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Die Mobilitätswende

Bei den Fahrrädern ist die Elektromobilität im Mainstream angekommen. Das Elektroauto steht mehr als 100 Jahre nach seiner Erfindung noch immer ganz am Anfang.
Von Robert Koch

Die E-Mobilität ist in aller Munde. Wenn es ums Auto geht, beinahe nur dort. Offenbar klafft zwischen euphorischen Politikeraussagen und realem Markt noch eine große Lücke. Bei der „vie mobility“-Tagung im April war jedenfalls deutliche Skepsis zum Thema Elektroauto zu bemerken. Österreichische Meinungsforscher äußerten sich im Rahmen der Veranstaltung, dass Elektroautos bei den Konsumenten derzeit nicht als Alternative wahrgenommen werden – und überhaupt nur zehn Prozent eine Anschaffung in Erwägung ziehen würden. Und dass die Marktanreize weitgehend fehlen sowie die Stromnetze einer breiten Umstellung auf E-Autos gar nicht standhalten würden. Ernüchterndes Fazit: In den ersten vier Monaten dieses Jahres wurden in Österreich gerade einmal 161 Elektro-Autos angemeldet, ein Drittel weniger als im Vergleichszeitraum 2011. Und das, obwohl die Auswahl an Modellen immer größer wird und deren Preise sinken.

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E-Bikes: Der Renner in Österreich –Tendenz steigend.
Bildnachweis: Electrodrive Salzburg


Elektrische Trethilfen gefragt

Auch Hybrid-Pkws liegen bei den Neuzulassungen noch immer unter einem halben Prozent. Insgesamt, so die Statistik Austria, waren im März 1.130 E-Mobile und 6.424 Hybridautos zugelassen, jedoch 4,5 Millionen Pkws mit Benzin- und Dieselmotoren.

Stark wächst dagegen der Markt für E-Bikes. 30.000 Fahrräder mit elektrischer Tretunterstützung wurden im Vorjahr in Österreich verkauft. 45.000 sollen es nach Schätzung des Verkehrsclubs Österreich heuer werden.

Die Förderungen der Bundesländer für den Ankauf von Elektrorädern sind allerdings ausgelaufen. Für Gemeinden gibt es noch bis Ende 2012 bis zu 200 Euro Zuschuss pro E-Bike aus dem „klima:aktiv-mobil“-Programm, beim Bezug von Ökostrom bis zu 400. Und auch so manche Städte und Gemeinden setzen ihre E-Bike-Förderungen fort. In Tirol spendiert zudem die TIWAG 200 Euro pro Elektrofahrrad.



Gelbe Post – grüne Flotte

Im Rahmen der Modellregion-Förderung des Klimafonds startet die Post gerade ein Projekt zur Anschaffung von 309 E-Autos, 300 E-Mopeds und 548 E-Fahrrädern bis Mitte 2015. Die Fahrzeuge sollen österreichweit im Zustellbereich getestet werden. Den Einsatzschwerpunkt wird Wien mit seinen Umlandgemeinden bilden. Schon heute hat die Post 247 einspurige und 18 zweispurige Elektrofahrzeuge im Einsatz. Nun wird am Dach des Briefzentrums Wien eine Photovoltaikanlage mit 900 Kilowatt (Peak) errichtet, die den Strom für die gesamte gelbe Elektroflotte liefern soll.

Bis 1982 tuckerten auch behäbige Elektro-Paketwagen der Post durch die Straßen. Moderne Nachfolger sind bislang nicht in Sicht. „Die Priorität liegt derzeit auf der Briefzustellung. Wir halten jedoch Ausschau nach serienreifen E-Lkws“, erklärt Philipp Max Brzobohaty von der Österreichischen Post AG.

Vorreiter Vorarlberg

Über ein Drittel aller österreichischen Elektroautos sind in Vorarlberg unterwegs. Die „Vlotte“ ist mit 357 Stück nach eigenen Angaben Europas größter E-Mobilbesitzer. Entstanden ist das Projekt im Rahmen der Klimafonds-Modellregion für Elektromobilität Ende 2008 – unter der Federführung des Energiedienstleisters Illwerke VKW.

