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Auch, wenn es niemand hören will: Der nächste Winter kommt bestimmt. Und mit ihm die Frage, wer sich wie am besten mit der Räumung der Straßen beschäftigt. So unterschiedlich Österreichs Gemeinden sind, so unterschiedlich sind auch die Zugänge zu diesem Thema. Von Nicole Kranzl
Ob im Pinzgau, im Innviertel oder in der Thermenregion, ob mit viel oder weniger Schnee, ob allein oder in Zusammenarbeit: Dem Winter und seinen Herausforderungen müssen sich alle Gemeinden bald wieder stellen.Und das kostet. Nicht nur Geld, sondern auch Zeit für die Planung, die Anschaffung der einzelnen Geräte und auch für die dazu notwendigen Ausschreibungen. Kein Wunder also, dass in den letzten Jahren etliche Städte und Gemeinden dazu übergegangen sind, ihre Fuhrparks zusammenzulegen bzw. verstärkt ihre gemeinsamen Kapazitäten zu nutzen. So weit, so gut. Doch gerade beim Thema Winterdienst sind Kooperationen zwischen mehreren Gemeinden ein strittiges Thema.
Zu Recht: Im Sommer können sich mehrere Gemeinden relativ leicht dahingehend absprechen, wer an welchem Tag die Böschungen oder den Sportplatz mäht – und dementsprechend auch auf ein gemeinsames Gerät setzen. Im Winter müssen dagegen alle Gemeinden dafür sorgen, dass ihre Straßen von Schnee und Eis befreit werden – und das in aller Regel gleichzeitig, denn Gemeinden, die sich in diversen Kooperationen zusammenschließen, liegen in den meisten Fällen nebeneinander und haben deshalb auch zeitgleich mit denselben Witterungsbedingungen zu kämpfen.
Unterschiedliche Ansätze
Die Zugänge zum Thema Winterdienst in Österreichs Gemeinden variieren: Einige achten darauf, alle notwendigen Geräte selbst anzukaufen, manche lagern einen Teil der notwendigen Arbeiten auf externe Dienstleister aus, und wieder andere bemühen sich um eine intensivere Zusammenarbeit mit benachbarten Kommunen und eine gemeinsame Nutzung des vorhandenen Personals bzw. des Gerätepools.
Generell zeichnet sich österreichweit aber ein Trend hin zum bewussteren Umgang mit dem Thema Fuhrpark bzw. Winterdienst ab, wie Roland Wallner vom Maschinenring bestätigt. „Man wird sich der Problematik bewusster, besonders dann, wenn man mit schweren Wintern wie dem vergangenen zu tun hat“, zieht Wallner Bilanz. „Weniger in den alpinen Regionen, wo die Gemeinden gerade beim Winterdienst sowieso hervorragend aufgestellt sind, sondern vor allem auch in den eigentlich milderen Regionen. Im Burgenland gab es 2012/2013 viermal mehr Schnee als üblich.“
Mittlerweile sei es Usus, gewisse Teile des gemeindeeigenen Straßennetzes komplett an den Maschinenring auszulagern. Mit 16.000 Fahrzeugen und mehr als 4.000 Mitarbeitern steht der Maschinenring als Österreichs größtes Winterdienstunternehmen rund um die Uhr in Bereitschaft und kann so im Bedarfsfall zusätzliches Personal mobilisieren.
