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Christel von der Post und ihr Postillion erinnern an die Bedeutung der "Kaiserlichen Reichs-Posthalterey" der Fürsten von Thurn und Taxis, die 1774 in Langenfeld errichtet wurde, und die nach wie für die gute, infrastrukturelle Lage der Stadt stehen. Bildnachweis: Michael de Clerque

Fürs Sparen bestraft?

Jahrelang hat die Stadt Langenfeld, haben Bürgermeister und Bürger gespart, um ihr Defizit von 38 Millionen Euro abzubauen. Jetzt sollen sie durch den „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ des Landes Nordrhein-Westfalen quasi für ihre bisherigen Anstrengungen büßen. Von Agnes Kern

Langenfeld ist ein „Mittelzentrum“, wie unsere deutschen Nachbarn sagen. Eine Stadt mit knapp 60.000 Einwohnern – zwischen Düsseldorf und Köln. Langenfeld ist für Insider ein Phänomen: Eine Gemeinde, die ihren Haushalt mit unkonventionellen Mitteln erfolgreich saniert hat. Dafür hat sie jedoch nicht ihr Tafelsilber verkauft oder eine Privatisierungswelle losgetreten, sondern 20 Jahre lang konsequent gespart. Im Jahr 2008 war die Stadt schließlich schuldenfrei.

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Diese Schuldenuhr befand sich für alle sichtbar am Rathaus in Langenfeld. Nachdem die Stadt 2008 schuldenfrei geworden war, wurde die Uhr abmontiert. Bildnachweis: Michael de Clerque

Nach der erfolgreichen Sanierung setzte Langenfeld zahlreiche Stadtentwicklungs- und Umstrukturierungsprojekte um, senkte alle Steuern und investierte – insbesondere in Schulen. Der neue Bürgermeister von Langenfeld, Frank Schneider, verfolgt das damalige Ziel weiter: Die Stadt soll schuldenfrei bleiben, aber vom Sparkurs sollen auch alle profitieren. Schneider nennt es die „Bürgerdividende“.

Solide Haushaltsführung

Auch heute geht es der Stadt im Vergleich zu anderen deutschen Kommunen – und im Kontext der allgegenwärtigen Krise – aufgrund ihres starken Wirtschaftsstandorts nach wie vor gut. Während in den Nachbargemeinden der Ausfall der Gewerbesteuer 30 – 70 Prozent betrug, hatte Langenfeld lediglich Einbußen von zehn Prozent. Und als sich zwischenzeitlich ein neues Minus abzeichnete, blieb die Stadt ihrem Motto treu: „Wenn es schlechter wird, fahren wir wieder alles zurück.“ Alle Vorhaben wurden gestoppt. Viel kann die Stadt aber nicht mehr einsparen. Um die finanzielle Situation wieder zu verbessern, will man die Grundsteuer anheben und Parkgebühren einführen. Bisher subventionierte die Stadt die Parkraumbewirtschaftung mit jährlich rund 600.000 Euro. Jetzt ist das Gratisparken vorbei.

Die geplante Parkgebühr bedeutet erstmals wieder Einschnitte für die Bürger. Eine solche Politik ist natürlich schwer durchzusetzen, wenn sich die Menschen einmal an ein hohes Niveau gewöhnt haben. Für die Stadt ergibt sich damit aber wieder ein kleines Plus.

Schulden weit und breit

Blickt man jedoch ins Land hinein, ist die Situation eine völlig andere. In kaum einem anderen deutschen Bundesland gibt es derart hoch verschuldete Kommunen wie in NRW. Insgesamt fehlen den Gemeinden etwa zwei Milliarden Euro. Der Grund für die Überschuldung liegt aber nicht allein bei der Lokalpolitik. Die Städte, Gemeinden und Kreise sind chronisch unterfinanziert. Trotz derzeit noch sprudelnder Steuereinnahmen reicht die Finanzausstattung für die Kommunen bereits jetzt nicht mehr aus, um die wachsenden Aufgaben zu erfüllen.

Zahlreiche äußere Faktoren wie die steigenden Sozialausgaben und zu geringe Zuweisungen des Landes machen den Gemeinden schwer zu schaffen. „Der Staat kann nicht für alles zuständig sein – und wenn er schon zusätzliche Aufgaben übernimmt, dann müssen die Bürger dafür auch bezahlen“, so Bürgermeister Frank Schneider. Auch wenn solche Maßnahmen nicht gerade populär sind, hat die Bevölkerung doch durchaus Verständnis dafür: Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag der Bertelsmann Stiftung wird die Mehrheit der Befragten als „konsolidierungsbereit“ eingeschätzt. Die Sanierung der städtischen Kassen ist für drei Viertel der Bürger in NRW die drängendste Aufgabe der Lokalpolitik. 80 Prozent würden einen Bürgermeister wählen, der die Haushaltssanierung konsequent angeht. Zudem sagten 47 Prozent der Befragten, dass sie eher höhere Abgaben in Kauf nehmen, als auf städtische Leistungen verzichten würden (34 %).

Solidarisch handeln?

Um überschuldeten Städten und Gemeinden mit Finanzspritzen unter die Arme greifen zu können, hat die rot-grüne Landesregierung Ende 2011 den sogenannten „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ beschlossen. Die Kommunen sollen handlungsfähig bleiben und ihre Haushalte konsolidieren können. Noch in diesem Jahr soll dieser Solidarpakt weiter angepasst werden, um die statistischen Daten, die Ausgangspunkt für die Festsetzung der Konsolidierungshilfe sind, auf eine gesicherte Grundlage zu stellen.

Mit dem Stärkungspakt Stadtfinanzen erhalten die 34 ärmsten Städte und Gemeinden in den kommenden Jahren fast sechs Milliarden Euro vom Land. Im Gegenzug müssen sie allerdings einen strikten Sanierungskurs einschlagen und bis zum Jahr 2021 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Für 27 weitere Kommunen sind in der zweiten Stufe ab dem Jahr 2014 jährlich 310 Millionen Euro vorgesehen. Finanziert wird die zweite Stufe vollständig aus kommunalen Mitteln, die den Kommunen im Rahmen des Finanzausgleichs vom Land abgezogen werden. Die abundanten Kommunen, diejenigen also, die keine Schlüsselzuweisungen vom Land bekommen, weil sie über ausreichende Steuereinnahmen verfügen, müssen rund 22,6 Millionen Euro tragen. Dazu zählt aufgrund ihrer Anstrengungen auch die Stadt Langenfeld. Sie soll nun quasi allen, die schlecht gewirtschaftet oder sich verspekuliert haben, helfen.

Doch dies könnte dazu führen, dass Kommunen, die jetzt noch finanziell gesund dastehen, durch die Solidarzahlungen selbst in die Haushaltssicherung abrutschen. „Man kann die Kranken nicht gesund machen, indem man die Gesunden krank macht“, kritisierte Kreiskämmerer Dr. Stefan Funke bereits letzten Herbst. Für Langenfeld bedeutet der Solidarbeitrag eine jährliche Abgabe von acht Millionen Euro. „Diese kann die Stadt zwei, drei Jahre bewältigen, indem sie auf ihre Rücklagen zurückgreift, dann aber gleitet sie selbst ins Minus“, so Bürgermeister Schneider. „Acht Millionen sind nicht zu stemmen!“ Man bestraft also all jene, die vorher gespart und saniert haben. Die werden dann vielleicht selbst zum Sanierungsfall!