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Bürgermeister zum Anfassen

Ob eine Gemeinde als serviceorientiert, dem Bürger zugewandt wahrgenommen wird, hängt nicht zuletzt vom Auftreten der Bürgermeister ab. Aber auch die Technik und die Organisation im Hintergrund können einen entscheidenden Beitrag leisten.
Von Christian Stemberger

Wer in Maria Anzbach (NÖ) die Bürgermeisterin anruft, der erwischt sie nicht selten auf dem Traktor. Karin Winter stört das auch nicht, ihre zwei Leben als Bürgermeisterin und Landwirtin will sie nicht so scharf trennen: „Das gefällt mir sogar. Es gehört zum Amt dazu, dass ich für die Bürger erreichbar bin. Und es gibt genug Anlässe, auf die man besser sofort reagiert.“

Folgerichtig hat sie auf der Homepage der Gemeinde auch ihre Handynummer veröffentlicht.

„Da geht es oft um kleine Anliegen – zum Beispiel, ob ein Weg geschottert werden könnte. Aber oft sind es eben diese kleinen Anliegen, die den Menschen sehr wichtig sind.“ Die junge Bürgermeisterin ist seit vier Jahren im Amt und sieht sich auf dem richtigen Weg: „Nach meiner Beobachtung nehmen die Bürger diesen Zugang sehr positiv auf.“

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Gemeindezentrum Maria Anzbach: bürgerfreundlich, barrierefrei und im Passivhausstandard errichtet.
Bildnachweis: Claudia Sitte

Persönlicher Kontakt

Die einzelnen Maßnahmen wirken da nicht immer rasend innovativ – wie etwa der Bürgermeisterstammtisch, den sie zweimal jährlich in allen Katastralgemeinden abhält, aber die Resonanz aus der Bevölkerung gibt ihr Recht. Grundsätzlich sollten alle Kanäle offen sein, denn der eine schaut lieber vorbei, der andere schreibt eine E-Mail und der Dritte ruft an. „Aber der persönliche Kontakt steht in der Gemeinde nach wie vor an erster Stelle.“ Wie in Maria Anzbach ist im benachbarten Eichgraben das Gemeindeamt am Dienstag bis 19 Uhr geöffnet.

Für einen Ort auf halbem Weg zwischen Wien und St. Pölten und mit dementsprechend vielen Tagespendlern ein Muss. Martin Michalitsch ist zwar mit bald 20 Jahren im Landtag ein Politroutinier, als Bürgermeister hat er aber gerade so viel Erfahrung wie Karin Winter – und auch einen ähnlichen Ansatz: „Die Ausweitung der Parteienverkehrszeiten war meine erste Maßnahme.“



Bürgernähe, Kommunikation und Information sind die drei bestimmenden Elemente seiner Tätigkeit. Ein Baustein ist da der Bereitschaftsdienst, der Bürgern in Notfällen auch außerhalb der Amtszeiten zur Verfügung steht. Ein weiterer: der Newsletter, mit dem die Bürger jeden Freitag am Laufenden gehalten werden. Michalitsch kann auf die stattliche Zahl von 700 Abonnenten bei insgesamt 2.300 Haushalten verweisen. Aber grundsätzlich bevorzugt Michalitsch – wenn möglich – den persönlichen Kontakt: „Im Gespräch erkennt man viel schneller, worum es geht, und findet oft gleich eine Lösung.“ Wie ernst er die Meinung der Bürger nimmt, hat Michalitsch erst unlängst bei der Auswahl des zukünftigen Amtsleiters bewiesen. Die ging mit der Beteiligung der Bürger vonstatten.

Zentrum der Gemeinde

Wie es eine Gemeinde mit der Bürger-orientierung hält, erkennt man nicht zuletzt dann, wenn man das Gemeindeamt betritt. Dort, wo die Mittel Neubauten oder Adaptierungen zulassen, setzen die Gemeinden nicht nur auf einen barrierefreien Bürgerservice, sie konzipieren das Amtsgebäude gleich auch als Gemeindezentrum mit mehreren Funktionen. Im 2011 eröffneten Gemeindezentrum von Eichgraben steht ein Saal Veranstaltungen und Vereinen offen. Mit dem Café, der Bibliothek und einem liebevoll gestalteten Platz inklusive „Paradiesgarten“ hat Eichgraben nun ein Ortszentrum, das es vorher so gar nicht gegeben hat.

