Der Frust sitzt tief bei vielen Bürgermeistern. Während es an der „Front“ immer härter wird, erlauben sich „die da oben“ einen Patzer nach dem anderen. Aber geht’s nicht auch ohne Partei?
Von Marcus Eibensteiner
Manfred Kölly hat es bereits hinter sich. Der Bürgermeister von Deutschkreutz im Burgenland ist seit dem Jahr 2007 ohne Partei unterwegs – und das äußerst erfolgreich. Nicht nur, dass er bei der heurigen Gemeinderatswahl mit seiner eigenen Liste im Amt bestätigt wurde, er sitzt auch als freier Abgeordneter im Burgenländischen Landtag. Kölly, früher Bürgermeister der FPÖ: „Ich habe es keinen Moment bereut, dass ich seit Jahren keiner Partei mehr angehöre. Ganz im Gegenteil. In den sogenannten eigenen Reihen gab es nämlich die größten Feinde.“
Sie waren es auch, die Kölly erst zu einem freien Politiker gemacht haben. Denn sie warfen ihn aus der Partei, als ein von Kölly unterzeichnetes geheimes Abkommen mit der SPÖ auftauchte. Der Bürgermeister: „Ich habe aber schon vorher immer für Diskussionen gesorgt, weil ich Mitte-rechts gestanden bin. Rückblickend kann ich aber nur sagen, dass es viel vernünftiger ist, sich selbst zu organisieren, als einer Partei zu vertrauen.“
Erst recht, weil es den herkömmlichen Parteien immer schlechter geht. Die „großen Volksparteien“ liefern sich in den Umfragen Kopf-an-Kopf-Rennen bei circa 25 Prozent. (Nur zur Erinnerung, wie gut es den Großen noch 1990 ging: Bei der damaligen Nationalratswahl erhielt die SPÖ 42,8 Prozent der Stimmen, die ÖVP 32,1 Prozent.)
Wie viel Partei braucht man?
Die Parteien werden selbst inhaltlich immer wankelmütiger. Das zeigt das Thema Wehrpflicht. Innerhalb weniger Jahre vollzogen sowohl SPÖ, ÖVP als auch FPÖ 180-Grad-Meinungsschwenks. Dazu kommen immer wieder Korruptionsfälle. Sie lassen die „altehrwürdigen“ Parteien eher als Mafia-Clans erscheinen.
Ein Bürgermeister einer größeren niederösterreichischen Gemeinde, der namentlich nicht genannt werden will: „Ausbaden dürfen das Ganze dann wir in den Gemeinden, wenn wir den Bürgern Aug' in Aug' gegenüberstehen. Aber allmählich reicht es. Viele Namenslisten zeigen, dass Regionalpolitiker eigentlich gar keine Partei brauchen.“
So wie die Liste von Werner Prieler aus Scheifling (Stmk.). Sechs Jahre lang war er ÖVP-Bürgermeister, bis er parteiintern einfach abgesägt wurde. Prieler: „Ich habe dann fünf Jahre lang Pause von der Politik gemacht, auch um der Partei nicht zu schaden.“ Vor der letzten Gemeinderatswahl schoss es ihm dann aber durch den Kopf: Partei? Wozu eigentlich? Und er gründete seine eigene Liste. Prieler konnte zwei Gemeinderatssitze erobern: „Ich hätte schon damals als Bürgermeister gleich eine eigene Liste gründen sollen. Dann würde es jetzt sicher anders aussehen.“
Nach außen geben sich die alteingesessenen Parteien übrigens ganz locker, wenn es um Namenslisten geht. Da wird in Sonntagsreden von „mehr Demokratie“ und „Bürgerbeteiligung“ gesprochen, parteiintern werden sie aber als ernsthafte Gefahr eingestuft. Manfred Kölly: „In Wahrheit bekommen sie größte Panik, wenn sie von einer Namensliste hören.“
Pro und Kontra
Dazu haben sie auch allen Grund. Jüngstes Beispiel ist die Gemeinderatswahl im Burgenland. Gleich fünf Bürgermeister werden von Namens- oder Bürgerlisten gestellt. Und sind die einmal in einer Gemeinde aktiv und leisten konstruktive Arbeit ohne parteipolitische Scheuklappen, sind sie auch nicht mehr so schnell wegzubekommen. So wurde zum Beispiel Wolfgang Kovacs von der „Liste Parndorf“ mit überwältigender Mehrheit wieder zum Bürgermeister gewählt. Oder Bürgermeister Gerhard Hutter aus Bad Sauerbrunn. Er konnte mit seinem unabhängigen Team die absolute Mehrheit im Gemeinderat verteidigen.
Erfolgreich war auch Vizebürgermeister Johann Kaiser aus Pöls (Stmk.), als er sich mit seiner eigenen Liste „selbstständig“ machte. Er konnte drei Sitze im Gemeinderat erobern. Zurzeit lernt Kaiser aber auch die Schattenseiten kennen, wenn kein „Großer“ hinter ihm steht: „Ich habe leider feststellen müssen, dass einem als Minderheitsfraktion Hände und Füße gebunden sind. Man kann nicht so viel bewegen.“
Auch einen anderen heiklen Punkt spricht Kaiser an: die Finanzierung des Wahlkampfs. Die erfolgt bei einer eigenen Liste natürlich aus dem privaten Börserl oder durch Mini-Spenden aus dem näheren Umfeld. Wie viel Johann Kaiser ausgegeben hat, möchte er allerdings nicht verraten. Manfred Kölly ist da schon gesprächiger: „Wir haben 12.000 Euro in den Gemeinderatswahlkampf investiert.“
Zurück kommt das Geld nur, wenn man den mehr oder weniger lukrativen Bürgermeisterposten erobern kann. Johann Kaiser: „Eine Rückzahlung von Werbekosten auf Gemeindeebene ist einfach nicht vorgesehen. Man bleibt auf den Kosten sitzen.“
Gestalten ohne Partei
Wobei es den wenigsten Gemeindepolitikern, die sich von ihrer Partei loslösen wollen, ums Geld geht. Sie wollen in ihren Orten endlich etwas weiterbringen, ohne ständig „von der Partei ein Hackl ins Kreuz zu bekommen“ (O-Ton eines Bürgermeisters, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will). Er hat auch ein anderes Problem bei der geplanten Loslösung von seiner Partei: die Abhängigkeit von der Landespolitik. Denn Förderungen funktionieren einfach schneller, wenn man den „richtigen Ansprechpartner“ hat und zum Beispiel mit dem jeweiligen Landesrat gleich per du sein kann, wenn man ihn schon von der Partei kennt.
Wobei das mit den „Parteifreunden weiter oben“ gar nicht mehr stimmt. Denn gegen explizite Vorschriften haben selbst die härtesten Parteiapparatschiks keine Chance. Manfred Kölly: „Viele Bürgermeister glauben, dass sie vom Proporz abhängig sind. Aber das stimmt gar nicht. Sie lassen sich einfach nur von den Parteien einlullen.“