Bildnachweis: Wolfgang Zierl
Zwei Bundesländer - zwei Gemeinden - ein Kulturzentrum. Im Nordburgenland soll ein einzigartiges Projekt verwirklicht werden. Von Otto Havelka
Noch wird eifrig gerechnet und verhandelt, aber das Ziel ist bereits abgesteckt: auf dem 9.000 Quadratmeter großen Areal der ehemaligen k.u.k. Erbsenschälfabrik in Bruckneudorf (Bgld.) soll unter dem Titel "Erbse" ein gemeinsames Kulturzentrum mit der benachbarten NÖ Bezirkshauptstadt Bruck an der Leitha entstehen. Die Vorstellungen der beiden Bürgermeister Gerhard Dreiszker (SP, Bruckneudorf) und Richard Hemmer (SP, Bruck) sind durchaus fantasievoll. Neben kulturellen Großveranstaltungen - von Konzerten jeder Art bis internationale Ausstellungen - könnten in dem 115 Jahre alten, denkmalgeschützten Gebäudeensemble auch örtliche Kultur- und Jugendvereine eine Heimstätte finden. Hier könnten Ballnächte und Hochzeiten gefeiert werden, Oktoberfeste und Seminare stattfinden und ein Gastro-Service eingerichtet werden. Auch ein Museumsteil zur Geschichte des Hauses ist angedacht.
Eine derartige Kooperation über Gemeinde- und Bundesländergrenzen hinweg "wäre in Österreich einmalig", behauptet Hemmer. Bevor das visionäre Projekt Wirklichkeit wird, sind freilich noch einige Hürden zu nehmen. Da wäre zunächst die Frage nach dem Eigentümer. Derzeit ist das Gelände nach mehrmaligem Besitzerwechsel im Eigentum der Reindl Agrarhandel GesmbH. Sie ist allerdings wie die Vorbesitzer nicht an der historischen Erbsenschälfabrik sondern primär an den zwei benachbarten Silos interessiert. Das "Erbsen"-Gelände wurde gleichsam als unvermeidliches Anhängsel in Kauf genommen.
Nun feilscht Bruckneudorf um einen akzeptablen Kaufpreis für die Erbsenfabrik, und gegebenenfalls hätte auch Brucks Bürgermeister Hemmer "kein Problem" für den Grundstückskauf in der Nachbargemeinde in die Stadtkassa zu greifen. Allerdings: "Gekauft ist schnell etwas", sagt Bruckneudorfs Bürgermeister Dreiszker, "die Frage ist, welche Kosten auf die Gemeinden in den nächsten Jahren zukommen". Vom Bundesdenkmalamt geforderte Sanierungsmaßnahmen, Renovierungsarbeiten, Sicherheitsvorkehrungen, Adaptierung von Leitungen, neue (schalldichte) Fenster, laufende Instandhaltungskosten, etc. Daher sollen jetzt externe Experten in Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt eine Wertschätzung des Gebäudes vornehmen und ein Kostenszenario für die nächsten zehn Jahre erstellen.
Geht es nach Bürgermeister Hemmer, könnte dann der Betrieb des Kulturzentrums in einer Verbandslösung ausgelagert werden. "Ideal wäre", ergänzt Amtskollege Dreiszker, einen wirtschaftlichen und einen künstlerischen Leiter zu finden, die gut miteinander können". "Das Kulturzentrum soll kein zweites Multiversum werden", sagt Hemmer in Anspielung auf das jüngste Desaster beim Schwechater Veranstaltungszentrum.