Auch hier ähneln sich die Wege, die Maria Anzbach und Eichgraben gehen. Da wie dort sind die vorgelagerten Plätze schon als Veranstaltungsraum geplant worden. In Maria Anzbach hat die Gemeinde die Postservicestelle übernommen und demnächst wird eine Mediathek eröffnet. Mit dem neuen Ärztezentrum im alten Gemeindeamt ist auch hier das Zentrum deutlich attraktiver geworden.

Hinter dem Vorhang

Vom Bürger weitgehend unbemerkt wird auch im Hintergrund an der Verbesserung der Bürgerservices gearbeitet.

Der elektronische Akt ELAK ist in Ministerien und Ländern schon zu einer Selbstverständlichkeit in der täglichen Verwaltungsarbeit geworden. Auf Gemeindeebene schaut es da noch anders aus. Zum einen ist die Einführung des ELAK auch für größere Gemeinden eine Herausforderung. Zum anderen sind die behördlichen Prozesse in den kleineren Gemeinden nicht so arbeitsteilig und komplex, daher ergeben sich aus der ELAK-Einführung nicht so große Vorteile.

„Aber der ELAK ist auch hier sinnvoll“, sagt Gerald Martinetz vom eGovernment-Spezialisten Fabasoft, „allerdings nur in einer stark an die Gemeinden angepassten Variante.“ Eine sogenannte Arbeitsschrittliste mit hinterlegten Vorlagen unterstützt die Gemeindebediensteten bei der Abwicklung von Anträgen und anderen Verwaltungsvorgängen. Es entfällt bei Routinetätigkeiten viel Handarbeit. So funktioniert etwa in einem Bauverfahren die Erstellung eines Standardschreibens zur Nachforderung von Unterlagen weitgehend auf Knopfdruck.

Gemeinde-ELAK

Die elektronische Checkliste unterstützt bei Verwaltungsvorgängen, die in kleineren Gemeinden entsprechend selten sind – und mit denen die Bediensteten daher nicht täglich konfrontiert werden. Der ELAK der Vorarlberger Gemeinden nennt sich V-Dok und befindet sich mitten in der Realisierung. Sieben Gemeinden haben in der Pilotphase mitgewirkt, nun ist er bei insgesamt 36 im Einsatz, und irgendwann werden es alle 96 Vorarlberger Gemeinden sein.

V-Dok soll besonders die interkommunale Aktenverwaltung fördern. Ferdinand Gabriel, Geschäftsführer der Vorarlberger Gemeindeinformatik, nennt die Baurechtsverwaltung Vorderland als Beispiel. In der sind elf Gemeinden mit einer Größe zwischen 400 und 12.600 Einwohnern zusammengeschlossen. Neben der Verbesserung der Abläufe und ihrer vollständigen Dokumentation verbessert der elektronische Akt auch die Auskunftsbereitschaft der Gemeinden: „Denn egal, von wem ein Akt gerade bearbeitet wird, die Berechtigten in der Gemeinde können jederzeit Einsicht nehmen. Der Postweg entfällt ja so und so.“

Keine Sofort-Rendite

Johann Klocker hat schon seine Erfahrungen mit V-Dok gemacht: „Wer glaubt, er könne ein Dokumentenmanagementsystem wie V-Dok implementieren und hat dann gleich zehn Prozent weniger Arbeit, der wird sich wundern.“ Für den IT-Chef von Dornbirn, eine der sieben Pilotgemeinden, ist die Einführung derzeit noch ein Nullsummenspiel: „Im Baurecht hatten wir ein gutes Altsystem, allerdings nur hinsichtlich der Abwicklung – die Langzeitarchivierung war nicht gegeben.“ So musste parallel ein Papierakt geführt werden. Den Nutzen sieht Klocker vor allem in den Möglichkeiten zur interkommunalen Zusammenarbeit: „Daher ging es auch im Projekt besonders um Standardisierung – die Gesetze sind zwar alle gleich, aber jede Gemeinde vollzieht sie anders.“

Helmut Giesinger ist Gemeindesekretär von Mäder, eine von vier Gemeinden, die als Kummenbergregion beim Pilotprojekt dabei waren. Die Teilnehmer haben bis heute bei der Einführung unterschiedliche Fortschritte erzielt. „Wir hinken noch etwas hinterher“, sagt Giesinger, „V-Dok ist doch eine grundlegende Umstellung, die größten Herausforderungen dabei sind die organisatorischen Maßnahmen.“ Im Gespräch mit Kollegen, auf die V-Dok noch zukommt, spürt Giesinger immer wieder den „großen Respekt. Es sind sich alle bewusst, dass tiefgreifende Änderungen auf sie zukommen.“ Dass diese Änderungen nötig sind, darüber scheint in Vorarlberg aber Konsens zu herrschen.