Externe Dienstleister
Der Vorteil bei der Beauftragung des Maschinenrings ist nicht zuletzt auch eine gewisse Sicherheit für die Gemeinden. „Früher haben die Gemeinden gedacht, sie tun ihren Bauern etwas Gutes, wenn sie sie direkt mit der Schneeräumung beauftragen“, so Wallner. „Mittlerweile hat da aber ein Umdenken eingesetzt. Probleme gibt es immer dann, wenn etwas passiert. Wenn also zum Beispiel ein Unfall passiert, weil die Straße nicht gut geräumt ist, wer haftet dann? Wer bezahlt die Schäden, die beim Winterdienst oft am Straßenbelag, am Randstein oder an der Bepflanzung passieren? Da schlummert ein großes Risikopotenzial.“
Wenn ein Bauer eigenständig den Winterdienst für eine Gemeinde übernimmt, muss er nicht nur das Gewerbe anmelden, sondern auch eine Haftungsversicherung abschließen. „Wenn er zu uns kommt, braucht er nur sein Fahrzeug und kann direkt eingesetzt werden, ohne sich um alles Weitere zu kümmern. Er bekommt von der Arbeitskleidung bis zum Navigationssystem und der Wetterbenachrichtigung alles, um sich auch optimal auf seinen Dienst vorbereiten zu können“, erklärt Wallner das Prozedere. „Und auch die Gemeinde hat dann nur mehr einen zentralen Ansprechpartner, an den sie sich in allen Fragen wenden kann.“
Wallner kennt die Fuhrparks der österreichischen Gemeinden – und er weiß auch, dass die Kommunen grundsätzlich sehr vernünftig mit ihren Ressourcen umgehen. „Es gibt niemanden, der sich einen riesengroßen Prestigefuhrpark einrichtet“, so Wallner. „Man könnte auch sagen: Die Maschinenausstattung orientiert sich nicht am Winterdienst, sondern am Bedarf des gesamten Jahres. Die Spitzen im Winter werden anders abgedeckt, eben zum Beispiel über externe Dienstleister.“
Neue Abgasstufe
Getan hat sich einiges beim Thema Fuhrpark und Winterdienst – nicht nur beim Management, sondern auch bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Mit 1. Jänner 2014 beginnt ein völlig neues Kapitel für die gemeindeeigenen Fuhrparks: Die EU schreibt ab nächstem Jahr die neue Abgasstufe „Euro 6“ vor.
Sämtliche Fahrzeuge müssen dann mit einem geschlossenen Partikelfilter und einer großen SCR-Anlage ausgestattet sein, um Stickoxide auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Die SCR-Technik (selective catalytic reduction) reduziert Stickoxide in Abgasen, während unerwünschte Nebenreaktionen wie zum Beispiel die Oxidation von Schwefeldioxid zu Schwefeltrioxid weitgehend unterdrückt werden. Die neuen Rahmenbedingungen stellen freilich nicht nur die für die Anschaffung neuer Fahrzeuge zuständigen Gemeinden, sondern auch die Hersteller vor neue Herausforderungen. „Damit gibt es dann quasi abgasfreie Fuhrparks“, fasst Franz Weinberger von MAN Nutzfahrzeuge zusammen. „Allerdings ergeben sich pro Fahrzeug aber auch um 8.000 bis 10.000 Euro höhere Anschaffungskosten.“ Einen Puffer hat der Gesetzgeber allerdings eingeräumt: Die Fahrzeuge, die schon bestellt sind, aber nicht der Abgasstufe „Euro 6“ entsprechen, dürfen auch noch 2014 angemeldet werden, wenn zumindest die LKW-Fahrgestelle ohne Aufbau bis Ende Dezember 2013 gebaut sind. Weinberger sieht gerade beim Thema Winterdienst Konfliktpotenzial für Kooperationen bzw. gemeinsame Anschaffungen – und er kennt auch wenige solcher gemeinschaftlicher Anschaffungen aus der Praxis. „Wer pflegt was? Wer hat was kaputt gemacht? Da gibt es durchaus Konfliktstoff“, meint Weinberger. „Generell tendieren die Gemeinden dazu, ihre eigenen Geräte anzuschaffen. Und sie achten darauf, möglichst multifunktionale Fahrzeuge bzw. die nötige Zusatzausstattung anzukaufen; Geräte also, die man im Sommer verwenden, aber auch für den Winter umrüsten kann.“
Beschaffung
Seit rund zwei Jahren gibt es für Gemeinden die Möglichkeit, auch schwere LKW über die Bundesbeschaffungsgesellschaft anzukaufen. „So bekommen die Gemeinden Einzelfahrzeuge zu einem sehr günstigen Preis. Sie brauchen nicht auszuschreiben und sparen sich so zusätzliche Kosten, vor allem aber auch Zeit, und haben dabei volle Rechtssicherheit bei ihrer Auftragsvergabe“, so Weinberger. „Die Konditionen sind schon fertig ausverhandelt, es gibt einen Grundkatalog an Modellen, der dann für die jeweiligen Erfordernisse adaptiert wird, zum Beispiel bei den Ausstattungsdetails. Diese neue Art der Beschaffung, die ohne großen administrativen Prozess auskommt, hat sich in den letzten Jahren sehr bewährt und wird auch weiterhin genutzt werden.“
Wetterkapriolen
Unterstützung kann man sich auch noch in einem anderen Bereich holen. Besonders beim Winterdienst ist man gut bedient, wenn man rechtzeitig weiß, was da auf einen zukommt. Eine präzise Wettervorhersage kann helfen, den Winterdienst in der Gemeinde weiter zu optimieren.
