Ende November fand in Brüssel der dritte Jahreskongress der Europäischen Plattform gegen Armut und soziale Ausgrenzung statt. Hauptthema war die Umsetzung des Sozialinvestitionspakets (SIP).
Von Agnes Kern
Eines der fünf Kernziele der Strategie Europa 2020 ist, mindestens 20 Millionen Menschen aus Armut und sozialer Ausgrenzung herauszuführen und die Beschäftigungsquote der 20- bis 64-Jährigen zu erhöhen. Davon ist die EU derzeit jedoch weit entfernt: Europa steht angesichts einer sich verschlechternden sozialen Lage vor gewaltigen Herausforderungen.
Die derzeitige Wirtschaftskrise hat zu einem Anstieg der Armut geführt. 2012 waren in der EU bereits 125 Millionen Menschen von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht (plus 6 % seit 2010). In Österreich sind laut EU-Definition rund 1,4 Millionen davon betroffen, das entspricht 17 % der Gesamtbevölkerung!
Am 26. und 27. November 2013 fand in Brüssel der dritte Jahreskongress der Europäischen Plattform gegen Armut und soziale Ausgrenzung statt. |
Aufgabe der EU Der jährliche Konvent der Europäischen Plattform gegen Armut und soziale Ausgrenzung gibt politischen Entscheidungsträgern, wichtigen Interessengruppen und Menschen, die Armut erlebt haben, Gelegenheit zum Meinungsaustausch. Der Präsident des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, zeigte sich in seiner Eröffnungsrede besorgt, dass die EU dieses 2020-Ziel verfehlen werde, wenn nicht bald die notwendigen Maßnahmen umgesetzt würden. Jährlich prüft der Konvent nämlich die Fortschritte auf dem Weg dorthin. Thema waren diesmal die erforderlichen Schritte zur Umsetzung des Sozialinvestitionspakets, das die Kommission im Februar 2013 vorgelegt hat. Es soll Menschen helfen, sich an Herausforderungen wie veränderte Arbeitsmärkte anzupassen, und zur Vermeidung von Armut oder Obdachlosigkeit beitragen.
„Wir müssen uns jetzt für konkrete Maßnahmen zur Bewahrung des europäischen Sozialmodells einsetzen“, fordert László Andor, EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Integration.
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Lokale und regionale Umsetzung
Während seiner Rede unterstrich auch Kommissionspräsident José Manuel Barroso das Anliegen der Kommission, Arbeitslosigkeit und soziale Integration verstärkt in Angriff zu nehmen. Er forderte die Mitgliedsstaaten nachdrücklich auf, die Effizienz der Sozialsysteme zu verbessern und soziale Ungleichheiten, wie die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen, zu beseitigen.
„Die Ungleichheit in Europa nimmt zu. Die Wirtschaftskrise hat die schwächsten Bürger, die junge Generation und die ärmsten Regionen und Städte am härtesten getroffen. Die Zahl der von Armut bedrohten Menschen hat sich in den letzten zwei Jahren um mehr als 7 Millionen erhöht. Im Sozialinvestitionspaket werden die Mitgliedsstaaten nachdrücklich aufgefordert, ihre Strategien zur aktiven Inklusion auszubauen und weiter in effizienteren und wirksameren Sozialschutz zu investieren“, erklärte László Andor, Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Integration.
In Workshops und Diskussionsrunden diskutierten die Teilnehmer anschließend über die großen aktuellen Herausforderungen wie den Zugang zu Gesundheitsversorgung, frühkindliche Betreuung, Bildung und Erziehung, Hilfe für benachteiligte junge Menschen, die Verringerung der Obdachlosigkeit und die Inklusion der Roma. Auch die Handlungsmöglichkeiten auf lokaler Ebene wurden debattiert, insbesondere wie Städte und Gemeinden bei der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung unterstützt werden können. Gleichzeitig wurden neue nationale und lokale Ansätze zur Bewältigung der Ziele präsentiert, die auch die EU-Politik weiterentwickeln könnten.
Die Ergebnisse dieser Diskussionen fließen in gemeinsame Verpflichtungen auf europäischer, nationaler und lokaler Ebene zum weiteren Vorgehen ein und werden beim nächsten Kongress 2014 überprüft werden. Die EU-Kommission selbst plant zahlreiche Initiativen wie den Aufbau einer Wissensdatenbank, mit deren Hilfe Politiker und Experten ihr Wissen in diesem Bereich teilen können, ein Pilotprojekt im Bereich Recht auf Wohnung und gegen Obdachlosigkeit und einen Entwurf für ein Referenzbudget zur menschenwürdigen Existenzsicherung in der EU. Mit den Strukturfonds bietet die EU auch die nötigen Mittel, um in soziale Innovation zu investieren. Im Zeitraum 2014-2020 werden der Europäische Sozialfonds (ESF) und das neue Programm für Beschäftigung und soziale Innovation (EaSI) die Hauptfinanzierungsmittel darstellen, mit denen die EU die Umsetzung der Reformen in der Beschäftigungs- und Sozialpolitik unterstützen wird.
Dokumente zum Thema:
Arbeitspapier der EU-Kommission mit den Hauptinitiativen zum Thema Armut