolitisch kaum möglich. Deswegen gibt es auch einen neuen Plan. Bürgermeister Günter Engertsberger: „Wir werden einfach versuchen, in den Städtebund zu wechseln.“

Rein finanziell zahlt sich ein Austritt aus dem Gemeindebund übrigens kaum aus. Denn eine Gemeinde mit 2.000 Einwohnern zahlt zirka 2.000 Euro Mitgliedsbeitrag. Dafür bekommt sie aber auch einiges an Service geboten. Denn wenn nötig stehen zum Beispiel hochkompetente Juristen zur Verfügung. Das wird selbst von den Bürgermeister-Rebellen anerkannt.


Unzufriedenheit im Vormarsch

Weiterkämpfen wollen diese aber auf jeden Fall. Schon allein deshalb, weil der Landesrechnungshof de facto alle Kernaussagen der Bürgermeisterplattform in einer Untersuchung bestätigt hat. Der pensionierte Bürgermeister Josef Buchner: „Die Zahlen zeigen, dass die Gemeinden ausbluten. Wir werden uns jetzt jeden Monat zu Wort melden und schauen, was sich bis zum Jahr 2015 ändert. Sollte nichts passieren, garantiere ich dafür, dass es eine Kandidatur von Unzufriedenen zur Landtagswahl geben wird. Denn wenn einige den Landtag nur als Spielwiese für ihre Machtpolitik sehen, wollen wir denen gehörig in die Suppe spucken.“

Buchner sollte man übrigens ernst nehmen. Er hat in seinem Leben schon so manche Schlacht geschlagen. Von 1983 bis 1994 war er Parteichef der Vereinten Grünen Österreichs, saß sogar vier Jahre lang im Nationalrat. Mit seiner „Steyregger Bürgerinitiative für Umweltschutz“ eroberte er anschließend seine Heimatstadt und blieb jahrelang Bürgermeister. Buchner: „In meinem Herzen bin ich immer noch Bürgerinitiativler.“

Das bekam übrigens auch einmal ein Landesrat zu spüren, der Steyregg besuchte. Bürgermeister Buchner empfing ihn mit den Worten: „Ich bin ein kleiner Geldverteiler, Sie ein großer. Aber wir verteilen nur Steuergelder. Und ich mache vor Ihnen sicher kein Buckerl.“ Der Landesrat kam nie wieder.