„Wir wissen, dass unsere Kunden als Winterdienstleister bei schwierigen Wetterlagen bis zu 24 Stunden am Tag im Einsatz sind. Aus diesem Grund arbeiten auch unsere Meteorologen rund um die Uhr, sieben Tage die Woche und sorgen somit für eine vollkontinuierliche Überwachung des Wettergeschehens im Einsatzgebiet unserer Kunden. Durch dieses lückenlose Wettermonitoring und die stündliche Aktualisierung unserer Wetterprognosen sind wir jederzeit in der Lage, unsere Kunden auf kurzfristige signifikante Änderungen im Ablauf des Wettergeschehens aufmerksam zu machen“, sagt MeteoServe-Geschäftsführer Gernot Waldsam. Personal und Streugut können auf diese Weise besser mobilisiert und gezielter eingesetzt werden. So können sich Gemeinden durchaus auch Kosten sparen.
Die Herausforderung liegt dabei einzig in der geforderten Kleinräumigkeit. Je kleiner das Vorhersagegebiet und je weniger zeitliche Abweichung der Kunde beim Eintreten der prognostizierten Wettererscheinungen tolerieren kann, umso schwieriger wird es für die Meteorologen. „Genau hier liegen unsere Stärken“, so Waldsam. „Der hohe Ausbildungsstand bei unseren Mitarbeitern und deren langjährige Berufserfahrung, das optimierte Zusammenspiel von Technik und Expertenwissen und der Einsatz erprobter Verfahren aus der Luftfahrt ermöglichen eine optimale Betreuung.“
Kooperationen
Nichtsdestotrotz gibt es aber auch Gemeinden, die nicht nur auf günstige Anschaffung und die Hilfe externer Dienstleister, sondern auch auf die Zusammenarbeit untereinander setzen, wenn es darum geht, Böschungen zu mähen oder die Straßen vom Schnee zu befreien. Ottensheim und Puchenau in Oberösterreich haben sich vor rund eineinhalb Jahren dazu entschlossen, einen gemeinsamen Bauhof zu errichten und auch ein neues Fuhrpark- und Winterdienstkonzept zu erarbeiten. Noch sind die beiden Bauhöfe räumlich getrennt, in rund einem Jahr soll aber die Zusammenlegung abgeschlossen sein, ein Grundstück für das neue Vorhaben wurde bereits gemeinsam angeschafft.
Schon jetzt arbeiten die Bauhofmitarbeiter der beiden Gemeinden enger zusammen, wird im Bedarfsfall auch auf die Geräte der anderen Ortschaft zurückgegriffen. Mit Erfolg, wie Wolfgang Haderer, Bürgermeister von Puchenau, meint: „Wir haben uns allein in Puchenau im letzten Jahr 100.000 Euro erspart, und das, obwohl wir noch immer einen eigenen Bauhof betreiben. Wir denken jetzt betriebswirtschaftlich, haben die Arbeitsfelder spezialisiert und sind durch die effizientere Arbeitsweise sogar in der Lage, größere Arbeiten durchzuführen als früher.“
Rückenwind bekommt Haderer von seiner Ottensheimer Kollegin Ulrike Böker, die aber auch einräumt, dass es nach wie vor Kritik an der Kooperation gebe. „Die größte Befürchtung war, dass es zu Entlassungen kommt, wenn die beiden Bauhöfe zusammengelegt werden. Das war aber nie die Intention hinter der Kooperation, wir wollen auf ganz andere Art einsparen als beim Personal – zum Beispiel durch effizienteren Personaleinsatz“, zeigt sich Böker zuversichtlich. Probleme, so die Ortschefin, habe es zu Beginn vor allem in der Mitarbeiterschaft gegeben. „Nicht alle waren der Meinung, dass die Umstellung, die ja auch mit einer Aufgabenumverteilung einherging, auch wirtschaftlich was bringt. Es ist ein langer Prozess, so alteingesessene Muster zu verändern, aber wir alle lernen durch unsere Fehler.