Das Jahr 2020 rückt immer näher und damit auch die 20-20-20-Ziele der EU im Energiebereich. Auf dem Weg dorthin gibt es noch viel zu tun. Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner erklärt, wie Österreich die hochgesteckten Ziele dennoch erreichen und von zukünftigen Förderungen und Entwicklungen im Energiebereich profitieren kann.
Von Agnes Kern
public: Bei der Energieeffizienz wird Österreich das EU-2020-Ziel um rund 17-18 %verfehlen, wenn keine weiteren Maßnahmen getroffen werden. Wie erklären Sie diese Entwicklung?
Reinhold Mitterlehner: Wir sind weiter zuversichtlich, die 2020-Ziele zu erreichen. Bisher ist es Österreich gelungen, den Energieverbrauch trotz eines steigenden Wirtschaftswachstums auf dem Niveau von 2005 konstant zu halten. Um diesen Erfolgsweg fortzuführen, braucht es allerdings in den nächsten Jahren weitere Maßnahmen.
BILDNACHWEIS: WIENER BEZIRKSZEITUNG/LAUBNER
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public: Was kann hier insbesondere auf lokaler, auf Gemeindeebene noch getan werden, um die Kriterien zu erfüllen?
Mitterlehner: Unsere Ziele erreichen wir nur, wenn alle Stakeholder – von der Bundespolitik bis zur Gemeindeebene und vom Industrieunternehmen bis zum einzelnen Haushalt – das Effizienzpotenzial in ihrem Bereich heben. Daher unterstützen wir zum Beispiel die bewährte Förderaktion für die thermische Sanierung und die Aktion Energiespargemeinde, bei der Gemeinden via Online-Energiechecks ihre Verbesserungspotenziale finden können. Gleichzeitig geht es auch um eine stärkere Bewusstseinsbildung: Derzeit ist der effizientere Einsatz von Energie noch deutlich weniger attraktiv besetzt als der Ausbau der Erneuerbaren mit der eigenen Solaranlage am Dach.
public: Erneuerbare Energien haben ihre Grenzen. Sehen Sie diese in Österreich bereits erreicht? Wo gäbe es noch Möglichkeiten, diese substanziell auszubauen?
Mitterlehner: Österreich ist beim Einsatz erneuerbarer Energien Europameister, was sowohl auf den hohen Wasserkraft-Anteil als auch den massiven Ausbau von Windkraft, Photovoltaik und Biomasse durch das neue Ökostromgesetz zurückzuführen ist. Damit unterstützen wir die Energiewende, lösen bis 2020 milliardenschwere Investitionen in grüne Technologien aus und forcieren den Weg der Technologien in Richtung Marktreife. Gleichzeitig haben wir ein Ausufern des Umlagesystems vermieden und Energie für die Konsumenten leistbar gehalten. Anders als in Deutschland deckeln wir die jährliche Fördersumme und haben für alle Technologien degressive Elemente in der Tarifförderung etabliert. Für den weiteren Ausbau brauchen wir auch die Pumpspeicherkraftwerke als derzeit effizienteste Möglichkeit, um Strom zu speichern.
public: In Brüssel wird gerade intensiv an den neuen Förderprogrammen gearbeitet. Unter anderem sollen Klimaschutzmaßnahmen 2014-2020 mindestens 20 % der EU-Ausgaben ausmachen und in die geeigneten Instrumente einfließen. Wie kann Österreich in diesem Bereich vom Angebot der EU profitieren?
Mitterlehner: Von einer mittelfristigen Harmonisierung der Fördersysteme und der Vollendung des EU-Binnenmarktes profitieren vor allem die Konsumenten. Wenn erneuerbare Energie dort ausgebaut wird, wo es die effizientesten Rahmenbedingungen gibt, kann man mit weniger Geld mehr sauberen Strom produzieren. Der Ausbau der dafür notwendigen Netze stärkt die Versorgungssicherheit und den Wettbewerb. Alles zusammen führt zu geringeren Energiekosten.
public: Außerdem wird es einen neuen EU-Fonds namens „Connecting Europe“ geben. Hier sollen insbesondere Mittel für grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte im Energiebereich zur Verfügung stehen. Welche Möglichkeiten wird dieses neue Instrument bieten? Wie können Österreichs Regionen davon profitieren?
Mitterlehner: Im Rahmen der EU-Infrastrukturverordnung sollen Energieprojekte von übergeordnetem, gemeinschaftlichem Interesse schneller verwirklicht werden und in Summe mit rund fünf Milliarden Euro kofinanziert werden. Österreich als Energiedrehscheibe und „Grüne Batterie“ im Herzen Europas kann davon besonders profitieren. Gleichzeitig sollen aber die nationalen Instrumente für die Bürgerbeteiligung sowie geltende Umweltstandards erhalten bleiben.
public: Österreich gilt als schwieriges Umfeld für Netzinvestitionen. Neues stößt oft auf Widerstand. Aber Europas Stromnetze veralten. Laut Oesterreichs Energie sollten bis 2030 rund 13 Milliarden Euro investiert werden, damit die Netze auch künftig die Versorgungssicherheit bewältigen können. Wie wollen Sie Akzeptanz für den Ausbau dieser Netze schaffen?
Mitterlehner: Dafür braucht es in erster Linie Transparenz und Aufklärung von Seiten der zuständigen Projektbetreiber. Unabhängig davon werden Sie bei jeder neuen Leitung, bei jedem Wasser- oder Windkraftwerk immer jemanden finden, der gegen das Projekt ist. Jeder will zwar den Ausbau der Erneuerbaren, aber nicht die dafür nötige Infrastruktur in seiner Sichtweite. Das ist freilich kein österreichisches Phänomen, in diesem Spannungsfeld bewegt sich die Energiewende in ganz Europa.
public: Der Innovation kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Stichwort Energieforschung: Was tut sich in Österreich?
Mitterlehner: Wir werden noch viele Weiterentwicklungen brauchen, um die Herausforderungen an eine nachhaltige, wettbewerbsfähige und leistbare Energieversorgung bewältigen zu können. Daher fördern wir nicht nur die erneuerbaren Energien, sondern haben auch die Forschungsförderungen aufgestockt und erweitert. Ein Beispiel dafür ist die mit zehn Millionen Euro dotierte neue Energieforschungsinitiative, bei der es darum geht, wie überschüssiger Strom aus der fluktuierenden Wind- und Solarenergie in Zukunft effizienter verwertet werden kann. Gerade bei Öko-Innovationen ist Know-how „Made in Austria“ weltweit begehrt und wird immer stärker nachgefragt, was uns im Export hilft.
public: EU-Kommissar Günter Oettinger meinte vor kurzem, dass an Fracking kein Weg vorbeiführe. Wie sehen Sie die Entwicklung?
Mitterlehner: Der Gaspreis ist in der Europäischen Union viermal so hoch wie in den USA. Wenn wir unsere Industrieunternehmen und die damit verbundenen Arbeitsplätze halten wollen, müssen wir daher die Energiekosten langfristig senken. Neben einer Diversifikation der Importe durch neue Pipeline-Routen und mehr Wettbewerb könnte eventuell auch Schiefergas ein möglicher Weg in diese Richtung sein. Allerdings wird die Förderung in Europa nur dann möglich sein, wenn es umweltverträgliche und sichere Fördertechnologien gibt, die sich an unseren hohen Standards orientieren. Ansonsten ist das kein Thema.