Bisher gab es in Österreichs größtem Bundesland nur ein einziges Krematorium. Jetzt buhlen gleich zwei Betreiber um die zweite niederösterreichische Feuerhalle – und das keine fünf Kilometer voneinander entfernt. Von Nicole Kranzl
Wenn es nicht bei uns steht, dann steht es eben woanders!“ So pragmatisch argumentierte der Leobersdorfer Bürgermeister Andreas Ramharter im Jänner, als die Pläne zur Errichtung von Niederösterreichs zweitem Krematorium öffentlich wurden. Die Idee für dieses Vorhaben stammt nicht von der Gemeinde, sondern vom privaten Betreiber, dem Umweltanalytiker Peter Tappler, der in der 4.600-Seelen-Gemeinde im Industrieviertel den idealen Standort für ein Verabschiedungszentrum samt Feuerhalle sieht. „Leobersdorf ist gut ans Verkehrsnetz angebunden, liegt zentral, und die nächsten Krematorien in Wien, Graz und St. Pölten sind doch ein Stück weit weg“, zählt Tappler die Vorteile auf. Und: Auch die Gemeinde zeigt sich Tapplers Plänen gegenüber alles andere als abgeneigt. Im Gegenteil: Sie strebt über die gemeindeeigene Leobersdorfer Kommunal Immobilien GmbH sogar eine 26-prozentige Beteiligung am Krematorium an.
Versorgungslücke
Fakt ist: Feuerbestattungen werden in Österreich immer beliebter. Rund 30 Prozent der Bevölkerung entscheiden sich mittlerweile für diese Art der Bestattung – im Westen sind es mit 50 Prozent sogar deutlich mehr. Elf Krematorien gibt es derzeit in Österreich – zu wenig für die immer weiter steigende Nachfrage nach Feuerbestattungen. In Niederösterreich beträgt die Wartezeit für Feuerbestattungen bis zu drei Wochen. Aber Peter Tappler ist nicht der Einzige, der mit seinem Geschäftsmodell genau an diese Versorgungslücke anknüpfen will. Zwei Monate nach Bekanntwerden der Leobersdorfer Pläne wurde im fünf Kilometer entfernten Bad Vöslau auch eine Betreibergesellschaft für ein Krematorium gegründet.
Wird das Krematorium gebaut? Die Leobersdorfer werden im Juni darüber entscheiden. Bildnachweis: Atelier Deubner |
Geschäftsführer der neuen Krematorium Bad Vöslau GmbH ist der Weinviertler Bestatter und stellvertretende Landesinnungsmeister Gerfried Redlich. Er hatte – genau wie sein Bad Vöslauer Geschäftspartner Ronald Lagrange – schon länger mit dem Gedanken an ein zweites Krematorium in Niederösterreich gespielt. „Bedarf gibt es. Die meisten Leichen aus unserem Einzugsgebiet werden in Simmering kremiert. Aber die Anlage dort stößt langsam an ihre Kapazitätsgrenzen“, meint Lagrange. Gefehlt hat ihm bisher allerdings der geeignete Geschäftspartner. Durch die Zusammenarbeit mit Redlich soll das Projekt Krematorium Bad Vöslau jetzt konkrete Formen annehmen. Der Gemeinderat hat im März den Verkauf eines Grundstücks im Betriebsgebiet an die Betreibergesellschaft beschlossen – vorerst unter Vorbehalt auf ein Jahr. Nun geht es darum, innerhalb dieser Frist die Finanzierung zu klären und die erforderlichen Bewilligungen einzuholen.
Aus eins mach drei
Beide Betreiber zeigen sich von den Plänen des jeweils anderen überrascht, äußern sich aber bewusst abwartend, wenn es um die neue Konkurrenzsituation geht. Und die könnte durchaus noch für Spannung sorgen. Grundsätzlich ist es nämlich nicht nur möglich, sondern sogar realistisch, dass beide Krematorien genehmigt werden – sofern nicht ein Projektwerber freiwillig zurückzieht.
Zuständig für die Errichtungs- und Betriebsbewilligung laut Bestattungsgesetz ist das Land Niederösterreich. Das hat aber nicht darüber zu entscheiden, wie viele Krematorien in welchem Umkreis gebaut werden sollen. Erfüllen also beide Betriebe die notwendigen Auflagen, werden beide genehmigt. Der Rest bleibt unternehmerisches Risiko. „Kein kleines Risiko“, meint Landesinnungsmeister Herbert Cepko. „Fest steht, Bedarf für ein zweites Krematorium gibt es in Niederösterreich auf jeden Fall. Aber drei sind definitiv eines zu viel.“ Die Konsequenz: Ein skurriler Wettlauf um ein Geschäft, das noch dazu viele nicht haben wollen.
Reine Geschäftemacherei
Besonders dem Leobersdorfer Projekt schlägt eine Welle des Protests aus der Bevölkerung entgegen. Eine Bürger-initiative rund um die Juristin Daniela Fradinger-Gobec hat innerhalb kürzester Zeit mehr als 700 Unterschriften gegen das Projekt gesammelt; genug für einen Initiativantrag laut § 16 der NÖ Gemeindeordnung und für eine damit einhergehende Volksbefragung. Die überzeugte Projektgegnerin fürchtet vor allem die Schadstoffbelastung. „Schwermetalle, Dioxine, Quecksilber, sogar Plutonium bei Herzschrittmachern – all das wird beim Verbrennen eines menschlichen Körpers freigesetzt“, so Fradinger-Gobec. „Auch mit den besten Filtern kann man dieses Risiko nicht ausschalten. Abgesehen davon, dass Störfälle keine Seltenheit sind. Erst im Jänner hat es im St. Pöltner Krematorium gebrannt.“ Der Betreiber hat mittlerweile auf den anhaltenden Protest reagiert und eine Website eingerichtet, auf der er über die tatsächlich zu erwartende Schadstoffbelastung informiert. „Feuerbestattungen sind nach übereinstimmender Expertenmeinung die umweltfreundlichste Art aller Bestattungsformen“, stellt Tappler klar. „Die Auflagen sind sehr streng.“ Fradinger-Gobec reicht diese Argumentation nicht: „Es geht nicht um die Schaffung von Kapazitäten, sondern um reine Geschäftemacherei.“
Vielleicht doch nicht
Der Ort im Industrieviertel ist nicht der einzige Ort, in dem Bürger gegen ein geplantes Krematorium Sturm laufen. Im steirischen Trofaiach und im burgenländischen Deutschkreutz waren die Proteste erfolgreich – zumindest bisher. In Leobersdorf hat Fradinger-Gobec mit ihrer Unterschriftenaktion eine Volksbefragung am 23. Juni erwirkt. Und: Der Gemeinderat hat das Ergebnis für bindend erklärt – wozu er nicht verpflichtet ist.
„Sollte es mehr als 1.000 Gegenstimmen geben, werden wir keine Initiativen setzen, um das Projekt zu forcieren; keinen Grundverkauf und auch keine Beteiligung“, erklärt Bürgermeister Ramharter. „Wenn es nicht bei uns steht, dann steht es eben woanders“, hat er zu Beginn der Diskussion gemeint. Könnte durchaus sein, dass er damit mehr ins Schwarze getroffen hat, als ihm lieb ist.