“ Bisher wurde vor allem Organisatorisches geändert, die Fahrzeuge beider Gemeinden werden gemeinsam genutzt, die Mitarbeiter vermischen sich und werden auch im Nachbarort eingesetzt, wenn ihre Fähigkeiten dort gebraucht werden. Der Winterdienst ist derzeit noch teilweise ausgelagert. „Wir haben aber auch schon gemeinsam ein neues Fahrzeug für den Winterdienst angekauft“, zieht Böker Bilanz. „Wir werden nicht auf Fahrzeuge unserer beiden Fuhrparks verzichten. Allerdings werden wir sehr genau überlegen, was angeschafft wird, wenn ein Gerät ausscheidet – und dann natürlich gemeinsam.“
Öfter gemeinsam
Während einige Gemeinden schon von Kooperationen profitieren, sehnt man sie sich anderswo noch vergeblich herbei – in Fusch an der Glocknerstraße zum Beispiel. Dort ist man zwar seit vier Jahren mit dem benachbarten Bruck im Tourismusverband und mit drei anderen Gemeinden im Reinhalteverband zusammengeschlossen, in anderen Bereichen steht eine Zusammenarbeit aber noch aus. „Wir könnten wesentlich mehr kooperieren, wenn wir erst einmal die Stärken der einzelnen Gemeinden erheben“, ist sich Bürgermeister Leonhard Madreiter sicher. „Jede Gemeinde hat einen Bauhof, jede einen Unimog, der nie zu 100 Prozent ausgelastet ist. Die Gemeinden im Pinzgau müssten viel mehr an einem Strang ziehen. Es gibt ja genug Beispiele dafür, dass Bauhofkooperationen mit einem gemeinsamen Gerätepool funktionieren – ohne dass der eine dem anderen die Arbeit wegnimmt, wie oft befürchtet wird.“ Gespräche zur Errichtung eines gemeinsamen Bauhofs für mehrere Gemeinden hat es bereits gegeben – allerdings keine Einigung. Madreiters Kollege Herbert Reisinger, Bürgermeister von Bruck an der Großglocknerstraße, sieht im Gegensatz keinen dringenden Bedarf für einen gemeinsamen Bauhof. „Ich lehne die Idee zwar nicht grundsätzlich ab, aber gerade bei uns im alpinen Gebiet muss jede Gemeinde top mit Geräten ausgestattet sein, sonst werden wir im Winter mit der Arbeit nicht fertig. Im Sommer könnte man aber schon über eine intensivere Zusammenarbeit nachdenken“, räumt Reisinger ein. „Momentan verleihen wir zwar einzelne Geräte an andere Gemeinden, aber es steckt kein wirkliches Konzept dahinter.“ Für neue Gespräche bezüglich eines gemeinsamen Bauhofs müsse man sich wahrscheinlich ein bisschen bescheidener zeigen, meint Reisinger: „Je mehr Gemeinden sich da beteiligen, desto schwieriger wird es, einen Konsens zu finden. Bei den ersten Überlegungen wäre ja der halbe Pinzgau dabei gewesen. Man müsste vielleicht kleiner beginnen.“ Leonhard Madreiter könnte sich indes auch ohne gemeinsamen Bauhof eine wesentlich engere Zusammenarbeit vorstellen. „Zum Beispiel bei der Kinderbetreuung im Sommer oder bei der Pflege der Wanderwege“, meint der Fuscher Bürgermeister. Warum sich seine Amtskollegen nicht wirklich in dieser Sache mobilisieren lassen, darüber kann auch er nur Vermutungen anstellen. „Wir sind eine starke Fremdenverkehrsregion, es gibt noch keinen finanziellen Druck wie in anderen Gemeinden. Besser wäre es aber, wenn auch wir drauf schauen, rechtzeitig mit dem Sparen zu beginnen – nicht erst dann, wenn wir nicht mehr anders können.“