Großes freiwilliges Engagement
Dass die monarchische Erbsenschälerei, deren ursprünglicher Zweck die Verpflegung der k.u.k.-Streitkräfte war, nun ein Hort der Kunst und Musterbeispiel für kommunale Zusammenarbeit werden soll, ist de facto das Verdienst einer Handvoll Idealisten und ortsansässiger Künstler. Sie gründeten 2003 den Verein "Pont d'art". Unter dem Motto "Kunst kennt keine Grenzen" wurde ein fulminantes zehntägiges Einstandsfest mit rund 70 teilnehmenden Künstlern - auch aus den benachbarten Ländern Ungarn und Slowakei - in der Burg Bruck/Leitha inszeniert. Abgesehen hatten es Kultur-Freaks aber auf ein anderes Objekt: Einen baufälligen, von Gestrüpp umwucherten und dem Verfall preisgegebenen Backsteinbau - die Erbsenschälfabrik. Ein Jahr später schloss der Verein mit den damaligen Besitzern des Areals einen Pachtvertrag über zehn Jahre ab, und machte sich in der Ruine ans Werk. Mit freiwilligen Helfern wurden in der historischen Industrieruine meterhoher Taubenkot entfernt, einstürzende Dächer repariert, Fußböden saniert, etc. Ein knappes Jahr später wurde erstmals eine Kulturveranstaltung in der "Erbse" abgehalten.
Rund fünf Jahre später drohte das Aus für die Initiative. Aufgrund fehlender Baubewilligungen wurde das Projekt zugedreht. Drei Vorstandsmitglieder des Vereins - darunter die derzeitige Obfrau Geraldine Rabl sowie ihr Stellvertreter und organisatorischer Leiter Roman Kral - investierten mit einem zinsenlosen Privatdarlehen einen Haufen Geld, um das ehrgeizige Projekt zu retten. 2011 wurde das Bewilligungsverfahren abgeschlossen und die "Erbse" feierte als Kulturzentrum ihren zweiten Einstand. Im Februar 2012 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt. Der Verein "Pont d'art", der mittlerweile als "erbse" firmiert, organisiert hier gut ein Dutzend Kulturveranstaltungen pro Jahr und kommt auch für die laufenden Kosten (Gebäudeversicherung, Kanal, Strom, etc.) auf. Vor gut einem Jahr diente das "Erbsen"-Gelände auch als Drehort für den Kino-Film "Der Teufelsgeiger" mit Hauptdarsteller David Garrett.
Gewichtige Unterstützung
Nun läuft der Pachtvertrag aus, und weder Bruck noch Bruckneudorf wollen die mittlerweile zur Institution gewordenen "Erbse" verfaulen lassen. Mit seinem grenzenlosen Enthusiasmus hat der Erbsen-Verein schon frühzeitig bedeutende Fans gewonnen: Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl und Kulturlandesrat Helmut Bieler gelten als Erbsen-Freunde der ersten Stunde. Landeshauptmann Niessl hält letzten Informationen zufolge heuer zum dritten Mal in Folge seine 1. Mai-Feier in der Erbse ab. Daher darf nicht nur der "Erbsen"-Verein mit Förderungen für seine Veranstaltungen rechnen, sondern auch die Gemeinde Bruckneudorf darf sich auf Bedarfszuweisungen Hoffnung machen. Der Brucker Stadtchef Hemmer kann sich auch vorstellen, "dass sich das Land Niederösterreich förderungstechnisch einbringt". Man müsse nur eine gangbare Lösung zwischen den unterschiedlichen Bauordnungen und Förderungsrichtlinien der Länder finden. Auf der Strecke bleiben könnten theoretisch die Pioniere der "Erbse". Mit dem Auslaufen des Pachtvertrages, der nun mit Jahresfrist gekündigt werden kann, hat der Verein keine Ansprüche mehr auf Nutzung des Gebäudes. Und auch eine Ablöse für die getätigten Sanierungs- und Erhaltungsarbeiten ist laut Vertrag ausgeschlossen. Zumindest für Bruckneudorfs Bürgermeister Dreiszker ist das unvorstellbar. In dem künftigen Kulturzentrum müsse "von Anfang an ein Freiraum für den Verein "erbse" fixiert werden.
Bildnachweise: Wolfgang Zierl und NÖN