Vlotte-Geschäftsführer Gerhard Günther verfolgt die Vision, Pendler, Geschäfts- und Privatreisende mit der Bahn nach Bregenz zu locken und ihnen dort für die letzte Meile E-Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen. Keine leichte Aufgabe, sinniert Günther: „Car-Sharing zu betreiben ist schon mit Benzinautos ein harter Brocken. Bei Elektro-Fahrrädern, -Mopeds und -Autos erst recht. Aber wir werden weiterhin versuchen, gemeinsam mit dem öffentlichen Verkehr attraktive Angebote zu entwickeln.“

Mit Continental, Bosch und IBM als Partner entwickelte die Vlotte ein ausgeklügeltes EDV-System zur Verwaltung des Fahrzeugparks. „Früher hatten wir das Problem, dass wir den Ladezustand der Autos nicht kontrollieren konnten“, erinnert sich Günther. Unglückliche Benutzer, die das Auto zuerst einmal aufladen mussten, waren die Folge. „Gleichzeitig wollen wir auch die Energieflüsse steuern und intelligent laden“, sagt Günther. Das bedeutet, dass die Vlotte in einem Smart Grid außerhalb der Lastspitzen geladen wird, bei Bedarf aber auch Strom aus den Autobatterien ins Netz speisen kann.

Rückzug und Aufbruch

Ein Jahr nach Vorarlberg startete auch die E-Mobilitäts-Modellregion in Salzburg. Electrodrive Salzburg bot vorerst Elektrofahrräder, Segways und Elektroroller im Kombipack mit einer Fahrkarte für den öffentlichen Verkehr an. 2010 kamen die ersten E-Autos dazu, und die Fahrzeuge wurden auch zum Kauf angeboten.

Mit Anfang 2012 hat sich das Tochterunternehmen der Salzburg AG aus Fahrzeugverkauf und -vermietung zurückgezogen.

„Unser Ziel war, den Markt anzustoßen“, erklärt Electrodrive-Sprecher Bernhard Bauer.

„Wir haben mehr als 2.000 Zweiräder und über 100 Autos auf die Straße gebracht. Nun konzentrieren wir uns auf die Lade-infrastruktur und die Kooperation mit dem Fahrzeughandel.“ Electrodrive steht Interessierten als Kompetenzzentrum zur Verfügung und stattet die Käufer von E-Mobilen mit der passenden – und Smart-Grid-tauglichen – Ladestation für daheim, für den Firmenparkplatz oder den öffentlichen Raum aus.

Bestehende Leasingverträge laufen weiter. Für die Fahrzeugvermietung hat die Salzburg AG gemeinsam mit der Rewe Group eine Tochterfirma gegründet. EMIL, das erste auf Elektro-Autos spezialisierte Car-Sharing-Unternehmen Österreichs, kooperiert bei der Onlinebuchung mit Flinkster, der Car-Sharing-Tochter der Deutschen Bahn. So können auch in einigen deutschen Städten Elektromobile ausgeliehen werden.

Beweglichkeit im Kopf

Einen Hemmschuh für eine rasche Entwicklung der Elektromobilität bilden nach wie vor Preis und Leistungsfähigkeit der Batterien. „Ich glaube, die Reichweitenproblematik ist eine gefühlte“, philosophiert Bauer. Der Großteil aller Fahrten liege unter 40 Kilometern. „Wie oft wollen wir uns tatsächlich ins Auto setzen, um damit nach Italien zu fahren?“ In Zukunft hoffen die E-Mobilitätsexperten auf eine Entwicklung weg vom Autobesitz in Richtung Car-Sharing.

Dazu wird freilich noch viel Psychologie und Infrastruktur nötig sein – und wohl auch ein schwindelerregender Benzinpreis, bevor Herr und Frau Österreicher ihre Freiheit auf Rädern teilen wollen.