Wenn in der Gemeinde etwas passiert, landen immer mehr Bürgermeister vor Gericht. Ihnen droht Gefängnis – und der Bankrott.
Von Marcus Eibensteiner
Dunkle Wolken grollen heran, Wind kommt auf. Die Veranstalter des Mittelalterfestes im Schlosspark von Pöchlarn (NÖ) warnen per Lautsprecherdurchsage vor dem drohenden Gewitter, die Menschen suchen Schutz in den Zelten.
Dann bricht die Hölle los. Der Wind erreicht Orkanstärke und fegt durch das Fest. Von den alten Bäumen brechen mit einem lauten Knall die Äste ab und begraben mehrere Menschen unter sich. Zwei werden getötet, viele verletzt.
Drama für alle Beteiligten
Von dieser Tragödie Ende Juli dieses Jahres berichteten alle Zeitungen. Was ein paar Wochen später kaum noch wo zu lesen war: Die Staatsanwaltschaft St. Pölten hat gegen den Bürgermeister von Pöchlarn Ermittlungen aufgenommen. Alfred Bergner wird vorgeworfen, vor Genehmigung der Veranstaltung nicht die Bäume kontrolliert zu haben (oder es machen zu lassen). Ermittelt wird wegen „fahrlässiger Tötung und Körperverletzung“. Das könnte bis zu einem Jahr Gefängnis bedeuten – ganz zu schweigen von den darauf folgenden teuren zivilrechtlichen Klagen. Bis Ende Oktober sollen die Ermittlungen noch dauern. Für den noch immer tief bestürzten Bürgermeister eine nervenaufreibende Zeit. Alfred Bergner: „Das kann man sich gar nicht vorstellen. Das Einzige was mich halbwegs beruhigt: Alle Hinterbliebenen und Verletzten geben mir keine Schuld.“
Der Fall Pöchlarn ist nur das jüngste Beispiel, in dem ein Bürgermeister massive Probleme mit der Justiz bekommen hat. Schon im Jahr 2009 stand zum Beispiel der Bürgermeister von Unterach (OÖ) vor Gericht – zum Glück wegen eines weitaus kleineren Deliktes. Engelbert Gnigler musste sich dafür verantworten, dass ein deutscher Wanderer in seiner Gemeinde durch ein morsches Geländer in einen Bach gestürzt war. Der Urlauber wurde dabei verletzt und musste für mehrere Tage ins Krankenhaus. Gnigler: „Schlussendlich wurde ich freigesprochen, aber wenn der Urlauber zum Invaliden geworden wäre, hätte ich bei einem Schuldspruch wahrscheinlich alle Kosten tragen müssen.“
Wer haftet?
Warum gerade in den vergangenen Jahren so viele Bürgermeister mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, hat mehrere Gründe. Erstens stecken sie in der Zange zwischen einem knappen Budget und immer mehr Aufgaben, andererseits hat sich die Gesellschaft verändert. Was früher einfach als Pech gesehen wurde, wird heute mittels Rechtsschutzversicherung aufgearbeitet. Und da bleibt als Letztverantwortlicher meist der Bürgermeister übrig.
Absichern können sich die Ortschefs vor allem durch eine genaue Aufgabenverteilung aller Gemeindebediensteten und durch eine genaue Dokumentation aller Arbeiten. Bürgermeister Engelbert Gnigler: „Wir halten nun jeden Kontrollgang der Wanderwege auf Fotos fest.“
Doch während die Wanderwege in Unterach nun auch juristisch sicher sind, liegt schon wieder ein Anwaltsschreiben auf dem Tisch des Bürgermeisters. Diesmal soll er dafür verantwortlich gemacht werden, nicht alles gegen die Schäden der heurigen Unwetter unternommen zu haben ...