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Österreichs Wutbürger

In Wahljahren wie diesem interessieren sich Medien und Politik ganz besonders für die Stimmung der Bürger. Selbige sind hierzulande ja nicht gerade berühmt für Revolten oder gar Revolutionen. Von Albert Wisotzky

Der gemeine Österreicher ist nicht ganz zu Unrecht als Grantler verschrien. „Nicht geschimpft“ ist dem Homo Austriacus zufolge schon gelobt genug. Ein simples „Net schlecht“ ist der Gipfel der Zustimmung, den ein typischer Grantbürger erklimmen kann. Seit allerdings vor einigen Jahren zwei geschäftstüchtige Philosophen das Büchlein „Vom Systemtrottel zum Wutbürger“ veröffentlicht haben, zittern manche Politiker davor, dass die Österreicher sich plötzlich von politischen Grantscherbn zu wütenden Revolutionären entwickeln könnten. Bis dato scheint diese Sorge empirisch unbegründet. Das Phänomen des Wutbürgers gibt es hierzulande zwar, systemgefährdend ist es aber nicht, wie folgende Typologie zeigt:

postit_1 Typ 1 – Der Eremit

Dieser Typus zieht sich wütend aus dem politischen Leben zurück und verwirklicht die Empfehlungen des oben schon genannten Büchleins, in dem es sinngemäß heißt: Finde zu dir selbst und zur Natur zurück. Pflege deinen Garten und sage dem System ade. Diese pseudorevolutionäre Haltung hat noch keinen Politiker und keine Partei jemals aus den Socken gehauen. Beispielhaft dafür steht der Kabarettist und Neo-Aussteiger Roland Düringer.

postit_2 Typ 2 – Der oppositionelle Patriarch

Der zweite Typ à la Frank Stronach ist wütend davon überzeugt, dass alles schlecht ist, was nicht von einem Patriarchen entschieden wird, nicht? Er wählt daher selbigen, der einmal an der Macht genau das umsetzt, was er in Jahrzehnten zuvor in seinen Unternehmen umgesetzt hat, nicht? Wer mit den Menschen redet, braucht seiner Meinung nach auch keine Gewerkschaft nicht, nicht?

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Typ 3 – Der regierende Patriarch

Typ 3 ist wütend, dass es trotz jahrzehntelanger Herrschaft immer noch nötig ist, wiedergewählt zu werden, und dass es immer noch Menschen gibt, die ihm widersprechen. Richtig unleidlich kann er sich dann gebärden, wenn junge Rotzbuben oder – schlimmer noch – Rotzdirndln sich erfrechen, ihn herauszufordern. Von derartigen Majestätsbeleidigungen hat der regierende Patriarch die Nase nämlich gestrichen voll.

postit_4 Typ 4 – Der Umsteiger

Diese Ausführung des österreichischen Wutbürgers wechselt die Partei-Couleur so wie die Unterhosen. Ihm stinkt es, dass er in regelmäßigen Abständen von seinen Parteifreunden enttäuscht und marginalisiert wird. Der Umsteiger hält von Prinzipien wenig und ist gerne bereit, seinen Grant auf die Welt durch ein paar Euro besänftigen zu lassen. Derzeit ergänzen sich der Umsteiger und der oppositionelle Patriarch ganz hervorragend.

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Typ 5 – Der meuternde Pirat

Piraten werden in der Öffentlichkeit seit den Kinoerfolgen von Johnny Depp zwar nicht ernst, aber doch immerhin wahrgenommen. Trotz eines traditionell furchterregenden Images dieses Berufsstandes scheint die österreichische Ausführung noch nicht zum Wuthöhepunkt aufgelaufen zu sein. Scheinbar richtet sich der Zorn vieler Piraten derzeit noch auf die eigenen Mitstreiter. Die potenzielle Wählerschaft wütet maximal auf Facebook, obwohl auch sie sich bis dato insgesamt eher aufs altvaterische Granteln versteht. Eine Meuterei auf der Bounty ist in der österreichischen Politik also nicht in Sicht.

Die genannten Typen sind mehrheitlich männlich und ihre Wut richtet sich auf beinahe alles und alle, außer auf sich selbst. Für die politische Elite des Landes eine beruhigende Erkenntnis: Die österreichischen Bürger bleiben berechenbar.